Jochen Eichmann

„Unsere Tickets werden größer“

Trotz schwachem Umfeld erwartet KfW-Manager Jochen Eichmann für Venture Debt aus dem neuen Fördertopf vor allem im nächsten Jahr eine steigende Nachfrage.

„Unsere Tickets werden größer“

Von Heidi Rohde, Frankfurt

Auf den ersten Blick erscheinen die Vorzeichen nicht günstig für den Start des zweiten „Venture Tech Growth Financing“-Topfs der KfW, für den ein Volumen von 1,2 Mrd. Euro vorgesehen ist. Der Ukraine-Krieg und die wachsenden geopolitischen Spannungen zwischen China und den USA machen angespannte Lieferketten praktisch zum Dauerzustand. Hinzu kommt eine handfeste Energiekrise und eine rekordhohe Inflation. Doch trotz dieser toxischen Mischung ist Jochen Eichmann, KfW-Abteilungsdirektor und Head of Venture Tech Growth Financing (VTGF), zuversichtlich für die Entwicklung von Venture Debt in Deutschland, das die bundeseigene Förderbank weiter voranbringen will.

Kurz nach der Ankündigung, dass der VTGF mit einem deutlich erhöhten Fördervolumen in die zweite Runde geht, konnte die KfW einen ersten großen Deal abschließen, bei dem 80 Mill. Euro aus dem VTGF zugesagt wurden. Da die Bank diese Kredite nur in Kooperation mit Partnern vergibt, aktiviert diese Zusage mindestens das doppelte Volumen. „Unsere Tickets werden größer und auch kleiner“, betont Eichmann im Gespräch mit der Börsen-Zeitung.

Der neue VTGF operiere mit Losgrößen „zwischen 500 000 Euro und 125 Mill. Euro“, so der Manager. Denn die Bank sei bestrebt, junge Unternehmen in einem breiten Entwicklungsstadium von der Frühphase bis zum IPO – idealerweise – und bei Bedarf noch darüber hinaus zu unterstützen. Derzeit hat die KfW aus dem VTGF 140 Mill. Euro herausgelegt.

„Damit aktivieren wir schätzungsweise 380 bis 400 Mill. Euro“, erklärt Eichmann. Dies geht deutlich über eine Verdopplung des hier von der KfW ausgereichten Volumens hinaus, „weil wir für reifere Unternehmen zunehmend auch Konsortien bilden, die das Risiko streuen und so das mögliche Kreditvolumen erhöhen.“

In Zeiten steigender Zinsen erhöhen sich auch die Kosten für Venture Debt. Sie liegen derzeit ungefähr in einer Spanne von 4 % bis 15 %, gegebenenfalls plus Equity-Kicker, je nach Risikoprofil. Obwohl die Konjunktur auf der Kippe steht, hat die KfW bei VTGF bisher keinerlei Zahlungsverzug oder gar Ausfälle zu beklagen. Eichmann betrachtet dies auch deshalb als Glücksfall, weil er hofft, mehr Partner für die Kreditvergabe zu erschließen, um die verfügbare Summe bestmöglich zu hebeln.

Kooperation mit Debt-Fonds

Während sich einige Institute wie in jüngster Zeit zurückgezogen haben, seien neue hinzugekommen. Dabei ist die KfW bemüht, auch mit internationalen Partnern wie erfahrenen Venture-Debt-Fonds zusammenzuarbeiten. „Wir sind derzeit dabei, unsere Produkte anzupassen, so dass der Zuschnitt zu diesen Kreditgebern passt“, erklärt Eichmann.

Denn er rechnet Anfang 2023 mit einer deutlich höheren Nachfrage vonseiten junger Unternehmen. Bisher hat sich Venture Debt bei europäischen Start-ups eher im Gleichklang mit frischem Eigenkapital entwickelt. Das heißt: Kredite an junge Unternehmen zogen im Volumen in den Pandemiejahren deutlich als, als auch Rekordsummen von Wagniskapitalgebern investiert wurden.

Engpass erkennbar

Im Zuge der Zinswende, die vor allem bei Technologie-Start-ups, die noch weit von der Gewinnzone entfernt sind und anhaltend Geld verbrennen, zu einer Bewertungskorrektur geführt hat, seien die Eigenkapitalquellen zwar nicht gänzlich versiegt, „aber die Aufnahme von frischem Eigenkapital ist doch deutlich schwieriger geworden“. Venture-Capital-Fonds, die in den vergangenen Jahren junge Unternehmen mit Kapital geradezu geflutet haben, werden vorsichtiger.

Noch sind nach Einschätzung von Eichmann viele Start-ups gut mit Kapital ausgestattet, aber um die Jahreswende sollte der Bedarf steigen, glaubt er. Bis Ende 2023 will der Manager das bisher aus dem VTGF ausgereichte Volumen deutlich steigern, „um 50 bis 70 %“.

Dabei dürfte auch eine Rolle spielen, dass gerade reifere Start-ups, einige der sogenannten Unicorns, in einem schwachen wirtschaftlichen Umfeld einerseits ihr IPO verschieben mussten und andererseits ihr Geschäft weiter skalieren wollen, zumal auch die Folgen der Pandemie weiter verblassen sollten.

Diese Klientel hat der VTGF auch deshalb von Beginn an im Auge gehabt, weil Venture Debt für solche reiferen Start-ups eine Finanzierungsalternative ist, die insbesondere den Gründern zugutekommt. Denn es ermöglicht ihnen, eine weitere Verwässerung ihrer Anteile und einen wachsenden Kontrollverlust zu vermeiden.

Unabhängig davon, ob ein baldiges IPO das Ziel ist, sieht Eichmann die Aufgabe der Förderbank auch darin, diese Unternehmen zu einer höheren Kapitalmarktreife zu führen, indem sie ihre Verbindlichkeiten aus den zuvor bestehenden bilateralen Vereinbarungen ordnen und möglichst Konsortialkredite ab­schließen. „In dieser Hochrisikoklasse ist mit bilateralen Vereinbarungen mit einzelnen Banken auch irgendwann Schluss“, so der Manager.

Dann sei ein Konsortialkredit der folgerichtige Schritt. Die Mitwirkung des VGTF sei dabei „ein stabilisierender Faktor“, der sowohl den Unternehmen als auch anderen Kreditgebern mehr Sicherheit vermittle.

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