„Bargeld wird nicht verschwinden“
Im Gespräch: Jan Thyen
„Bargeld wird nicht verschwinden“
Der Finanzchef des Sicherheitstechnikkonzerns Giesecke + Devrient erklärt die ungebrochene Nachfrage nach Banknoten – Wettlauf mit Fälschern und Hackern
Von Joachim Herr, München
Der Banknotendruck macht noch ein Zehntel des Umsatzes von Giesecke + Devrient aus. Seit langem bietet das Münchner Familienunternehmen auch Sicherheitstechnik etwa für Ausweise, Pässe, Bezahl- und Sim-Karten an. Immer geht es darum, Fälschern und Hackern einige Schritte voraus zu sein, wie Finanzchef Jan Thyen berichtet.
Seit 171 Jahren druckt Giesecke + Devrient Banknoten. Im Jahr 1854 starteten die Unternehmensgründer Hermann Giesecke und Alphonse Devrient mit einem Zehn-Taler-Schein für die Weimarische Bank. Heute macht der Banknotendruck noch ein Zehntel des Umsatzes aus, wie Jan Thyen berichtet. Er ist seit einem Jahr Geschäftsführer für Finanzen des Münchner Familienunternehmens.
Giesecke + Devrient (G+D) bezeichnet sich als Konzern für Sicherheitstechnologie. Die drei Geschäftssegmente sind neben Währungen (Currency Technology) Digitales (Digital Security) und Bezahlplattformen (Financial Platforms). Das Geschäft mit der längsten Tradition hat nach Einschätzung von Thyen noch lange eine Zukunft: „Bargeld wird in den nächsten Jahrzehnten nicht verschwinden“, sagt er im Gespräch mit der Börsen-Zeitung. Die Nachfrage nach Geldscheinen sei jedenfalls stabil.
Sicher und krisenfest
Thyen selbst bezahlt nur noch digital, nennt aber Argumente für Bargeld: sicher, krisenfest, anonym und sogar im Fall eines Stromausfalls ein Zahlungsmittel, das funktioniert. „In Industrieländern ist die Nachfrage aus Vorsichtsgründen der Menschen relativ stabil.“ In aufstrebenden Ländern wie Indien sowie in Afrika und Lateinamerika seien Geldscheine weiterhin stark gefragt. Viele Menschen hätten dort noch kein Bankkonto. Zudem steige in manchen Ländern wegen der hohen Inflation wie in Argentinien der Bedarf an Banknoten, berichtet Thyen. Hinzu kommen Sondereffekte wie in Großbritannien der Druck neuer Scheine mit dem Konterfei von König Charles.
Die Fed ist seit 50 Jahren Kunde
Das Wachstum von G+D treibe der zunehmende Einsatz von „nachhaltigen Materialien“ wie Bio-Baumwolle und mineralölfreie Farbe für Herstellung und Druck von Banknoten an. Thyen erkennt noch andere Impulse: „Es gibt eine Vielzahl von Trends, die für uns positiv sind.“ Als Beispiele nennt er digitales Bezahlen, das Internet der Dinge und die Sicherheit vor Cyberangriffen. G+D hat sich das Ziel gesteckt, bis 2030 den Jahresumsatz auf 4 Mrd. Euro zu steigern. 2023 waren es knapp 3 Mrd. Euro, 2024 erstmals mehr als 3 Mrd. Euro, genau 3,13 Mrd. Euro.
Zum Thema Cybersicherheit weist Thyen darauf hin, dass der Wettstreit mit Fälschern vor langer Zeit mit Banknoten begann. Später richteten sich deren kriminelle Energie auch auf die Sim-Karte für Mobiltelefone und Bezahlkarten. „Heute geht es generell um schützenswerte Kommunikation, Datenspeicherung und Absicherung in der Cloud“, berichtet er.
„Fünf bis zehn Jahre voraus“
Viele kriminelle Handlungen seien politisch motiviert – sei es zum Beispiel aus Russland, China oder Nordkorea. Für G+D gehe es darum, immer einen Schritt weiter zu sein: „Wir müssen die Geschäfte besser verstehen als die Fälscher und die Hacker.“ Dafür investiere G+D viel und entwickle mit Kunden Lösungen. Als Beispiel nennt er die amerikanische Zentralbank Fed, die von dem Unternehmen seit 50 Jahren beliefert werde. „Gemeinsam versuchen wir, Fälschern fünf bis zehn Jahre voraus zu sein.“
Auch mit Unternehmen arbeitet Giesecke + Devrient zusammen. „Partnerschaften werden immer wichtiger“, betont Thyen. „Denn die Welt wird immer schneller und dynamischer.“ Voraussichtlich in etwa drei Monaten werde G+D eine neue Kooperation auf dem Gebiet Mobile Security/Konnektivität verkünden.
Lieber drei kleine Zukäufe
Der Finanzchef ist optimistisch, wie er sagt, dass in drei bis fünf Wochen Verträge für ein oder zwei Zukäufe unterzeichnet sind. Um große Akquisitionen gehe es nicht. G+D halte sich an die Devise des Beratungsunternehmens McKinsey, lieber drei kleine Unternehmen zu erwerben als ein großes. „Wir halten Ausschau auf den Gebieten digitale Angebote und Software-Angebote vor allem für unsere Segmente Digital Security und Financial Platforms.“ Zudem gehe es um eine regionale Erweiterung des Geschäfts.
Dauerhaft Fitnessprogramme
Zukäufe sind in dem fürs Jahr 2030 geplanten Umsatz enthalten. Auf der Ertragsseite weist G+D für das vergangene Jahr einen Rückgang aus. Das Ergebnis vor Zinsen und Steuern verringerte sich auf 170 (i.V. 176) Mill. Euro. Grund sind Kosten für Restrukturierungen von gut 17 Mill. Euro. Der Jahresüberschuss sank um knapp 4 Mill. auf 88 Mill. Euro. „Es handelt sich um eine Vielzahl kleinerer Maßnahmen“, antwortet Thyen auf die Frage nach der Restrukturierung. Ein Fitnessprogramm gebe es jedes Jahr. Extra ausgewiesen werde der Aufwand nur, wenn er wie im vergangenen Jahr 10 Mill. Euro überschreite. Wie hoch er in diesem Jahr ausfällt, sei noch offen. „Wir sind gerade in der Analysephase“, sagt Thyen.