Software-Skandal

Späte Genugtuung für britische Post-Mitarbeiter

Die Ex-Chefin des Post Office, Paula Vennells, hat ihre verbliebenen Ämter niedergelegt, nachdem der Court of Appeal Mitarbeiter rehabilitierte, denen Betrug und Bilanzfälschung vorgeworfen wurde.

Späte Genugtuung für britische Post-Mitarbeiter

– Für die Betroffenen war es eine späte Genugtuung: Der Londoner Court of Appeal hat 39 der Poststellenleiter rehabilitiert, denen die staatseigene Poststellen-Betreibergesellschaft Post Office nach Einführung einer neuen Software Betrug und Bilanzfälschung vorwarf. Mehr als 700 wurden verfolgt, manche gar zu Haftstrafen verurteilt. Seema Misra war schwanger, als sie ins Gefängnis musste. Angeblich hatte sie 75 000 Pfund unterschlagen. Vijar Parekh, der sechs Monate unschuldig hinter Gittern verbringen musste, fand danach keine Arbeit, weil er vorbestraft war. Janet Skinner, eine Mutter von zwei Kindern, musste für neun Monate in Haft, weil angeblich 59 000 Pfund in der Kasse fehlten. Bereits im Dezember vergangenen Jahres wurden sechs vergleichbare Urteile kassiert. Im Dezember 2019 hatte sich das Unternehmen mit 555 Betroffenen auf die Zahlung von 58 Mill. Pfund geeinigt. Nach Abzug der Anwalts- und Verfahrenskosten blieben davon lediglich etwas mehr als 20 000 Pfund pro Kopf.

Obwohl Probleme mit dem von Fujitsu entwickelten Horizon-System bekannt gewesen seien, habe das Management auf dessen Verlässlichkeit bestanden, stellte das Berufungsgericht fest, über dem nur noch der Supreme Court steht. Habe ein Poststellenleiter die Exaktheit in Frage gestellt, sei er wie mit einer Dampfwalze überrollt worden.

„Die Versäumnisse von Post Office Limited bei der Untersuchung und Offenlegung waren so ungeheuerlich, dass sie die gerichtliche Verfolgung jedes der ‚Horizon-Fälle‘ zu einem Affront für das Gewissen des Gerichts machen“, sagte die Richter. Paula Vennells, die das Unternehmen von 2012 bis 2019 führte, legte daraufhin ihre Ämter in den Boards der Einzelhändler Dunhelm und WM Morrison Supermarkets sowie als Geistliche der anglikanischen Kirche mit unmittelbarer Wirkung nieder. Ihr war lange zugutegehalten worden, dass sie das defizitäre Unternehmen wieder in die Gewinnzone geführt hatte. Andrew Higginson, der Chairman des Supermarktbetreibers, ließ es sich nicht nehmen, sie „einfühlsam, schlagkräftig und arbeitsam“ zu nennen und ihr für ihren „wesentlichen“ Beitrag zum Unternehmenserfolg zu danken. Vennells drückte den betroffenen Poststellenleitern ihr Bedauern aus und versprach, an der laufenden Untersuchung der Vorgänge durch die Regierung mitzuwirken. Vor dem Börsengang der Brief- und Paketlogistik der britischen Post wurden die Filialen in Post Office Limited gebündelt. Der amtierende Chef der Gesellschaft, Nick Read, nannte die Entscheidung des Berufungsgerichts vom Freitag einen Meilenstein bei der Aufarbeitung der Vergangenheit. „Es muss eine Entschädigung geben, die widerspiegelt, was passiert ist“, sagte Read.

Die Verantwortlichen für diesen Skandal „müssen bestraft werden, ernsthaft bestraft werden“, sagte Harjinder Butoy, der drei Jahre und vier Monate wegen angeblichen Diebstahls im Gefängnis verbringen musste.

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