RECHT UND KAPITALMARKT

BGH honoriert Compliance-Management

Laut Urteil sind im Korruptionsfall auch nachträgliche Maßnahmen von Unternehmen sanktionsmildernd zu berücksichtigen

BGH honoriert Compliance-Management

Von Heiner Hugger und David Pasewaldt *)Der Bundesgerichtshof (BGH) hat in einem Urteil vom 9. Mai 2017 erstmals klargestellt, dass bei der Bemessung von Unternehmensgeldbußen auch mildernd zu berücksichtigen ist, inwieweit das Unternehmen ein effizientes Compliance-Management eingerichtet hat, um Rechtsverstöße aus seiner Sphäre zu vermeiden.Das Urteil des BGH erging im Revisionsverfahren zu einer Entscheidung des Landgerichts München I aus dem Jahr 2015, das einen Manager eines deutschen Rüstungsunternehmens im Zusammenhang mit Korruptionsvorwürfen in erster Instanz zu einer Freiheitsstrafe von elf Monaten verurteilt und in dem gleichen Verfahren gegen das Rüstungsunternehmen als Nebenbeteiligte eine Unternehmensgeldbuße von 175 000 Euro verhängt hatte. Nach den Feststellungen des Landgerichts hatten der Manager und weitere Leitungspersonen des Rüstungsunternehmens an Bestechungszahlungen beim Verkauf von Panzerhaubitzen zum Gesamtpreis von etwa 188 Mill. Euro an Griechenland im Jahr 2001 mitgewirkt. Steuervorteil entstandenZur Sicherung des Auftrags sollen unter anderem über eine von zwei ehemaligen Bundestagsmitgliedern gegründete Beratungsgesellschaft etwa 1,9 Mill. Euro Bestechungsgeld an den damaligen griechischen Verteidigungsminister geflossen sein. Der verurteilte Manager soll veranlasst haben, dass von dem Unternehmen eine diesbezügliche Provisionsrechnung der Beratungsgesellschaft bezahlt und die Zahlung von den Geschäftsführern, die von den Korruptionszahlungen ebenfalls gewusst haben sollen, in der Einkommensteuererklärung des Rüstungsunternehmens für das Jahr 2002 – entgegen dem steuerrechtlichen Abzugsverbot für Korruptionszahlungen – als gewinnmindernde Betriebsausgabe erklärt wurde. Dadurch sei dem Unternehmen ein nicht gerechtfertigter Steuervorteil von insgesamt etwa 1,6 Mill. Euro entstanden. Wegen Beihilfe verurteiltDas Landgericht hat den Manager deswegen unter anderem wegen Beihilfe zu einer von den Geschäftsführern zugunsten des Rüstungsunternehmens begangenen Steuerhinterziehung verurteilt. Wegen der vorgeworfenen Korruptionsstraftaten wurde der Manager hingegen nicht verurteilt, wohl weil diese Straftaten im Zeitpunkt der Verurteilung im Jahr 2015 – anders als die Steuerhinterziehung – bereits verjährt waren.Die Geldbuße gegen das Rüstungsunternehmen wurde auf der Grundlage von § 30 Ordnungswidrigkeitengesetz (OWiG) verhängt. Diese Vorschrift ermöglicht eine Festsetzung von Unternehmensgeldbußen von bis zu 10 Mill. Euro oder, soweit zur Abschöpfung eines angeblichen wirtschaftlichen Vorteils aus der vorgeworfenen Tat erforderlich, darüber hinaus, wenn bestimmte Leitungspersonen an einer unternehmensbezogenen Straftat oder Ordnungswidrigkeit beteiligt waren. Der verurteilte Manager und das Rüstungsunternehmen wandten sich mit der Revision gegen die Verurteilung und die Unternehmensgeldbuße. Die Staatsanwaltschaft legte gegen das Urteil ebenfalls Revision ein und bemängelte insbesondere die Höhe der gegen das Rüstungsunternehmen verhängten Geldbuße.Der Bundesgerichtshof hat die Revisionen des Managers und des Rüstungsunternehmens verworfen und insbesondere die Verurteilung wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung bestätigt. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft hin hat er allerdings die Entscheidung zur Höhe der gegen das Rüstungsunternehmen verhängten Geldbuße aufgehoben und die Sache insoweit zur erneuten Entscheidung an das Landgericht zurückverwiesen. Zur Begründung hat der BGH ausgeführt, das Landgericht hätte bei der Bemessung der Geldbuße, deren Höhe gemäß allgemeinen Grundsätzen nach der Schuld der Leitungspersonen des Unternehmens zu bemessen ist, nicht nur die Beihilfe des verurteilten Managers zu der von den Geschäftsführern begangenen Steuerhinterziehung, sondern zudem die schwerer wiegende Haupttat der Geschäftsführer berücksichtigen und auf dieser Grundlage einen höheren Betrag als 175 000 Euro festsetzen müssen. Effizientes ManagementAllerdings hat der BGH zugleich festgestellt, dass das Landgericht bei der Bemessung der Geldbuße auch zu berücksichtigen hat, inwieweit das Unternehmen seiner Pflicht, Rechtsverletzungen aus seiner Sphäre zu unterbinden, genügt und ein effizientes Compliance-Management zur Vermeidung von Rechtsverstößen eingerichtet hat. Dabei sollen selbst solche Regelungen und betriebsinterne Abläufe sanktionsmildernd wirken können, die ein Unternehmen erst eingerichtet hat, nachdem Verstöße bekannt und Ermittlungen durch Behörden eingeleitet worden sind. Weiterer ImpulsMit seinem Urteil gibt der BGH einen weiteren Impuls für die Einführung von Compliance-Management-Systemen in Unternehmen. Maßnahmen zur Vermeidung von Rechtsverstößen sind gesetzlich ohnehin gefordert, etwa um Vorwürfe einer ordnungswidrigen Aufsichtspflichtverletzung nach § 130 OWiG zu vermeiden. Nach den zu dieser Vorschrift entwickelten Grundsätzen hat die Geschäftsleitung von Unternehmen namentlich für eine sorgfältige Auswahl von Mitarbeitern, eine sachgerechte Organisation von Aufgaben und Abläufen, eine angemessene Schulung und Überwachung von Mitarbeitern sowie ein sachgemäßes Einschreiten bei Fehlverhalten zu sorgen.Werden diese Aufsichtspflichten schuldhaft verletzt und aus dem Unternehmen heraus Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten begangen, die durch eine ordentliche Aufsicht verhindert oder wesentlich erschwert worden wären, können gegen verantwortliche Leitungspersonen Geldbußen von bis zu 1 Mill. Euro verhängt werden. Darüber hinaus kommt nach der Rechtsprechung eine zivilrechtliche Schadensersatzpflicht insbesondere von Mitgliedern der Geschäftsleitung gegenüber ihrem Unternehmen in Betracht, wenn sie nicht dafür Sorge getragen haben, dass ein funktionierendes Compliance-Management-System eingerichtet worden ist.Zwar ist es auch in Deutschland bereits derzeit üblich und anerkannt, Compliance-Management-Systeme bei der Bemessung von Unternehmenssanktionen mildernd zu berücksichtigen. Doch anders als in den Rechtsordnungen vieler anderer Länder gibt es hierzulande bisher keine ausdrückliche gesetzliche Vorschrift dafür.Die US-amerikanischen Leitlinien zur Bemessung von Unternehmenssanktionen (US Sentencing Guidelines) erkennen ein effektives Compliance-Management-System ausdrücklich als strafmildernden Umstand an. Nach dem britischen Leitfaden zur Strafverfolgung von Unternehmen (Guidance on Corporate Prosecutions) kann ein Compliance-Management-System sogar ausschlaggebend dafür sein, ob von einer Anklage gegen das Unternehmen zugunsten einer Verständigung über die Aussetzung der Strafverfolgung (Deferred Prosecution Agreement) abgesehen werden kann. Verschiedene InitiativenIn Deutschland gab es verschiedene Initiativen, eine Berücksichtigung von Compliance-Management-Systemen bei der Sanktionierung von Unternehmen ausdrücklich gesetzlich vorzusehen. Zum Beispiel sollten nach dem Gesetzentwurf zur Einführung der strafrechtlichen Verantwortlichkeit von Unternehmen (Verbandsstrafgesetzbuch) des Landes Nordrhein-Westfalen aus dem Jahr 2013 Gerichte von einer Sanktionierung von Unternehmen etwa dann absehen können, wenn das Unternehmen ausreichende und personelle Maßnahmen getroffen hat, um Straftaten künftig zu vermeiden.Zwei Entwürfe des Deutschen Instituts für Compliance und des Bundesverbands der Unternehmensjuristen zur Änderung von unter anderem § 130 OWiG sahen vergleichbare Regelungen vor. Bislang wurde jedoch kein solcher Vorschlag umgesetzt. Gerade vor diesem Hintergrund ist die Entscheidung des BGH zu begrüßen, vor allem wegen der klaren Aussage zur sanktionsmildernden Berücksichtigung auch von nachträglichen Compliance-Maßnahmen.—-*) Dr. Heiner Hugger ist Partner, Dr. David Pasewaldt Counsel im Frankfurter Büro von Clifford Chance.