Gesundheitsmarkt

Vom Zulieferer zum Partner

Das Geschäft der pharmazeutischen Auftragsfertiger wächst stark, globale Produktionsengpässe haben weiteren Schub gegeben. Die Dienstleister gehen mit wachsendem Selbstbewusstsein in den Wettbewerb mit Pharmafirmen.

Vom Zulieferer zum Partner

Von Sabine Wadewitz, Frankfurt

Die einst als reine Auftragsfertiger von Arzneimitteln angetretenen Unternehmen sind dabei, immer mehr Aktivitäten der Pharmaindustrie zu übernehmen. Der Wandel wurde angestoßen von grundlegenden Veränderungen im Gesundheitssektor. Der Markt rund um das pharmazeutische Produkt hat sich in den vergangenen zwei Dekaden signifikant verändert. „Der Trend geht zu spezialisierten Portfolien in der Medikamentenentwicklung. Es werden viel mehr Produkte entwickelt, die spezifische Subindikationen bedienen, wobei jedes Produkt in der Regel nur noch kleine Volumina erreicht“, erklärt Jens Neumann, Partner der zur PwC gehörenden Unternehmensberatung Strategy&. Die Berater haben in einer Studie 150 der weltweit größten Auftragsfertiger unter die Lupe genommen.

Angesichts der größeren Vielfalt von Biopharmazeutika und dem Vormarsch fortschrittlicher Therapien werden mehr unterschiedliche Produktionstechnologien benötigt, sagt Neumann. Gerade in der Zell- und Gentherapie oder bei mRNA-Technologien seien die Produktionsverfahren komplex. „Nach unserer Erkenntnis tun sich viele große Anbieter schwer, viel Geld in die Hand zu nehmen, um für solche komplexen Medikamente eine eigene Produktion aufzubauen. Sie schalten lieber Auftragsfertiger ein und verzichten damit auf Marge, grenzen aber ihr Risiko ein.“ Hinzu kommt, dass der Aufbau von Anlagen für die Herstellung von Biopharmazeutika zeitintensiv ist und oftmals zwei bis drei Jahre dauert. Dieser Prozess könne über einen Auftragsfertiger, der bereits über zertifizierte Anlagen verfügt, deutlich verkürzt werden.

Pharmakonzerne seien um strategische Partnerschaften mit Auftragsherstellern bemüht, um sich Produktionskapazitäten zu sichern, sie flexibel abrufen zu können und Investitionen gemeinsam zu stemmen.

Für sich und andere

Anders sei es, wenn ein Pharmakonzern selbst schon ein biologisches Produkt im Markt hat, das großen Umsatz und entsprechendes Wachstum erzielt. Dann falle die Entscheidung eher für eine Investition in eine eigene Produktion und die Nutzung von Skaleneffekten. „Wenn forschende Pharmakonzerne selbst Produktionskapazitäten aufbauen, beobachten wir einen Trend dahin, dass diese ihr Know-how und ihre biotechnologischen Kapazitäten dann auch an Wettbewerber vermarkten“, ergänzt der Berater.

Das Segment der Auftragshersteller ist in den vergangenen Jahren spürbar gewachsen. Viele Anbieter, in der Befragung über alle Regionen 37% der Unternehmen, bilden inzwischen die gesamte Wertschöpfungskette ab –  von der Entwicklung der Wirkstoffe über die Herstellung von Substanzen und Arzneimitteln bis zur Verpackung. Dabei drehe es sich längst nicht mehr nur um einfache Technologien. „Die Auftragsfertiger bieten Spitzentechnologie an und können hohe Margen in ihrem Geschäft erzielen. Sie haben den Anspruch, nicht mehr Zulieferer, sondern strategischer Partner der forschenden Pharmakonzerne zu sein“, fasst es Neumann zusammen.

Es gibt auch politische Unterstützung. Während der Pandemie haben einige Staaten Anreize geschaffen, um den Aufbau von lokaler Pharmaproduktion für den nationalen Bedarf zu fördern. Das habe Investitionen in neue Anlagen unterstützt.

Der gesamte Sektor der Auftragsfertiger sei heiß umkämpft. „Die M&A-Aktivität ist hoch und die Kaufpreise steigen“, sagt Neumann. Auf Einkaufstour war zum Beispiel der US-Konzern Catalent. Er hat seit 2016 für 4 Mrd. Dollar akquiriert und zusätzlich 2 Mrd. in den Ausbau seiner eigenen Kapazitäten investiert.

Derzeit kann laut Neumann im Biologics-Segment ein großer Teil der benötigten Produktionskapazitäten nicht befriedigt werden. Bei Zell- und Gentherapien sehe es ähnlich aus, auch hier übersteige die Nachfrage schon heute das Angebot – mit vielen Produkten in der Entwicklung werde sich dies auch zukünftig fortsetzen.

In dem Umfeld haben sich Impfstoffhersteller wie Biontech in Szene gesetzt, die nach dem Baukastenprinzip transportfähige Produktionsanlagen in Containern entwickelt haben, um ärmere Länder zu versorgen. Dies ist in vielen Ländern auf hohes Interesse gestoßen. „Damit macht man Technologie maximal exportfähig“, sagt Neumann.

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