Virtuelle HV

Verbände befürchten „gedoppelte“ Aktionärs­rechte

Unternehmensvertreter kritisieren den Regierungsentwurf zur virtuellen Hauptversammlung und fordern den Gesetzgeber auf, Frage- und Antragsrecht der Aktionäre während der Versammlung zu beschränken.

Verbände befürchten „gedoppelte“ Aktionärs­rechte

swa Frankfurt

 Das Ringen zwischen Anlegern und Unternehmen über die Ausgestaltung virtueller Hauptversammlungen (HV) geht weiter. Nachdem die Ampel-Koalition in der Überarbeitung des Referentenentwurfs die Aktionärsrechte deutlich gestärkt hat, fordern Unternehmensverbände nun den Gesetzgeber auf, das Rad wieder zurückzudrehen. In einer gemeinsamen Stellungnahme werden erhebliche Nachbesserungen eingefordert. Unterzeichner sind Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI), Deutsches Aktieninstitut (DAI), Bitkom, Deutscher Investor Relations Verband (DIRK), Bundesverband der Unternehmensjuristen (BUJ), Verband der Chemischen Industrie (VCI) und Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV).

„Im Gegensatz zum gut austarierten Referentenentwurf sieht der Regierungsentwurf eine unreflektierte Übertragung der Art und Weise der Ausübung der Aktionärsrechte aus der Welt der Präsenzversammlung in die Welt der virtuellen Hauptversammlung vor“, monieren die Verbände. Weil auf „wichtige Filterfunktionen“ zur „angemessenen Kanalisierung von Fragen und Wortbeiträgen“ verzichtet werde, gehe das Regelwerk „an den Bedürfnissen und realen Gegebenheiten deutscher Hauptversammlungen vorbei“.

Zusammen mit den weiterhin vorgesehenen Beteiligungsmöglichkeiten vor der virtuellen HV führe der Regierungsentwurf zudem zu „gedoppelten“ Aktionärsrechten und Abläufen in der Online-Versammlung. Nach Einschätzung der Verbände droht deshalb die Gefahr, dass nur wenige größere Publikumsgesellschaften das neue Format nutzen.

Im Koalitionsvertrag ist festgeschrieben, dass die Aktionärsrechte in der virtuellen HV uneingeschränkt zu wahren sind. Aus Sicht der Verbände darf dies nicht bedeuten, dass die Aktionärsrechte „unbesehen“ aus der Präsenz-HV übernommen und identisch ausgestaltet werden; es müsse um eine „Gleichwertigkeit“ der Art und Weise gehen, wie Aktionärsrechte ausgeübt werden.

Angst vor Überflutung

Die Kritiker fordern klare Vorgaben, um die Anzahl von Fragen und Wortmeldungen „nach sinnvollen Kriterien“ begrenzen zu können. Man laufe sonst Gefahr, mit Fragen „überflutet zu werden“. Zu befürchten sei auch, dass zu viele Wortmeldungen gleichzeitig elektronisch übermittelt würden und ein ordnungsgemäßer Ablauf nicht gewährleistet werden könne.

Die Unternehmensvertreter wollen auch das Fragerecht während der virtuellen HV begrenzen, indem vorab eingereichte Fragen während der Versammlung beantwortet werden und nur noch vertiefende Nachfragen ermöglicht werden sowie Fragen zu Themen, die erst nach der Einreichungsfrist aufgekommen sind.

Den Vorschlag im Regierungsentwurf, vorab eingereichte Fragen auch vorab zu beantworten und sich dazu während der HV nicht mehr äußern zu müssen, halten die Verbände nicht für praxistauglich. Gewarnt wird zudem vor Zufallsmehrheiten, wenn in der HV noch per Knopfdruck Ad-hoc-Anträge gestellt werden dürfen.

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