„Bürokratie belastet auch große Unternehmen“
Im Gespräch: Henriette Peucker
„Bürokratie belastet auch große Unternehmen“
Die Vorständin des Aktieninstituts über die Brüsseler Vorschläge zum Abbau von Berichtspflichten
Im Februar hat die EU-Kommission das so genannte Omnibus-Paket zum Abbau von Bürokratie bei der Nachhaltigkeits-Berichterstattung vorgelegt. Dem Deutschen Aktieninstitut gehen die Vorschläge nicht weit genug. Zudem meldet das DAI Zweifel an, ob eine Umsetzung der Vorschläge gelingen wird.
Von Detlef Fechtner, Brüssel
Die von der EU-Kommission vorgeschlagenen Ausnahmen für Mittelständler von Berichtspflichten reichen aus Sicht des Deutschen Aktieninstituts (DAI) nicht aus, um die Ankündigung eines weitreichenden Abbaus von Bürokratie einzulösen. „Überbordende Bürokratie betrifft und belastet auch große Unternehmen“, sagt Henriette Peucker, die geschäftsführende Vorständin des Aktieninstituts, im Gespräch mit der Börsen-Zeitung. Das sei kein Thema, das allein kleine und mittlere Unternehmen vor Probleme stelle, sondern alle, betont Peucker. „Deshalb ist es bei weitem nicht genug, einen Teil mittelständischer Unternehmen von bestimmten Verpflichtungen auszunehmen, um Wettbewerbsfähigkeit zu stärken.“ Die Wettbewerbsfähigkeit Europas hänge auch davon ab, dass große Unternehmen nicht mit unnötiger Bürokratie belastet werden, die immense Kosten nach sich ziehe.
Die EU-Kommission hat im Februar ihr so genanntes Omnibus-Paket zur nicht-finanziellen Berichterstattung vorgelegt, über das die EU-Gesetzgeber – das EU-Parlament und der Ministerrat – in den nächsten Monaten verhandeln. Das Gesetzespaket sieht vor, dass kleine und mittelgroße Unternehmen von bestimmten Pflichten des Nachhaltigkeitsreportings entbunden werden.
Konkret schlägt die EU-Behörde vor, dass 80% der eigentlich von der einschlägigen Richtlinie CSRD erfassten Unternehmen die nicht-finanzielle Berichterstattung erlassen werden soll, nämlich alle Firmen mit weniger als 1.000 Beschäftigten und weniger als 50 Mill. Euro Umsatz. Daneben ist mit Blick auf das EU-Lieferkettengesetz vorgesehen, dass sich die Sorgfaltspflichten von Unternehmen nur noch auf „direkte Geschäftspartner“ beziehen sollen. Auch sind Änderungen bei den Haftungspflichten vorgesehen.
Chance für eine Kehrtwende
Das Gesamturteil des Aktieninstituts über den Omnibus-Vorschlag aus Brüssel fällt durchwachsen aus. Zwar lobt Peucker: „Das Omnibus-Paket ist eine Chance, spürbare Veränderungen herbeizuführen.“ Wenn zukünftig der Aufwand für regulierte Unternehmen und die Auswirkungen von Regulierung auf die Wettbewerbsfähigkeit in der Regulierung berücksichtigt werde, könne das Omnibus-Paket eine Kehrtwende einleiten. In der Diskussion entdeckt das DAI aber zwei unterschiedliche Ansätze. Die einen versuchten, innerhalb des traditionellen Denkens kleinteilig zu reformieren. Die anderen wollten einen größeren Federstrich machen. „Was die EU-Kommission nun auf den Tisch gelegt hat, ist ein großer Wurf, aber ein großer Wurf innerhalb des Systems“, so die Einschätzung. Der Vorschlag gehe weiter als alles, was die EU-Kommission bisher umgesetzt habe, ohne jedoch die grundsätzlichen Regeln in Frage zu stellen.
Aus Unternehmenssicht sei zunächst entscheidend, dass es nicht so viele sich widersprechende und überlappende Gesetzestexte mit Berichterstattungspflichten gebe. Besser wäre es, wenn in einer Vorschrift alle Vorgaben zur Nachhaltigkeitsberichterstattung gebündelt würden. „Aus unserer Sicht ist die CSRD am besten als Ankerpunkt geeignet, aus der sich jeder Datenpunkt ableiten lassen sollte“, unterstreicht die DAI-Vorständin.
Reduzierung der Datenpunkte
In einem zweiten Schritt wäre dem DAI ein deutlich reduziertes Set von Daten wichtig, auf dessen Basis Unternehmen dokumentierten, wo sie stehen und wohin sie sich entwickeln. Gefordert wird eine drastische Reduzierung der derzeit rund 1.100 Datenpunkte. Unternehmen müssten zwar nicht alle berichten. „Aber sie müssen alle prüfen, um begründen zu können, warum sie etwas nicht berichten“, erläutert Peucker. Sie schlage deshalb vor, sich auf den Mittelstandsstandard LSME zu einigen, „da hätten wir schon rund 500 Datenpunkte weniger.“ Daneben plädiert die DAI-Vorständin dafür, die regulatorischen Anforderungen abzugleichen. „Den Unternehmen bringt es wenig, wenn ihre Berichtspflichten entschlackt werden, sie aber darüber hinausgehende Anforderungen von Banken weiter erfüllen müssen.“ Wenn Banken über die Offenlegungs-Verordnung SFDR oder über aufsichtsrechtliche Kapitalanforderungen regulatorisch dazu gezwungen würden, andere Daten zu erheben, müssten sie diese auch bei den Unternehmen abfragen.
Noch viele Hürden
Auf die Frage, wie viel vom Vorschlag der EU-Kommission umgesetzt werden wird, sind die Erwartungen zurückhaltend. „Die EU-Kommission hat einen Vorschlag gemacht – was dabei letztlich herauskommt, hängt aber davon ab, was die nachgeordnete Behörde EFRAG, European Financial Reporting Advisory Group, in den nächsten Monaten damit macht.“ Das DAI sei skeptisch, ob die Behörde, die die Regeln verfasst hat, mit deren Korrektur beauftragt werden sollte.
Zudem gebe es auch im EU-Parlament sehr unterschiedliche Positionen. Einige wollten am liebsten alle Verpflichtungen der Unternehmen so bewahren, wie sie sind. Andere wollten am liebsten alle Anforderungen komplett streichen. Und im Ministerrat verlaufe eine Trennlinie zwischen denen, die CSRD bereits umgesetzt haben und denen, die es nicht getan haben. Unterschiede seien zudem zu erkennen bei der politischen Einschätzung, wie viel Bürokratieabbau notwendig sei, damit das Ziel, ein wettbewerbsfähiges Europa zu schaffen, erreicht werde.
Zankapfel Tagging
Ein Spezialthema treibt das DAI noch um. Als Beispiel für eine Anforderung, die nicht mehr sinnvoll sei, nennt Peucker das so genannte iXBRL-Tagging zur Maschinenlesbarkeit von Berichten. Das bedeute, dass bestimmte Informationen und Textteile elektronisch gekennzeichnet werden müssen – und diese Kennzeichnung dann auch vom Wirtschaftsprüfer überprüft wird. „In einer Zeit, in der man ein PDF-Dokument auch durch KI auswerten lassen kann, ist diese technologische Festlegung unnötig und veraltet“, beklagt die DAI-Vorständin. Investoren setzten schon auf KI-Anwendungen. Daher könne man sich den Aufwand und die Kosten des Taggings mittels iXBRL sparen.