Salzgitter verärgert Anlegerschützer
Salzgitter verärgert Anlegerschützer
DSW: Panzerstahl-Hype war überzogen – Aktie sackt nach Gewinnwarnung um mehr als 20 Prozent ab
Nach der jüngsten Gewinnwarnung durch Salzgitter suchen Anleger das Weite. Die Aktie des Stahlkochers rauschte am Freitag um mehr als 20% in die Tiefe. Der Konzern stehe vor Herausforderungen wie Thyssenkrupp und ArcelorMittal, so Aktionärsschützer Marc Tüngler. Der jüngste Panzerstahl-Hype sei überzogen.
ste Hamburg
Mit enttäuschenden Halbjahreszahlen sowie einem gesenkten Ausblick für das Gesamtjahr hat Salzgitter die Anleger in die Flucht geschlagen. Die Aktie des SDax-Unternehmens sackte am Freitag um mehr als 22% ab auf im Tief 20,34 Euro. In den Tagen zuvor war der Kurs stark gestiegen, nachdem der zweitgrößte deutsche Stahlhersteller eine Zulassung für Panzerstahl verkündet hatte. Die extremen Schwankungen haben Aktionärsschützer auf den Plan gerufen.
„Der Hype um die Panzerstahl-Zulassung war vollends überzogen“, sagte Marc Tüngler, Hauptgeschäftsführer der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW), der Börsen-Zeitung. Dies schlage jetzt mit dem harten Abschlag im Kurs aufgrund der enttäuschenden Quartalszahlen ins Gegenteil um. Die Prognose für das zweite Halbjahr enttäusche besonders. Sie wirke „wie eine ungewollte Erinnerung daran, dass es die Stahlbranche in Deutschland sehr schwer hat, sehr schwer haben wird und dass die grünen Stahlphantasien einen wahrlich steinigen Weg in der Realität darstellen“.
Tüngler verwies auf Herausforderungen, die bei Stahlproduzenten wie Thyssenkrupp und ArcelorMittal bereits zu tiefen Einschnitten geführt hätten. Davon könne sich Salzgitter nicht emanzipieren. „Das offenbart die Gewinnwarnung ungeschminkt.“ Zu den Herausforderungen kommt bei Salzgitter auch Unruhe nach den im April vom Vorstand beendeten Gesprächen über ein mögliches Übernahmeangebot durch ein Konsortium um den größten Aktionär Günter Papenburg hinzu. Der Bauunternehmer forderte auf der Hauptversammlung im Mai die Ablösung von Salzgitter-Chef Gunnar Groebler.
Analysten sind skeptisch
Die Salzgitter-Aktie fiel am Freitag auf das Niveau vor der Unternehmensmitteilung am 8. Juli zurück. Damals hatte der Konzern erklärt, mit seiner Tochter Ilsenburger Grobblech die Werkstoffzulassung für Sicherheitsstahl für einen Einsatz bei der Bundeswehr erhalten zu haben. Den kurzfristig kräftigen Kursanstieg hatten Branchenbeobachter hinterfragt.
Eine Rallye von 20% aufgrund dieser Neuigkeit erscheine, so die Schweizer Großbank UBS, übertrieben und könne auf einen Short Squeeze bei einer illiquiden Aktie hindeuten. Diese werde immer noch durch Gegenwind im Geschäft des Konzerns belastet. Die US-Investmentbank Jefferies merkte an, der starke Kursanstieg infolge der Panzerstahl-Information erscheine überzogen, da die Salzgitter-Erlöse aus Geschäften mit dem Verteidigungssektor derzeit weniger als 1% des Konzernumsatzes ausmachten.
Erwartungen verfehlt
Salzgitter gab am Donnerstagabend mit vorläufigen Zahlen Einblicke in seine Geschäftsentwicklung: Während der Umsatzrückgang in den ersten sechs Monaten auf 4,7 (i.V. 5,2) Mrd. Euro noch annähernd Marktschätzungen entsprach – der Analystenkonsens war von 4,6 Mrd. Euro ausgegangen –, verfehlten die Ergebniszahlen die Erwartungen deutlich. Das nach Konzernangaben auf 116,8 (233,6) Mill. Euro halbierte operative Ergebnis vor Abschreibungen (Ebitda) liege um 40% unter der Konsensschätzung von 194 Mill. Euro, so Jefferies-Analysten.
Vor Steuern rutschte Salzgitter im ersten Halbjahr mit –83,8 (+11,5) Mill. Euro in die Verlustzone, wohingegen am Aktienmarkt ein Gewinn von 28 Mill. Euro erwartet worden war. Dabei stützte die Beteiligung von knapp 30% am Kupferproduzenten Aurubis das Konzernergebnis mit 71,5 (70,6) Mill. Euro in ähnlichem Umfang wie vor Jahresfrist.
Der Stahlkocher, der seine Ergebnisprognose im vorigen Jahr mehrmals reduzieren musste und nach einem 2024 verbuchten Verlust von –348 (i.V. +204) Mill. Euro im März weitere Maßnahmen zur Ergebnisverbesserung bis 2028 ankündigte, revidierte den bisherigen Ausblick für 2025. „Auch in der zweiten Jahreshälfte erwarten wir noch keine spürbare Markterholung“, erklärte Salzgitter. Das Umsatzziel wurde um 500 Mill. auf 9 bis 9,5 (i.V. 10) Mrd. Euro gesenkt, das Ebitda soll nun zwischen 300 und 400 (445) Mill. Euro anstatt zwischen 350 und 550 Mill. Euro landen. Einen Verlust vor Steuern hält das Unternehmen inzwischen für wahrscheinlicher: Für 2025 werden 0 bis –100 (–296) Mill. Euro nach zuvor +100 bis -100 Mill. Euro in Aussicht gestellt.