Vorstandswechsel

Wer geht, wer kommt

Wer gedacht hat, dass mit dem Ende der Corona-Pandemie auch das Personalkarussell der Dax-Vorstände in Bewegung geraten würde, der hat sich verspekuliert. Zwar hat es einige Führungswechsel bei Dax-Konzernen gegeben. Viele davon kamen indes nicht wirklich überraschend.

Wer geht, wer kommt

Im Jahr 2023 war Kontinuität und Stabilität gefragt

Ein Vereinswechsel und
viele Verlängerungen

Dax-Konzerne setzen im Management auf Kontinuität – Finanzvorstände dringend gesucht

per Frankfurt
Von Anna Perucki, Frankfurt

Wer gedacht hat, dass mit dem Ende der Corona-Pandemie das Personalkarussell der Dax-Vorstände in Bewegung geraten würde, sah sich getäuscht. In diesem Jahr setzten die Dax-Konzerne mehr auf Kontinuität und Stabilität. Zwar gab es einige Führungswechsel, viele davon kamen indes nicht überraschend. So waren zwei davon schon länger geplant und gingen relativ geräuschlos über die Bühne.

2023 war geprägt von Kriegen und Krisen. Zwar wurde die Corona-Pandemie für beendet erklärt, aber neben dem Ukraine-Krieg ist durch den Terrorangriff der Hamas auf Israel ein weiterer Konflikt mit globaler Wirkung entfacht worden. Derweil eroberte ChatGPT die Welt, die UBS übernahm überraschend Credit Suisse und das Karlsruher Haushalts-Urteil stürzte die Ampel-Regierung in eine Krise. Doch trotz unruhiger Zeiten verliefen die meisten Wechsel an den hiesigen Konzernspitzen in geordneten Bahnen.

Gleich zu Beginn des neuen Jahres durfte der ehemalige Fußballprofi Bjørn Gulden „den Verein“ wechseln. Zum 1. Januar übernahm der vorherige Puma-Chef die Leitung des Konkurrenten Adidas. Gewissermaßen eine Idealbesetzung, denn Gulden kennt die Sportartikelbranche, den Groß- und Einzelhandel und auch das Unternehmen. Einarbeitungszeit brauchte er nicht, war ihm aber auch nicht vergönnt, denn sein Vorgänger Kasper Rorsted hatte eine Menge Arbeit hinterlassen. Das Geschäft im wichtigen Markt China lief schlecht, und es fehlte Umsatz nach der abrupt beendeten Kooperation mit dem Rapper Kanye West.

Ebenfalls seit Anfang 2023 führt Lars Wagner MTU Aero Engines. Als er die Nachfolge seines langjährigen Amtsvorgängers Reiner Winkler antrat – der Wechsel an der Spitze war bereits Monate im Voraus verkündet worden –, schien für den neuen Chef die Welt in Ordnung. Deutschlands größter Triebwerkshersteller befand sich auf einem strammen Erholungskurs nach der Coronakrise. Zum Halbjahr konnte der 47-Jährige mit sehr guten Zahlen aufwarten. Ein umfangreicher Triebwerkrückruf stellte jedoch direkt die erste große Bewährungsprobe dar. Im Sommer büßte die Aktie ein Viertel an Wert ein. Doch der CEO gilt als erfahren genug, diese große Baustelle abzuarbeiten.

Neuer Bayer-Chef vor großen Herausforderungen: Bill Anderson Bayer AG

Bill Anderson trat unterdessen bei Bayer ein schweres Erbe an. Lange hat Aufsichtsratschef Norbert Winkeljohann an Werner Baumann als CEO festgehalten. Am 1. Juni, war es dann aber doch so weit: Anderson übernahm die Vorstandsspitze. Zum Kennenlernen des global aufgestellten Pharma- und Agrochemiekonzerns blieb wenig Zeit. Nicht nur, dass die mit Monsanto ins Haus geholten Rechtsrisiken noch immer nicht beseitigt sind. Es gilt auch, die Pharmasparte in der Spur zu halten, wenn die Patente wichtiger Medikamente in den nächsten Jahren auslaufen.

Mehr als 15 Jahre lang war Frank Appel das Gesicht der Deutschen Post. Auf der Hauptversammlung im Mai 2023 wurde er von Tobias Meyer als CEO abgelöst. Appels Rückzug erfolgte jedoch nicht ganz freiwillig. Gern wäre er noch etwas länger CEO des Dax-Mitglieds geblieben, schließlich sind 61 Jahre noch kein Alter für den Ruhestand. Nachdem jedoch Anfang 2022 bekannt geworden war, dass Appel zusätzlich zu seinem Job bei der Post die Leitung des Aufsichtsrates der Deutschen Telekom übernehmen soll, kam es zu heftiger Kritik. Es wurde bezweifelt, ob die Doppelfunktion mit dem Corporate Governance Kodex vereinbar ist, und es gab die Befürchtung, dass Appel angesichts der Mehrbelastung seinen Aufgaben nicht mehr gerecht werden könnte.

Auf Bewährtes gesetzt

Lang angekündigt war der Wechsel an der BASF-Spitze. Und so mischte Noch-CEO Martin Brudermüller bei der eigenen Nachbesetzung mit. Kurz vor Weihnachten wurde entschieden, dass Asienchef Markus Kamieth (53) nach der Hauptversammlung des weltgrößten Chemiekonzerns im April 2024 den langjährigen Konzernlenker Brudermüller (62) ablösen wird. Kamieth war gemeinsam mit Technologiechefin Melanie Maas-Brunner als Favorit für den Chefposten gehandelt worden. Maas-Brunner wird ihren Ende Januar 2024 auslaufenden Vertrag nicht verlängern.

An zahlreichen Vertragsverlängerungen lässt sich indes erkennen, dass die meisten Dax-Konzerne in unruhigen Zeiten auf Bewährtes setzen. Nikolai Setzer bleibt weitere fünf Jahre Chef des Automobilzulieferers Continental, gibt aber die Verantwortung für das Segment Automotive ab. Wie der Dax-Konzern im April bekannt gab, verlängerte der Aufsichtsrat das im 2024 auslaufende Mandat des 52-Jährigen bis Ende März 2029.

Allianz CEO Oliver Bäte
Bleibt noch ein bisschen länger: Allianz CEO Oliver Bäte Allianz

Bereits im Sommer war über die Verlängerung des Vertrags von Oliver Bäte spekuliert worden. Im Oktober gab der Aufsichtsrat der Allianz SE bekannt, dass der 58-jährige Vorstandschef des Versicherungskonzerns bleiben wird. Sein Vertrag wurde bis zur Hauptversammlung 2028 verlängert. Der seit 2015 amtierende Manager wird bei seinem Ausscheiden zwar 63 Jahre alt sein und damit knapp die Altersgrenze für Vorstände von maximal 62 Jahren reißen. Der Vorteil für den Versicherer: Dies entzerrt den Wechsel an den Spitzen von Aufsichtsrat und Vorstand, denn Michael Diekmann wird das Kontrollgremium zur HV 2026 verlassen. Sein Nachfolger wird dann gut ein Jahr Zeit haben, die 2027 zu verkündende Bäte-Nachbesetzung zu regeln.

Auch bei BMW wurde im September der Vertrag von Vorstandschef Oliver Zipse vorzeitig verlängert, um zwei Jahre bis 2026. Mit dieser Entscheidung weicht der Aufsichtsrat von der üblichen Altersgrenze für Vorstände von 60 Jahren ab. Am 7. Februar kommenden Jahres erreicht der CEO diese Schwelle. Der Autokonzern begründete seine Ausnahmeentscheidung mit den anstehenden strategischen Weichenstellungen. Die Aufseher trauen Zipse zu, die kritische Phase der Transformation zur Elektromobilität und zum autonomen Fahren in geordneten Bahnen zu lenken.

Bei der Deutschen Börse läuft die Nachfolgersuche wohlgeordnet. Ende September hat das Unternehmen begonnen, einen Nachfolger für Vorstandschef Theodor Weimer zu suchen. Der Vertrag des 63-Jährigen läuft Ende 2024 aus. Thomas Book, im Vorstand zuständig für Trading und Clearing, sowie Stephan Leithner, verantwortlich für Pre- und Post-Trading, gelten als mögliche interne Kandidaten für die Rolle des Vorstandschefs. Es werden aber auch externe Lösungen erörtert.

Schwierige CFO-Besetzung

Bei Finanzvorständen scheint es indes einen Fachkräftemangel zu geben, denn es vergehen mitunter Monate, bis eine Vakanz wieder geschlossen ist. Der Aufsichtsrat von Covestro hat zwar Christian Baier einstimmig zum neuen Chief Financial Officer (CFO) ernannt. Der 46-jährige übernahm indes das Amt erst am 1. Oktober 2023 von Thomas Toepfer, der das Unternehmen schon zum 31. August 2023 verlassen hat. Eine Interimslösung war nötig, um die Lücke zu füllen. Bei Airbus wiederum trat Toepfer zum 1. September 2023 die Nachfolge von Dominik Asam an, dessen Wechsel bereits seit Sommer 2022 bekannt war und der sich schon Ende Februar 2023 zu SAP verabschiedet hatte. Mit Toepfer, der seit April 2018 Finanzvorstand des Kunststoffherstellers Covestro gewesen war, hat sich Airbus-Verwaltungsratschef René Obermann erneut für einen branchenfremden Manager entschieden. Bei SAP folgte Asam derweil nahtlos auf Luka Mucic, der seinen Abgang zum März 2023 immerhin mit einem Jahr Vorlauf avisiert hatte. Mucic wiederum, der die Finanzen von SAP fast zehn Jahre steuerte, begann im September als CFO von Vodafone.

Helene von Roeder ersetzte Marcus Kuhnert als Merck-CFO Foto: Merck/ Catrin Moritz

Zu mehr oder minder „gewöhnlichen“ Wechseln im Finanzressort kam es in diesem Jahr bei BASF. Hans-Ulrich Engel, der das Finanzressort des Chemiekonzerns seit 2011 führte, verabschiedete sich mit der Hauptversammlung in den Ruhestand. Wie bei BASF üblich wurde der Vorstandsposten intern besetzt. Nachfolger Dirk Elvermann stand seit vergangenem Oktober fest. Und zum Darmstädter Pharmakonzern Merck KGaA kam am 1. Juli die Digitalvorständin von Vonovia, Helene von Roeder. Sie löste dort den langjährigen CFO Marcus Kuhnert ab.

Der Finanzchef der Duisburger Familienholding Haniel, Florian Funck, wurde zum 1. April 2024 CFO des Laborausrüsters Sartorius. Der Wechsel war schon seit Dezember 2022 bekannt. Der 52-Jährige wird Nachfolger von Rainer Lehmann, der zum dänischen Biotechunternehmen Novozymes geht. Zum 1. Januar 2024 tritt derweil Claire-Marie Coste-Lepoutre die Nachfolge von Allianz-CFO Giulio Terzariol (51) an. Beide Personalien wurden im Oktober verlautbart. Sie erhält einen Vertrag bis Dezember 2026. Terzariol bekleidet von Januar an die neue Funktion des CEO Insurance bei Generali. Für die 2028 anstehende Bäte-Nachfolge kann die Allianz nun auf einen Pool weiblicher Spitzenmanager zurückgreifen. Vier der neun Vorstandsmitglieder sind demnächst Frauen.

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