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Advent und Cinven als Retter für Thyssenkrupp

Es ist die größte Private-Equity-Übernahme in Europa der vergangenen zehn Jahre. Ausgerechnet zu Beginn der Pandemie haben die beiden Finanzinvestoren Advent und Cinven die Thyssenkrupp-Aufzugssparte für 17,2 Mrd. Euro erworben.

Advent und Cinven als Retter für Thyssenkrupp

Von Christoph Ruhkamp,Frankfurt

Nach einem drei Monate dauernden Tauziehen milliardenschwerer Private-Equity-Häuser war der Deal am 28. Februar 2020 reif für den Abschluss. Der Aufsichtsrat des finanziell angeschlagenen Industriekonzerns unter der Führung des Ex-Siemens-Managers Siegfried Russwurm trifft die Entscheidung: Im Bieterrennen um die Thyssenkrupp-Aufzugssparte hat sich das Konsortium um die Finanzinvestoren Advent und Cinven mit ihren Deutschland-Chefs Ranjan Sen und Bruno Schick gegen das Konsortium um den Konkurrenten Blackstone mit einem Preis von 17,2 Mrd. Euro durchgesetzt. Mit den Einnahmen kann Thyssenkrupp-Chefin Martina Merz das gefährliche Loch in der Bilanz stopfen, das zu diesem Zeitpunkt aus 9 Mrd. Euro Pensionsverpflichtungen und 7 Mrd. Schulden besteht.

Thyssenkrupp investiert einen Teil des Kaufpreises (1 Mrd. Euro) in eine Rückbeteiligung am Aufzugsgeschäft. Das entspricht einem Anteil von rund 10%, wie es aus informierten Kreisen heißt, und die Interessen des alten Eigentümers werden durch den ehemaligen Thyssenkrupp-M&A-Chef Volkmar Dinstuhl im Aufsichtsrat vertreten.

Es handelt sich bei der Transaktion um die größte Private-Equity-Übernahme in Europa der vergangenen zehn Jahre. Dennoch bleibt die genaue Verteilung der Anteile im neuen Eigentümerkreis ein gut gehütetes Geheimnis. Klar ist nur: Zum Konsortium um Advent und Cinven gehören auch die RAG-Stiftung aus Essen, die mit ihren Erfahrungen aus der Abwicklung des Steinkohlebergbaus den Bietern regionales Vertrauen im Ruhrgebiet verschafft, sowie der Staatsfonds Abu Dhabi.

Die unterlegene Bietergruppe bildeten die Investoren Blackstone, Carlyle und Canadian Pension Plan. Zuvor hatte Thyssenkrupp auch schon den finnischen Aufzugshersteller Kone wegen drohender Kartellprobleme aussortiert, obwohl auch die Finnen 17 Mrd. Euro für das Aufzugsgeschäft geboten hatten.

Die IG Metall, die Advent schon gut aus fünf anderen Carve-outs großer Konzerne in Nordrhein-Westfalen kennt, hat mit dem neuen Inhaber ein Vereinbarungspaket abgeschlossen. Kern der Verträge ist eine Standort- und Beschäftigungssicherung für sieben Jahre und einen Monat. Wichtig ist das insbesondere für das chronisch rote Zahlen schreibende Fahrtreppen-Werk in Hamburg mit 5000 Beschäftigten. Advent hatte sich zuvor bei den deutschen Gewerkschaften einen guten Ruf erworben bei der Übernahme der beiden Chemieunternehmen Allnex und Röhm.

Die Thyssenkrupp-Aufzugssparte ist zu diesem Zeitpunkt der einzige Gewinnbringer des hoch verschuldeten Konzerns. Weltweit hat Thyssenkrupp Elevator rund 53000 Mitarbeiter – das ist fast ein Drittel aller Beschäftigten im Konzern. Während das Stahlgeschäft damals tief in den roten Zahlen steckt, erzielt Thyssenkrupp mit dem Verkauf und der Wartung von Aufzügen und Rolltreppen einen Umsatz von 8 Mrd. Euro und einen operativen Gewinn (Ebit) von 900 Mill. Euro. Doch dem Vernehmen nach wurde die bisher weitgehend schuldenfreie Aufzugssparte nach dem Verkauf mit bis zu 8 Mrd. Euro Schulden belastet.

Ein schweres Erbe für den Chef des inzwischen in TK Elevator umbenannten Unternehmens Peter Walker. Der 58-jährige Australier muss es – zusammen mit dem neu installierten COO – nun auch den vier neuen Eigentümern recht machen, von denen keiner irgendwelche Sonderrechte bei Abstimmungen genießt. Advent und Cinven als Haupteigentümer mit ihren Deutschland-Chefs Sen und Schick wollen den Gewinn vor Steuern und Abschreibungen um einen dreistelligen Millionenbetrag steigern. Neben Kostensenkungen durch die Zentralisierung des Einkaufs gibt es dafür auch Wachstumsimpulse: Zehn kleinere Übernahmen hat TK Elevator seit der Übernahme durch die Finanzinvestoren schon durchgezogen – in einer Branche, die ohnehin weltweit von den vier Platzhirschen Kone, Otis, Schindler und TK Elevator dominiert wird. Auch das nötige Geld für einen Umzug der Zentrale aus dem Stammsitz von Thyssenkrupp in Essen nach Düsseldorf sind die neuen Eigentümer bereit auszugeben, um die neue Eigenständigkeit des Unternehmens zu betonen.

Nicht bereut

Für Advent-Deutschland-Chef Ranjan Sen erforderte die Übernahme von TK Elevator erheblichen Mut. Der erfahrene Dealmaker sah bereits die Pandemie heraufziehen und entschied sich dennoch für den Abschluss. Bis heute bereut er das nicht, weil das Geschäft auch in Abschwüngen stabile Erträge abwirft und wächst.

Nur die Verteilung des Eigenkapitaltickets von 9 Mrd. Euro und des Fremdkapitals von 8 Mrd. Euro auf mehr Schultern gestalten sich durch den Covid-Ausbruch zunächst schwieriger als erwartet. Viele Investoren und Banken scheuen zu Pandemie-Beginn zunächst jegliches Risiko und warten lieber ab. Doch am Ende sind es mehr Co-Investoren geworden, als es selbst bei solch großen Milliardendeals sonst üblich ist. Wie viele es genau sind, wird nicht verraten.

Aus Sicht von Thyssenkrupp hat sich der Konzern nach einem sehr aufwendigen Bieterverfahren, an dem jede der großen Investmentbanken in der einen oder anderen Form beteiligt war, über mehrere Runden für das beste Gesamtpaket entschieden. „Es wurde nicht nur ein sehr guter Verkaufserlös erzielt, sondern die Transaktion konnte auch zügig und sicher abschlossen werden“, heißt es im Nachhinein aus dem Konzern. Zudem hätten die neuen Eigentümer ein überzeugendes industrielles Konzept mitgebracht und den Beschäftigten zugleich ein hohes Maß an Sicherheit geboten.

Mit der Elevator-Transaktion ist es gelungen, die Bilanz erheblich zu stärken und aufzuräumen. Und das sowohl in Bezug auf die Eigenkapitalbasis, die durch den vereinnahmten Veräußerungsgewinn deutlich gestärkt ist, als auch in Bezug auf die Nettofinanzverschuldung, die sich durch den Zufluss des Veräußerungserlöses in ein Nettofinanzguthaben gedreht hat. Im September 2020 hat Thyssenkrupp eine 750-Mill.-Euro-Anleihe und im Dezember 2020 eine 850-Mill.-Euro-Anleihe vorzeitig abgelöst. „Wir werden den Veräußerungserlös auch weiter dazu nutzen, Finanzschulden entlang der Fälligkeiten zurückzuzahlen – mit entsprechend positiven Effekten auf den Zinsaufwand“, kündigt der Konzern an. „Zudem haben wir die Erlöse aus der Elevator-Transaktion auch dafür genutzt, die bisher praktizierten Jahresendmaßnahmen und Forderungsverkäufe deutlich herunterzufahren.“ Der „Cash-Effekt“ daraus betrage rund 3 Mrd. Euro. „Wir verbessern damit die Transparenz und die Kontinuität der Geschäftsentwicklung über den Jahresverlauf.“

Mit der Stärkung der Bilanz konnten die Voraussetzungen geschaffen werden, um für die Transformation notwendige Restrukturierungen mit höherer Konsequenz und mehr Tempo auf den Weg zu bringen und so die Wettbewerbsfähigkeit der übrigen Geschäfte zu stärken. In Summe hat Thyssenkrupp bereits fast 1 Mrd. Euro für Restrukturierungsprojekte aufgewandt.

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