Im InterviewChristian Baier, Covestro

Covestro kürzt Prognose ein

Die erratische US-Zollpolitik erschwert Prognosen. Für Covestro-Finanzchef Christian Baier steht jedoch fest: „Eine sehr positive Entwicklung in der zweiten Jahreshälfte ist weit unwahrscheinlicher geworden.“

Covestro kürzt Prognose ein

Im Interview: Christian Baier

„Weit relevanter sind die indirekten Zolleffekte“

Covestro-CFO schreibt kräftige Erholung in zweiter Jahreshälfte ab – Rückenwind in den USA – China bleibt attraktiver Markt

Nach einem schwachen Start kürzt Covestro die Prognose für das Gesamtjahr ein. Finanzchef Christian Baier setzt wegen der Zollpolitik auf Rückenwind in den USA.

Herr Baier, Covestro ist schwach in den neuen Turnus gestartet. Selbst wenn man den Einmaleffekt herausrechnet, sind Sie unter dem schwachen Vorjahreswert gelandet. Was steht dahinter?

Wir hatten im vergangenen Jahr im ersten Quartal eine massive Steigerung der Volumina. Das haben wir gehalten. Die Anlagenschließung in Maasvlakte hat uns im Volumen zwei Prozentpunkte gekostet. Dennoch war die Anlagenschließung richtig, weil wir ergebnisseitig davon profitiert haben.

Wenn wir die Restrukturierungskosten von 108 Mill. Euro herausrechnen, sind wir nahezu auf Vorjahresniveau. Das ist ein guter Startpunkt, auch wenn wir andere Ansprüche an die Margenentwicklung haben.

Sie haben die Prognose für das Gesamtjahr eingekürzt. Heißt das, dass die für die zweite Jahreshälfte erwartete Erholung wieder vertagt wird?

Wir hatten eine breite Guidance für das operative Ergebnis von 1 bis 1,6 Mrd. Euro gegeben. Um das obere Ende zu erreichen, hätten wir eine relevante Erholung in der zweiten Jahreshälfte gebraucht. Wenn man sich die Zollthematik anschaut, ist es in dem aktuell volatilen Umfeld schwierig, eine Einschätzung zu geben. Es gibt viele Unternehmen, die gar keine Guidance mehr abgeben. Wir glauben, dass eine sehr positive Entwicklung in der zweiten Jahreshälfte weit unwahrscheinlicher geworden ist.

In den USA bekommen wir wahrscheinlich etwas Rückenwind.

Christian Baier

Wie wirken sich die US-Zölle aus?

Die direkten Effekte sind begrenzt. Weit relevanter sind aber die indirekten Effekte, sei es, was das weltweite Wirtschaftswachstum anbelangt oder die Warenströme. Ich gebe ein Beispiel: Ein großer Wettbewerber aus China hat seine Produkte bisher in den USA verkauft. Diese Produkte verbleiben jetzt wahrscheinlich eher in China oder kommen nach Europa. Das hat positive Auswirkungen auf die Preise in den USA, aber negative Preiseffekte auf den Rest der Welt.

Ist der Umsatzrückgang in Asien-Pazifik im ersten Quartal um über 5% schon ein erster Vorbote?

In dem Fall nicht. Das hängt mit der Anlagenschließung in Maasvlakte zusammen. Ein relevanter Teil der Produktion wurde in Asien-Pazifik verkauft.

Die Produkte aus China werden mutmaßlich den europäischen Markt fluten. Sind Ihre Produkte ausreichend „High End“, so dass Sie das weniger tangiert?

Unser Geschäft besteht etwa zur Hälfte aus Solutions & Specialties, also innovativen, hochspezialisierten Kundenlösungen, und zur Hälfte aus Performance Materials, also eher Massenprodukten. Hier stehen wir in scharfem Wettbewerb mit ganz wenigen Wettbewerbern. Diese Materialien müssen untergebracht werden. In den USA bekommen wir wahrscheinlich etwas Rückenwind. Inwieweit sich an anderer Stelle ein Angebotsüberhang ergibt, lässt sich nicht sagen.

Ganz grob ist Ihr Geschäft mit jeweils einem Drittel auf die drei Weltregionen aufgeteilt. Lässt sich abschätzen, welcher Effekt überwiegt?

Diese Frage analysieren wir hoch und runter. Eine rein mathematische Rechnung funktioniert an dieser Stelle nicht. Der positive Effekt in den USA kann durchaus relevant groß ausfallen. Auf der anderen Seite kann es aber zu einem massiven Preisdruck in anderen Regionen kommen.

Inwieweit besorgt Sie der Blick nach China? Die Zölle werden sich dort womöglich negativ auf die Inlandsnachfrage auswirken.

Die Überlegung kann ich noch nicht widerlegen. Wir werden über die Zeit wieder zu einer Balance im Markt kommen. Wie das neue Gleichgewicht aussieht, lässt sich heute aber nicht sagen. Wir schauen, was die wesentlichen Nachfragetreiber in den jeweiligen Inlandsmärkten sind. In China haben wir eine hohe Nachfrage nach unseren Produkten. Ganz große Teile dieser Produkte verbleiben in China. China und Asien sind für uns weiter einer der attraktivsten Märkte. Mittel- bis langfristig sind wir sehr positiv eingestellt.

Dass der Schwerpunkt auf die Wirtschaft gelegt werden soll, ist aus unserer Sicht ein positives Signal.

Christian Baier

Was erwarten Sie von der neuen Bundesregierung?

Wir erwarten eine gemeinsame Richtung in einer breit aufgestellten Koalition. Das ist eine große Chance. Dass der Schwerpunkt auf die Wirtschaft gelegt werden soll, ist aus unserer Sicht ein positives Signal. Die Themen Senkung der Energiekosten und Bürokratieabbau sind eine Chance zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit. Wir hoffen auf eine stringente Umsetzung.

Die Schlagworte kursieren schon lange. Was macht Sie zuversichtlich, dass sich jetzt etwas ändert?

Die Erkenntnisse der Vergangenheit können einen Lerneffekt für uns alle haben. Und die Überzeugung, dass es eine starke Wirtschaft braucht, um ein starkes Land zu haben, ist in den vergangenen drei Jahren sicherlich noch weiter gewachsen. Jetzt müssen die entsprechenden Rahmenbedingungen schnell gesetzt werden.

Das Interview führte Annette Becker.

BZ+
Jetzt weiterlesen mit BZ+
4 Wochen für nur 1 € testen
Zugang zu allen Premium-Artikeln
Flexible Laufzeit, monatlich kündbar.