Luka Mucic

SAP-CFO stellt höhere Mittelfrist­ziele in Aussicht

SAP hat ihre Ergebnisprognose für 2022 gesenkt und die Umsatzprognose lediglich beibehalten. Finanzvorstand Luka Mucic ist dennoch überzeugt, der Softwarekonzern sei auf gutem Kurs, die mittelfristigen Ziele zu übertreffen.

SAP-CFO stellt höhere Mittelfrist­ziele in Aussicht

Sebastian Schmid.

Herr Mucic, im zurückliegenden Quartal hat sich die Stimmung in der Wirtschaft eingetrübt. Spürt SAP das in der Auftragslage in einigen Regionen schon?

Global nehmen wir weiter eine sehr positive Stimmung bezüglich Aufträgen wahr. Das gilt insbesondere für unser Cloudgeschäft. Der Umsatz ist zwar nur eine Vergangenheitsbetrachtung. Aber auch unser Current Cloud Backlog (CCB), der die künftigen Clouderlöse abbildet, ist gegenüber dem Vorjahr währungsbereinigt um 25% auf 10,4 Mrd. Euro gestiegen. Nominal fällt der Anstieg mit 34% noch einmal deutlich höher aus. Hier hilft uns der aktuell starke Dollar. Insbesondere die Dynamik in unserem Kernprodukt S/4Hana ist mit 87% währungsbereinigtem CCB-Wachstum enorm. Regional gesehen haben wir ein sehr starkes Wachstum in Nord- und Lateinamerika sowie in Asien. In Europa haben wir zwei unterschiedliche Entwicklungen. In der Region Mittel- und Osteuropa, zu der Russland und die osteuropäischen Staaten gehören, haben wir mit Abstand das niedrigste Wachstum. Da merkt man, dass die Auswirkungen am Markt umso stärker sind, je näher man dem Krieg regional kommt. In Westeuropa haben wir dagegen ein ähnliches Wachstumstempo gesehen wie in Nordamerika.

Also gar keine Eintrübung?

Doch. Der Softwarelizenzumsatz ist im Quartal währungsbereinigt um 38% gesunken. Da macht sich zum einen der starke Sog des Übergangs vom Softwarelizenzmodell in die Cloud bemerkbar. Und zwar noch stärker, als wir uns das ursprünglich erwartet hatten. Hinzu kommt aber sicherlich, dass Unternehmen in dieser Phase Investitionsaufwendungen (Capex) zunehmend kritisch sehen und daher die digitale Transformation in die Cloud noch stärker vorantreiben, denn das läuft über die operativen Aufwendungen (Opex).

Wie wirkt sich die Abschwächung des Euro bei SAP aus?

Im Prinzip ist das positiv für uns. Bezogen auf den Umsatz gilt das ohnehin. Bezogen auf den Gewinn gilt das aber auch. Wir erwirtschaften 35% unserer Erlöse in Dollar und nur rund 30% in Euro. Bei den Kosten sieht es genau umgekehrt aus, so dass die Dollarstärke auch einen positiven Effekt auf unsere Marge haben wird.

Davon war in diesem Quartal noch nicht viel zu sehen…

Das ist richtig. Im Umsatzwachstum hatten wir einen positiven Effekt von 8 Prozentpunkten, im Ergebnis nur von 3 Prozentpunkten. Das lag allerdings am Abschied aus Russland. Hier mussten wir Abfindungen für Mitarbeiter und Abschreibungen auf Forderungen in Rubel verbuchen. Und der Rubel ist eine von wenigen Währungen, die im zweiten Quartal gegenüber dem Euro massiv aufgewertet haben. Das hat den Wechselkurseffekt auf der Ergebnisseite gedämpft.

Haben Sie das Gros der Belastungen in Verbindung mit dem Krieg in der Ukraine bereits im ersten Halbjahr verbucht?

Ja, wir haben in den ersten sechs Monaten im Ergebnis bereits 230 Mill. Euro an Belastung in Verbindung mit unserem Abschied aus Russland verbucht. Dazu kommen noch rund 120 Mill. Euro an Restrukturierungsaufwendungen im zweiten Halbjahr. Wenn uns dann aber Mitarbeiter dort verlassen, wird das natürlich auch ergebnisseitig eine Entlastung bringen. Insbesondere im vierten Quartal werden wir das sehen.

Eine Entlastung suchen derzeit viele Tech-Unternehmen auch auf der Kostenseite. Wie sieht es bei Ihnen aus? Gibt es bei SAP einen Einstellungsstopp?

Momentan gibt es nur noch sehr punktuell in einzelnen Bereichen Einstellungen. Im Vertrieb gibt es die aktuell nicht. In der Entwicklung nur sehr gezielt an bestimmten strategischen Stellen. Und ansonsten haben wir derzeit die Mannschaft an Bord, mit der wir glauben, dass wir dieses Jahr gut bestreiten und ins Jahr 2023 gehen können. Deswegen rechne ich nicht mit einer weiteren signifikanten Steigerung unserer Mitarbeiterzahl. Wir sind schließlich heute schon bei mehr als 110 000 Mitarbeitern. Das ist erst einmal genug, denke ich.

Soeben haben Sie angedeutet, dass es neue Mittelfristziele geben wird, die das starke Cloudwachstum beinhalten. Wann ist damit zu rechnen?

Wir haben schon im vergangenen Jahr gesagt, dass wir mit Blick auf die Cloud deutlich vor unseren Planungen liegen. Das ist weiterhin der Fall. Bei unserem Kernprodukt S/4Hana hätte ich nicht erwartet, dass wir das in so schneller Zeit zu einem Multi-Milliardengeschäft machen. In diesem Quartal hatte es bereits den größten Beitrag zum Current Cloud Backlog und wächst dabei weiter mit praktisch 100%. Wir sehen also sehr klar, dass unsere Erwartungen vom Herbst 2020 deutlich übertroffen werden. Da kommt dann noch die Währung dazu, die deutlich zu unseren Gunsten ausschlägt und uns im Ergebnis helfen sollte. Damit ist umsatz- wie auch ergebnisseitig ein guter Boden für unsere Mittelfristplanung bereitet. Wir schauen uns das jetzt noch einmal an im dritten Quartal. Wenn sich die Entwicklung so verstetigt, werde ich sicher noch einmal das Vergnügen haben – ob jetzt im vierten Quartal 2022 oder im ersten Quartal 2023 –, ein Update für die Mittelfristziele geben zu können. Vielleicht dann auch schon mit einer Nachfolgerin oder einem Nachfolger an meiner Seite, um die Ziele zu bestätigen.

Das Interview führte

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