Umfrage

Brexit kommt Firmen teuer zu stehen

Seit dem Austritt Großbritanniens aus der EU, der einen „großen Scherbenhaufen“ hinterlassen habe, verliert das Land für deutsche Unternehmen als Markt an Bedeutung. Die Brexit-Folgen seien „so schlimm wie befürchtet“, lautet das Fazit der gemeinsamen Umfrage von KPMG und Britischer Handelskammer.

Brexit kommt Firmen teuer zu stehen

kro Frankfurt

Mit dem Austritt Großbritanniens aus der EU verliert das Land für deutsche Unternehmen als Markt laut einer Umfrage weiter an Bedeutung. Die Brexit-Folgen sind „so schlimm wie befürchtet“, lautet das Fazit des „German British Business Outlook“, den die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG in Zusammenarbeit mit der British Chamber of Commerce in Germany (BCCG) zum vierten Mal erstellt hat.

Während die Kosten für Verwaltung, Logistik, Zölle und Abgaben sowie für erforderliche IT-Anpassungen durch die neuen Verhältnisse signifikant gestiegen sind, sinken gleichzeitig die Umsätze der deutschen und britischen Unternehmen, die untereinander Handel treiben. So berichteten in der Umfrage, an der insgesamt 69 Unternehmen teilgenommen haben, 38 % der Firmen von Brexit-bedingten Erlösrückgängen, in 22 % der Fälle fielen die Einbußen sogar sehr stark aus.

Mittlerweile erwirtschaften nur noch 4 % der Firmen mehr als ein Fünftel ihres globalen Handelsvolumens in Großbritannien. Im vergangenen Jahr waren es immerhin noch 10 %. „Der jetzt in unserer Umfrage gegen den allgemeinen Trend ersichtliche absolute Tiefstand im deutsch-britischen Außenhandel ist der traurige Beleg, dass unsere Befürchtungen keine Schwarzseherei waren“, kommentierte BCCG-Präsident Michael Schmidt die Ergebnisse der Umfrage. „Und was noch schlimmer ist: Das Handelsvolumen wird absehbar noch weiter sinken!“

Seit dem Brexit-Referendum im Jahr 2016 sind es vor allem die deutschen Exporte nach Großbritannien, die kontinuierlich und spürbar schrumpften. Belief sich das Volumen der Ausfuhren zu dem Zeitpunkt noch auf fast 90 Mrd. Euro, waren es im vergangenen Jahr laut vorläufigen Zahlen des Statistischen Bundesamts nur noch gut 65 Mrd. Euro (siehe Grafik).

UK bald hinter Tschechien

Großbritannien, das durch den Austritt aus der EU praktisch zum Drittland geworden ist, hält sich nur noch ganz knapp unter den Top Ten der wichtigsten Handelspartner Deutschlands. Dicht dahinter folgt Tschechien, dessen Außenhandelsvolumen mit Deutschland in den vergangenen Jahren (abgesehen vom Coronajahr 2020) sukzessive gestiegen ist. Während das deutsch-britische Handelsvolumen seit 2016 um ein knappes Viertel abnahm, stieg das deutsch-tschechische Volumen im gleichen Zeitabschnitt um fast ein Fünftel.

Die Entwicklung dürfte sich mit Blick auf die geplanten Verlagerungen der Unternehmen aus dem Vereinigten Königreich noch fortsetzen. Gemäß der Umfrage planen 15 % der Firmen in den nächsten fünf Jahren Verlagerungen nach Deutschland und weitere 15 % in andere EU-Länder. Mehr als die Hälfte geht zudem davon aus, dass die britische Wirtschaft in dieser Zeit schrumpfen wird. Für die EU und Deutschland glauben das nur 10 %. Mit einem Wachstum der britischen Wirtschaft rechnet wiederum nur rund ein Drittel. 60 bis 70 % erwarten dies hingegen in der EU und in Deutschland. So verwundert es auch nicht, dass die große Mehrheit der Unternehmen (69  %) für die nächsten drei Jahre keine konkreten Investitionsabsichten in Großbritannien hegt.

Neuverhandlungen gefordert

Um die Wirtschaftsbeziehungen Deutschlands mit Großbritannien wieder auf eine solide Basis zu stellen, müsse eine Neuverhandlung des Handelsabkommens zwischen der EU und dem Vereinigten Königreich auf den Tisch, fordert Andreas Glunz, Bereichsvorstand International Business bei KPMG. Die Bundesrepublik sei das Land, das mit am stärksten von den wirtschaftlichen Folgen des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine betroffen ist. Sie habe „ein elementares Interesse “ an einer Verbesserung der Beziehungen zu Großbritannien, nicht nur aus wirtschaftlichen, sondern auch aus sicherheitspolitischen Gründen.

Die EU und Großbritannien hatten sich gerade mal eine Woche vor dem offiziellen Austritt des Vereinigten Königreichs aus der Zollunion und dem Binnenmarkt auf das Handelsabkommen geeinigt und damit einen harten Brexit − nach viereinhalb Jahren Verhandlung − quasi in letzter Minute abgewendet. Die Vereinbarung sieht unter anderem einen weitgehend zollfreien Handel vor, allerdings müssen Exporteure trotzdem Zollpapiere ausfüllen.

BZ+
Jetzt weiterlesen mit BZ+
4 Wochen für nur 1 € testen
Zugang zu allen Premium-Artikeln
Flexible Laufzeit, monatlich kündbar.