Zahlungsverkehr

Alles auf eine Karte

Mit ihrer European Payments Initiative (EPI) fordern Europas Großbanken die US-Kartengiganten Visa und Mastercard heraus. Sie haben keine Chance. Diese müssen sie nutzen.

Alles auf eine Karte

Du hast keine Chance, aber nutze sie!“, hieß es 1976 in Herbert Achternbuschs Satire über zwei lebensmüde Münchner, die an einer Atlantiküberquerung teilnehmen, für die ein Kaufhaus einen Preis von 100000 Mark ausgelobt hat. Als ähnliche Torheit brandmarken Skeptiker das Vorhaben der europäischen Kreditwirtschaft, ein europäisches Zahlungssystem namens European Payments Initiative (EPI) aufzuziehen, um sich von Mastercard, Visa und Paypal zu emanzipieren.

Ein Verweis auf David und Goliath gäbe die Kräfteverhältnisse nur unzureichend wieder: Die drei US-Platzhirsche bringen jeweils Börsenwerte zwischen 200 Mrd. und 400 Mrd. Dollar auf die Waage. Meist nur ein Zehntel davon sind es bei den gut 30 bei EPI engagierten Banken und Zahlungsdienstleistern – was ein solch divergentes Aktionariat alles verhindern kann, wo im Zahlungsgeschäft eigentlich alles nach einheitlichen Lösungen schreit, haben gerade die deutschen Banken im Fall ihres 2017 verkauften Gemeinschaftsunternehmens Concardis er­fahren. Was die Ertragskraft angeht, verbietet sich ohnehin jeder Vergleich. Mastercard fuhr in den ersten neun Monaten 2021 eine obszöne Eigenkapitalrendite von 94% ein. Die Eigenkapitalverzinsung der europäischen Institute liegt oft nur knapp über der Grasnarbe. Der Blick auf das Ratinggeschäft seit der Finanzkrise lehrt zudem, dass florierenden US-Oligopolisten selbst dann kaum Marktanteile streitig zu machen sind, wenn dies angeblich dem politischen Willen entspricht. Ohne beherzte Unterstützung der Regulierung dürfte das Vorhaben daher kaum flugfähig sein, und selbst dann dürfte es sich auf Sicht als Subventionsfall entpuppen – und all dies, um, wie in den Reihen der US-Kartengiganten argumentiert wird, ein Problem zu lösen, das nicht existiere.

Mit dem auf zunächst 1,5 Mrd. Euro geschätzten Aufwand dürfte es jedenfalls kaum getan sein. Viele Fragen sind ohnehin noch offen: Will man etwa, wenn Europäer mal nicht im Binnenmarkt, sondern andernorts auf der Welt unterwegs sind, wie zu Zeiten der seligen Eurocard doch wieder auf eine Kooperation mit Visa und Mastercard angewiesen sein? Warum werden Fintechs wie Klarna nicht einbezogen? Und hält das Vorhaben dem Kartellrecht stand?

Zunächst müssten die Initiatoren, die Anteile an der EPI-Zielgesellschaft zeichnen, und ihre Mitstreiter ohnehin erst einmal unter anderem klären, welche Elemente nationaler Bezahlsysteme sie ins Gemeinschaftsprojekt einbringen können, – und wie diese bewertet werden. Nicht zuletzt davon wird abhängen, wie in einem weiteren Schritt die entsprechenden Schnittstellen zu gestalten sind. Vor allem aber muss erst einmal ein Konsens her, wie Governance und Verantwortlichkeiten im transeuropäischen Start-up aussehen – hinge Letzteres von Ersterem ab, wäre dies ein gutes Rezept, das Vorhaben rasch zum Scheitern zu bringen. Die Art, in der bereits in den vergangenen Tagen die Phalanx der Initiatoren gebröckelt ist, verheißt für den Erfolg des Vorhabens nichts Gutes.

Warum also tun sich die Banken dies an? Weil sie wissen, dass EPI ihre letzte Chance ist, in der ureigensten Funktion strukturelle Autarkie zu erlangen, nachdem sie schon sukzessive die Hoheit am Kapitalmarkt, im Kapitalmarktgeschäft und Investment Banking verloren haben und diese im Fall der Datenverarbeitung und -analyse gerade an die US-Cloud-Dienstleister abgeben. Weil der Zahlungsverkehr Wachstumsraten verspricht, die sie sonst vergebens suchen. Weil die Alternative die Marginalisierung wäre. Weil Europa keine Chance hat, sie aber nutzen muss.

Von Bernd Neubacher, Frankfurt

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