Geldpolitik

Türkei senkt Leitzinsen überraschend

Die türkische Zentralbank lockert trotz extrem hoher Inflationsraten im Land die Geldpolitik. Die Bank von England bleibt hingegen ihrer bisherigen Linie treu, obwohl sich auch in Großbritannien die Verbraucherpreise deutlich erhöhen.

Türkei senkt Leitzinsen überraschend

Die türkische Zentralbank lockert überraschend ihre Geldpolitik in einem Umfeld extrem hoher Inflationsraten. Wie die Notenbank am Donnerstag in Ankara mitteilte, sinkt der Leitzins um einen ganzen Prozentpunkt auf 18,0%. Die Finanzmärkte wurden komplett auf dem falschen Fuß erwischt. Kaum ein Analyst hatte mit einer solchen Entscheidung gerechnet. Die türkische Lira geriet nach Bekanntwerden der Zinssenkung erheblich unter Druck und fiel zum US-Dollar auf ein Rekordtief.

Nach der Zinssenkung liegt der Leitzins wieder deutlich unter der Inflationsrate von zuletzt 19,25%. Im Ergebnis ist der Realzins, also der Leitzins abzüglich der Inflation, negativ. Anlagen in türkischen Vermögenswerten werden damit für ausländische Investoren ungünstiger. Das lastet auf der Landeswährung.

Ganz ohne Vorwarnung kommt der Zinsschritt allerdings nicht: Vor wenigen Wochen hatte Notenbankchef Sahap Kavcioglu angekündigt, mehr Gewicht auf die Kerninflation ohne Energie und Lebensmittelpreise zu legen. Diese liegt etwas unterhalb der Gesamtinflation. Analysten hatten den geldpolitischen Wechsel als Zugeständnis an Präsident Recep Tayyip Erdogan interpretiert, der hohe Zinsen als wirtschaftlich schädlich ablehnt.

Die Bank von England bleibt hingegen trotz des rasanten Preisanstiegs ihrer lockeren geldpolitischen Linie treu. Die Währungshüter um Notenbankchef Andrew Bailey beließen den Leitzins am Donnerstag bei 0,1%. Außerdem hielten sie am Volumen ihres laufenden Wertpapier-Kaufprogramms von 895 Mrd. Pfund (gut eine Bill. Euro) fest. Im August legten die Verbraucherpreise in Großbritannien um 3,2% im Vergleich zum Vorjahr zu – der höchste Wert seit März 2012. Die Inflation liegt damit inzwischen deutlich über dem Zielwert der Notenbank, die 2% Teuerung als Idealwert für die Wirtschaft anstrebt. Die Notenbank geht jedoch von einem vorübergehenden Anstieg aus.

Angetrieben werden die Preise unter anderem durch die Erholung nach dem kräftigen Konjunktureinbruch in der Corona-Krise und Lieferengpässe. Diese setzen der Wirtschaft immer stärker zu, wie aus dem Einkaufsmanagerindex des Instituts Markit hervorgeht. Im August wuchs sie zwar weiter, doch lässt der Schwung seit Monaten kontinuierlich nach.

Die US-Notenbank Fed hat jüngst signalisiert, dass sie für 2022 eine Zinserhöhung ins Auge fasst. Die Währungshüter in London erklärten nun, seit der letzten Zinssitzung hätten sich die Argumente für eine moderate Straffung ihrer Geldpolitik mit Blick auf den Vorhersagehorizont verstärkt. An den britischen Terminmärkten wird nun die Möglichkeit einer Zinserhöhung um 15 Basispunkte bis Februar 2022 auf etwas mehr als 80% geschätzt.