Auch Evonik wird vorsichtiger
Auch Evonik wird vorsichtiger
Chemiebranche im Sinkflug – Konjunkturschwäche und Zollstreit belasten Nachfrage – Aktie zeitweise 6 Prozent leichter
md Frankfurt
Der Spezialchemiekonzern Evonik Industries ist im Hinblick auf die Ergebnisse im Gesamtjahr vorsichtiger geworden. Wie anderen Unternehmen aus der Branche machen den Essenern die schwache Weltkonjunktur und Belastungen durch die US-Zollpolitik zu schaffen. „Das zweite Quartal war geprägt von schwacher Nachfrage und hoher Verunsicherung“, sagte Vorstandschef Christian Kullmann. „Das schlägt sich auch in unseren Zahlen nieder.“ Evonik rechnet nun für 2025 mit einem um Sondereffekte bereinigte Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (Ebitda) am unteren Ende der bekannten Prognosespanne von 2,0 Mrd. bis 2,3 (i.V. 2,07) Mrd. Euro – allerdings nur, wenn sich die globale Konjunktur nicht weiter abschwäche.
Im Einklang mit Markterwartung
Nach Prognosesenkungen von Chemiekonzernen wie BASF, Covestro, Wacker Chemie und Brenntag hat der vorsichtigere Ausblick von Evonik nicht mehr überrascht. Analysten hatten zuletzt ein operatives Ergebnis im laufenden Jahr von knapp über 2 Mrd. Euro erwartet. Dem Unternehmen kommen die immer noch relativ stabilen Verkaufspreise zugute, heißt es aus dem Umfeld.

Foto: Evonik Industries
Gesenkt wurde der Ausblick für die Gesamtkapitalrendite (Return on Capital Employed, Roce): Sie wird für 2025 nun etwa auf dem Niveau des Vorjahres (7,1%) erwartet und nicht mehr darüber. Auch die Umsatzerwartung wurde gekappt: von 15 bis 17 Mrd. Euro auf 14 bis 15 (i.V. 15,16) Mrd. Euro.
Umsatzrückgang nach Verkauf von Geschäftsteilen
Im zweiten Quartal erzielte Evonik laut den Angaben bei einer Umsatzeinbuße von 11% auf 3,5 Mrd. Euro ein operatives Ergebnis von 509 Mill. Euro; ein Minus von 12% im Vergleich zur Vorjahreszeit. Analysten hatten im Schnitt Erlöse von 3,7 Mrd. Euro und ein bereinigtes Ebitda von 511 Mill. Euro erwartet. Der freie Cashflow betrug minus 211 Mill. Euro nach einem Plus von 217 Mill. vor Jahresfrist. Evonik erklärt das mit höheren Bonuszahlungen und dem vorübergehenden Anstieg des Nettoumlaufvermögens.
Beim Umsatz muss neben der Wirkung des schwachen Dollar im abgelaufenen Quartal auch berücksichtigt werden, dass vor einem Jahr das inzwischen verkaufte Geschäft mit Superabsorbern – saugfähige Materialien, u.a. für Windeln – noch enthalten war.
Das Geschäft mit Superabsorbern zählte ebenso wie der C4-Verbund rund um petrochemische Zusätze für Kautschuk, Kunststoffe und Spezialchemikalien zum Geschäft mit Standardchemikalien, von dem sich Evonik perspektivisch ebenfalls trennen will. Hier liefen die Geschäfte zuletzt weiter träge. Zudem dauerten den Angaben zufolge in anderen Bereichen die Wartungsstillstände von Produktionsanlagen länger als geplant, etwa beim Kunststoff Polyamid 12, was die Ergebnisse ebenfalls belastete.
Unter dem Strich verdiente Evonik 120 Mill. Euro, nachdem vor einem Jahr wegen Rückstellungen für ein Sparprogramm ein Verlust von 5 Mill. Euro angefallen war. Mit dem Effizienzprogramm, das auch Stellenstreichungen beinhaltet, sollen die jährlichen Kosten bis Ende 2026 um rund 400 Mill. Euro gesenkt werden. In einer Telefonkonferenz mit Analysten sah sich die Unternehmensführung laut dpa-afx auf einem guten Weg, die für 2025 geplanten Einsparungen in hoher zweistelliger Millionen-Euro-Höhe zu erreichen.
Konzentration auf Spezialchemie kommt voran
CEO Kullmann treibt die Konzentration des Konzerns auf Spezialchemie voran. Im Zuge dessen wurden die Aktivitäten in zwei Sparten – Custom Solutions und Advanced Technologies – gegliedert. Die Geschäfte von Custom Solutions liegen eher in Nischenmärkten mit spezifischen Produkten für Kunden; dazu zählen Additive für Lacke und Beschichtungen sowie Produkte für die Kosmetik- und Pharmaindustrie. Advanced Technologies soll sich im Wettbewerb vor allem durch im Vergleich niedrige Kosten behaupten. Gebündelt sind hier u.a. Hochleistungskunststoffe und Wasserstoffperoxid. Auch das Management wird gestrafft.

Foto: Evonik Industries
„Im Mai und Juni klar eingetrübt“
„Die wirtschaftliche Situation hat sich im Mai und im Juni klar eingetrübt“, sagte Finanzchefin Maike Schuh, die zugleich etwas Zuversicht verbreitete: „In der zweiten Jahreshälfte stehen weniger Wartungsstillstände an, und wir sollten vom Hochlauf neuer Kapazitäten bei einigen unserer Produkte profitieren.“
Ein Händler fasste die Ergebnisse so zusammen: „Nicht so schlecht wie vergleichbare Unternehmen, aber auch nicht gut.“ Mit der Aktie ging es kräftig bergab: Im Nachmittagshandel kostete das Papier 16,40 Euro; das ist ein Minus von 6,2%. Seit dem Jahreshoch Anfang März bei 22,40 Euro hat die im MDax enthaltene Aktie nun rund ein Viertel ihres Wertes verloren.
Vor fünf Monaten hatten erste Indikationen des Unternehmens für das laufende Jahr sowie ein aufkommender, wenn auch verhaltener Konjunkturoptimismus für Rückenwind gesorgt. Seither hat sich das Umfeld auch wegen der internationalen Handelsstreitigkeiten mit der US-Regierung deutlich eingetrübt. Der Streit mit der US-Regierung unter Präsident Donald Trump um Importzölle schürt weltweit Unsicherheiten. Zu den beobachtbaren Folgen gehört, dass Unternehmen Investitionen zurückstellen und Verbraucher ihre Konsumausgaben reduzieren.
Analysten bestätigen ihre Anlageurteile
Analysten zeigten sich vom Zahlenwerk wenig überrascht und betrachten offenbar auch die Anpassung der Prognosen entspannt. Oliver Schwarz von Warburg Research bestätigte seine Kaufempfehlung für die Evonik-Aktie und das Kursziel von 24,50 Euro. Geoff Haire von UBS wiederholte seine „Neutral“-Bewertung und das Kursziel von 18 Euro. Chris Counihan vom Analysehaus Jefferies beließ sein Anlageurteil bei „Underperform“ und das Kursziel bei 18,80 Euro. Kritischer betrachtete Chetan Udeshi von JPMorgan die Quartalszahlen: Der Umsatz habe seine Prognose und die Konsensschätzung verfehlt, und das operative Ergebnis liege leicht unter der durchschnittlichen Markterwartung. Dennoch bestätigte auch er seine „Overweight“-Empfehlung und das Kursziel von 22,40 Euro.