Energiepolitik

„Sonst wird es im Winter wirklich eng“

Die Bundesregierung versucht mit einem Comeback der Kohle einen Versorgungsnotstand bei Gas im kommenden Winter abzuwenden. „Das kann keinem Menschen in irgendeiner Form gefallen“, räumt Bundeswirtschafts- und Klimaminister Robert Habeck ein.

„Sonst wird es im Winter wirklich eng“

Reuters Berlin

Nach den von ­Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck angekündigten Notmaßnahmen zur Senkung des Gasverbrauchs in Deutschland sondieren Versorger eine Verlängerung der Laufzeiten ihrer Kohlekraftwerke. Der deutsche Energieversorger RWE könnte drei Braunkohlekraftwerke mit einer Leistung von jeweils 300 Megawatt (MW) weiter betreiben, wenn er dazu würde, kündigte das Unternehmen am Montag an. Die Kraftwerke Neurath C, Niederaußem E und F sind Teil einer vom Ministerium im Mai erstellten Liste möglicher Stand-by-Anlagen für den Fall schwerwiegender Unterbrechungen russischer Gaslieferungen. Auch der Steinkohleverstromer Steag zeigte sich bereit, vorübergehend mehr Kapazität an­zubieten.

Habeck hatte am Wochenende Maßnahmen zur Aufstockung der Gasspeicher für den nächsten Winter bekanntgegeben und dabei auch die verstärkte Verbrennung von Kohle zur Stromerzeugung als eine Option genannt, um Gas zu sparen, das für industrielle Prozesse benötigt wird. Stromerzeuger könnten demnach für einen Übergangszeitraum von Gas- auf Kohlekraftwerke umsteigen – müssen dies aber nicht, wie das Wirtschaftsministerium am Montag be­tonte. Geplant sei vor allem, dass bestimmte Kohlekraftwerke eingeschränkt wieder genutzt werden könnten. Der russische Staatskonzern Gazprom hatte den Gasfluss durch die Ostseepipeline Nord Stream in den vergangenen Tagen deutlich verringert. So erhält der Energiekonzern Uniper nach eigenen Angaben derzeit weniger als die Hälfte der vereinbarten Gasmengen. Auch die italienische Eni und die österreichische OMV sind von geringeren Gaslieferungen aus Russland betroffen. „Es ist eine angespannte Lage“, sagte Uniper-Chef Klaus-Dieter Maubach. Der Versorger sei bereit, seine Kohlekraftwerke länger laufen zu lassen, erklärte er auf einer Energiekonferenz in Essen. In Frage kämen Anlagen in Heyden, Staudinger und Scholven. Bei dem Kraftwerk in Wilhelmshaven sei hingegen „der Point of no return“ erreicht.

Noch volle Speicher

Die Gasspeicher in Deutschland waren am Montag zu etwa 57,6% gefüllt, Tendenz steigend. Für Oktober schreibt das Gasspeichergesetz aber einen Füllstand von 80% vor und für November sogar von 90%. Die Wiedereinführung von Kohlekraftwerken könnte nach Angaben des Wirtschaftsministerium eine zusätzliche Kapazität von bis zu zehn Gigawatt schaffen, falls die Gasversorgung ein kritisches Niveau er­reicht. Ein entsprechendes Gesetz soll am 8. Juli in den Bundesrat gehen, die Aktivierung der Gasersatzreserve per Ministerverordnung ist ebenfalls in Arbeit.

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