Das geplante Sanktionsrecht gegen Unternehmen trifft die Falschen
Die Abgasaffäre und andere Wirtschaftsskandale der vergangenen Jahre haben die Diskussion um die Verschärfung von Unternehmenssanktionen bis hin zur Einführung eines Unternehmensstrafrechts in Deutschland wieder aufflammen lassen. Schärfere Sanktionen gegen Unternehmen, wie jetzt von der Bundesregierung geplant, sind jedoch nicht der richtige Weg. Statt diejenigen zu treffen, die eigentlich für das Fehlverhalten im Unternehmen verantwortlich sind, müssen die Geldstrafen am Ende von den Falschen – nämlich Arbeitnehmern und Aktionären – getragen werden. Es sollte besser an einer Stärkung der Compliance-Systeme in den Unternehmen gearbeitet werden, um Gesetzesverstößen vorzubeugen. Gibt keine StrafbarkeitslückeIm Koalitionsvertrag haben sich die beiden Regierungsparteien darauf geeinigt, das Sanktionsrecht für Unternehmen neu zu regeln. Danach sollen “die vom Fehlverhalten von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern profitierenden Unternehmen stärker sanktioniert werden”. Um dies zu erreichen, wollen die Koalitionspartner das Instrumentarium, das für Sanktionen aktuell zur Verfügung steht, verschärfen. So soll sich die Höhe der Bebußung, die zurzeit bei bis zu 10 Mill. Euro liegt, künftig an der Wirtschaftskraft des Unternehmens orientieren. Für Unternehmen mit mehr als 100 Mill. Euro Umsatz soll die Höchstgrenze bei 10 % des Umsatzes liegen. Außerdem sollen im Sinne des “naming and shaming” die Sanktionen gegen das Unternehmen öffentlich bekannt gemacht werden. Nicht bekannt ist bisher, ob die geplanten Maßnahmen in der Einführung eines Unternehmensstrafrechts münden oder nur das bestehende Ordnungswidrigkeitenrecht verschärfen sollen.De Pläne der Koalitionspartner, an deren Umsetzung Bundesjustizministerin Katarina Barley (SPD) gerade arbeitet, sehen wir kritisch. Schon heute gibt es im deutschen Ordnungswidrigkeiten- und Wirtschaftsverwaltungsrecht umfangreiche und ausreichende Möglichkeiten, Unternehmen bei Fehlverhalten zu sanktionieren. So können unter anderem Bußgelder verhängt, Gewinne abgeschöpft, bestimmte Tätigkeiten ganz untersagt und unter bestimmten Voraussetzungen das Unternehmen geschlossen werden.Bei gesetzeswidrigen Handlungen kann auch die Zwangsauflösung und Löschung einer GmbH oder Aktiengesellschaft aus dem Handelsregister erfolgen. Das Ordnungswidrigkeitenrecht wurde zudem in den vergangenen Jahren kontinuierlich verschärft, insbesondere wurden die Geldbußen für Unternehmen deutlich erhöht. Es gibt also keine Strafbarkeitslücke, wie es der Koalitionsvertrag suggeriert.Auch für das im Koalitionsvertrag angesprochene Fehlverhalten von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern eines Unternehmens gibt es im deutschen Recht zahlreiche Sanktionsmöglichkeiten – verwaltungs- oder strafrechtlicher Art.Gelingt es den zuständigen Behörden nicht, die Schuldigen im Unternehmen zu überführen, darf dies aber nicht zum Anlass genommen werden, pauschal auf das Unternehmen zurückzugreifen. Damit würden letztlich die Falschen, nämlich Arbeitnehmer, Zulieferer, Kunden und Aktionäre, zur Kasse gebeten, obwohl sie keine Schuld an den Verfehlungen trifft. Vor allem ist eine solch pauschale Sanktionierung des Kollektivs mit dem im deutschen Recht geltenden Schuldprinzip nicht zu vereinbaren. Dieses besagt, dass eine Strafe im Falle persönlich vorwerfbaren Verhaltens verhängt werden darf. An einer solchen persönlichen Vorwerfbarkeit fehlt es jedoch bei einem Unternehmen.Kritisch zu sehen ist der Vorschlag, dass bei Unternehmen mit mehr als 100 Mill. Euro Umsatz die Höchstgrenze für eine Strafzahlung bei 10 % des Umsatzes liegt. Bei großen Konzernen kann diese Strafe selbst bei geringer Tagessatzzahl schnell deutlich über die bisher im Ordnungswidrigkeitenrecht liegende Höchstgrenze steigen. Sanktionen gegen Unternehmen müssen verhältnismäßig sein und dürfen nicht zu einer Vernichtung der wirtschaftlichen Kraft von Gesellschaften führen. Kritik an der Prangerwirkung Ebenso problematisch ist der Passus im Koalitionsvertrag, Sanktionen zukünftig veröffentlichen zu wollen. Grundsätzlich ist eine solche Veröffentlichung mit Prangerwirkung vor allem dem deutschen Strafrecht zu Recht fremd. Sanktionen, die noch nicht rechtskräftig sind, dürften keinesfalls veröffentlicht werden. Denn selbst wenn die Sanktion in der Rechtsmittelinstanz wieder aufgehoben würde, wäre der durch die Veröffentlichung entstandene Reputationsschaden irreversibel. Inwieweit es überhaupt erforderlich ist, Fehlverhalten von Unternehmen durch die Veröffentlichung von Sanktionen anzuprangern, erschließt sich angesichts der umfassenden medialen Begleitung von Unternehmensverstößen heutzutage sowieso nicht. Unternehmen haben ein ureigenes Interesse daran, Reputationsschäden zu vermeiden.Um gesetzestreues Verhalten zu gewährleisten, ist daher eine Stärkung der Compliance-Systeme und -Kultur in deutschen Unternehmen der richtige Ansatz. Dabei ist zu beachten, dass die regulatorischen Entwicklungen im Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht, sowie im Umwelt-, Arbeits- und Datenschutzrecht dazu geführt haben, dass viele deutsche Unternehmen in den vergangenen Jahren Compliance-Systeme eingerichtet und ausgebaut haben.Doch ob das Unternehmen ein solches Compliance-System hat oder nicht, spielt bei der Bemessung eines Bußgelds wegen Compliance-Verstößen zurzeit keine Rolle. Hier sollte der Gesetzgeber ansetzen und den Unternehmen einen zusätzlichen Anreiz bieten, den eingeschlagenen Weg motiviert weiterzugehen und damit nicht gesetzeskonformes Verhalten innerhalb des Unternehmens zu verhindern.—-Dr. Christine Bortenlänger ist Geschäftsführender Vorstand des Deutschen Aktieninstituts (DAI). In dieser Rubrik veröffentlichen wir Kommentare von führenden Vertretern aus der Wirtschafts- und Finanzwelt, aus Politik und Wissenschaft.—–Von Christine Bortenlänger Schärfere Sanktionen gegen Unternehmen sind nicht der richtige Weg: Sie belasten am Ende die Arbeitnehmer und Aktionäre. —–