Hauptversammlungen

Aktionärsschützer dringen auf Präsenztreffen

Die Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger droht Unternehmen, die ihre Hauptversammlung auch 2023 im reinen Online-Format abhalten, mit Nicht-Entlastung von Vorstand und Aufsichtsrat.

Aktionärsschützer dringen auf Präsenztreffen

hek Frankfurt

Die Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger (SdK) drängt Unternehmen, im nächsten Jahr wieder Präsenz-Hauptversammlungen abzuhalten. Nach drei Jahren virtueller Aktionärstreffen aufgrund der Corona-Pandemie sei es notwendig, sich wieder persönlich zu treffen, sagt Vorstandsmitglied Markus Kienle. Man erwarte von Unternehmen, dass sie von den Übergangsregelungen keinen Gebrauch machen. Demnach dürften Gesellschaften in der Saison 2023 noch einmal zu virtuellen Aktionärstreffen einladen. Dort müssen die Anteilseigner dann entscheiden, ob sie künftig an den traditionellen Präsenzveranstaltungen festhalten oder dem Vorstand freie Hand lassen.

Der SdK-Vertreter räumt ein, dass viele Konzerne die Übergangsregeln nutzen wollen und 2023 eine virtuelle Versammlung planen. „Dann werden wir über Sanktionen sprechen müssen“, warnt Kienle. Möglicherweise werde man Vorstand und Aufsichtsrat nicht entlasten. Einige Unternehmen wie Siemens Healthineers haben bereits Online-Aktionärstreffen angekündigt.

Eine virtuell abgehaltene Hauptversammlung sei „kein Stimmungsseismograf mehr“, sagt Kienle. „Wir verlangen eine deutliche Stärkung der interaktiven Elemente.“ Gegenwärtig favorisiere die SdK die Hybridveranstaltung. Dann könnten die Rechte unterschiedlich ausgestaltet und die Aktionärspräferenzen berücksichtigt werden. Kienle fordert institutionelle Investoren auf, Druck auf den Aktionärsberater ISS auszuüben, der das reine Online-Format nicht mehr durchweg ablehnt, sondern im Einzelfall entscheiden will (vgl. BZ vom 6. Dezember).

Von dem morgen beginnenden Strafprozess gegen den Ex-Vorstandschef und Großaktionär von Wirecard, Markus Braun, und zwei weitere Manager des zusammengebrochenen Zahlungsabwicklers erwartet SdK-Vorstand Marc Liebscher keine umfassende Aufarbeitung des spektakulären Bilanzbetrugs. Das Gerichtsverfahren werde eng die Frage behandeln, ob den Angeklagten bandenmäßiger Betrug anzulasten sei. „Mehr wird der Strafprozess nicht beleuchten“, sagt Liebscher. Der Betrug gegenüber Aktionären, also das Hochpushen des Börsenkurses durch tolle Gewinnmitteilungen, sei gar nicht umfasst.

Zwischen dem Fall Wirecard und dem „Niedergang“ der Adler Group sieht die SdK Gemeinsamkeiten. Der Vorstandsvorsitzende Daniel Bauer nennt vier Punkte: Negative Presseberichterstattung werde nicht wahrgenommen bei Management, Wirtschaftsprüfern, Aufsicht und Investoren. Vorwürfe von Shortsellern würden zurückgewiesen und als manipulativ dargestellt. Es gebe fragwürdige Transaktionen mit Gesellschaften aus dem Dunstkreis des Großaktionärs, und Ergebnisse der Sonderprüfung würden umgedeutet in Entlastung des Managements.

Neu sei hingegen, dass die Aufsicht Härte zeige. Bauer verweist auf die Teilfehlerfeststellungen der Finanzaufsicht BaFin zum Jahresabschluss 2019 der deutschen Tochter Adler Real Estate. Außerdem sei mit Stefan Kirsten ein externer Verwaltungsrat geholt worden, der für Aufklärung sorgen solle. Dieser nutze die Chance aber nicht, so die SdK, sondern manövriere die Gesellschaft bei den Wirtschaftsprüfern ins Abseits. Der Hintergrund: Bislang hat Adler keinen neuen Prüfer gefunden. Der bisherige Prüfer KPMG hatte eine Weiterführung des Mandats abgelehnt.

Gastbeitrag Seite 10