Im Gespräch Peter Henning und Karsten Wetwitschka, Onboard 360

„Die Quote des Scheiterns ist hoch“

Viele neue Mitglieder von Führungsgremien in Banken und Unternehmen erfüllen nicht die eigentlich vorgesehene Vertragslaufzeit. Das sei ein Zeichen dafür, dass der Aufsichtsrat mit seiner Wahl letztlich nicht zufrieden sei.

„Die Quote des Scheiterns ist hoch“

Im Gespräch: Peter Henning und Karsten Wetwitschka

„Die Quote des Scheiterns ist hoch“

Die Onboarding-Begleiter sprechen über Fallstricke beim Einzug in Aufsichtsräte oder Vorstände und warum viele Neubesetzungen nicht erfolgreich sind

Viele neue Mitglieder von Führungsgremien in Banken und Unternehmen erfüllen nicht die eigentlich vorgesehene Vertragslaufzeit. Das sei ein Zeichen dafür, dass der Aufsichtsrat mit seiner Wahl letztlich nicht zufrieden sei. Oft seien nicht fachliche Defizite, sondern mangelnde Kommunikation und Integration ins Unternehmen dafür verantwortlich, dass sich Neubesetzungen als nicht erfolgreich erwiesen.

Von Detlef Fechtner, Frankfurt

Viele Neubesetzungen von Positionen in Vorstand und Aufsichtsrat in Deutschland erweisen sich – den Erfahrungen der Onboarding-Begleiter Peter Henning und Karsten Wetwitschka zufolge – als nicht erfolgreich. „Die Quote des Scheiterns ist hoch“, erklären die beiden Geschäftsführenden Gesellschafter der Unternehmensberatung Onboard 360 im Gespräch mit der Börsen-Zeitung. Das sei, so unterstreicht Wetwitschka, „natürlich ein Desaster für alle Beteiligten.“ Sowohl für die betroffene Führungsperson, der ein Karriereknick drohe, aber auch für den Aufsichtsrat, der ihn schließlich ausgewählt habe. Und das Unternehmen verliere wichtige Zeit, sich fortzuentwickeln. „Das bedeutet womöglich einen immensen wirtschaftlichen Schaden“, mahnt Wetwitschka.

Sein Kollege Henning, der viele Jahre das Aufsichtsratsbüro der Deutschen Bank leitete, erläutert, wie sie auf ihren ernüchternden Befund kommen. Ein Indiz für die hohe Scheiternsquote sei, dass mehr als die Hälfte aller Vorstände die eigentlich vorgesehene Vertragslaufzeit nicht erfülle. Vorstände würden gemeinhin für drei, vier oder fünf Jahre eingestellt. Aber viele verließen das Unternehmen bereits früher. „Und wenn dann bereits ein Nachfolger oder eine Nachfolgerin feststeht, kann man davon ausgehen, dass der Aufsichtsrat schon viel früher unzufrieden gewesen ist“, argumentiert Henning. Schließlich brauche es eine ganze Zeit, um einen neuen Mann oder eine neue Frau zu finden.

Drang, schnell Ergebnisse zu liefern

Bemerkenswerterweise seien es oft nicht die sachlichen und fachlichen Fähigkeiten, die fehlten, „sondern das, was mit Kommunikation zu tun hat – und mit der Integration in die Kultur des Unternehmens.“ Manches von dem, was schiefgehe, sei durchaus nachvollziehbar. Viele Neue seien etwa überzeugt, dass sie sehr schnell sichtbare Ergebnisse liefern müssten, berichtet Wetwitschka. Und in diesem Ehrgeiz achteten sie nicht darauf, welches Verhalten in ihrem neuen Unternehmen geschätzt und welches nicht toleriert werde. Oder auch, wer in einem Unternehmen Einfluss habe und wer nicht – „das entspricht längst nicht immer dem Organigramm und der Hierarchie.“ Wenn man das nicht im Auge habe, könnten viele Initiativen in der Umsetzung scheitern. Dann stelle man sich schnell ins Abseits.

Vernetzung entscheidend

Zudem, so ist Wetwitschka überzeugt, müssten neue Vorstände und Aufsichtsräte etwas dafür tun, sich zu vernetzen: „Das ist eine Bringschuld.“ Meist hätten Aufsichtsrat und CEO ein Interesse daran, dass der Einstieg eines neuen Vorstands gut gelinge. Aber das gelte „nicht zwingend auch für die Peers im Vorstand.“ Möglicherweise empfänden sie den neuen Vorstand als Konkurrenten im Wettbewerb um den CEO-Posten. Vielleicht gebe es Kontroversen über den Zuschnitt der Ressorts und Zuständigkeiten. Und es sei auch denkbar, dass der Neuling die anderen vor den Kopf stoße, weil er gleich Ergebnisse zeigen möchte und deshalb sehr aktiv auftrete. „Das wirkt manchmal neunmalklug.“

Besondere Rolle des CEO

Wichtig sei zudem ein respektvoller Umgang mit dem Vorgänger. „Die Beschäftigten im Unternehmen beobachten sehr genau, wie man auf höchster Ebene miteinander umgeht“, hat Henning festgestellt. Und dazu zähle auch ein wertschätzender Umgang mit denen, die nicht mehr zur Führung gehörten.

Der Schritt vom Vorstand zum Vorstandsvorsitzenden, so erläutert Wetwitschka, sei nicht einfach, denn es gehe nicht um „more of the same“, sondern eine ganz andere Rolle. Der CEO müsse inspirieren und motivieren. Er könne Entscheidungen nicht mehr nach oben delegieren, er dürfe auch nicht zu lange zögern, Entscheidungen zu treffen. Und: Wenn ein CEO eine Idee vortrage, werde das von den anderen oft wie ein Befehl wahrgenommen.

Deshalb sei es wichtig, sich als CEO mit Menschen zu umgeben, die einem helfen, die schlechten Entscheidungen herauszufiltern – im Unternehmen, aber auch außerhalb. „Oft schleicht sich mit der Zeit die Neigung ein, sich besonders kritischer Mitarbeiter zu entledigen“, erzählt Wetwitschka. Aber dann steige das Risiko, dass eigene Fehlentscheidungen nicht durch Widerspruch verhindert werden.

Sensibilisierer und Sparring-Partner

Die Aufgabe von Onboarding-Begleitern sei es, „das Geländer zu halten, an dem sich ein neuer Vorstand oder Aufsichtsrat entlangbewegen kann, um zum Erfolg zu kommen.“ Und zwar nicht nur für ein paar Tage, sondern für ein halbes oder dreiviertel Jahr. Eine Aufgabe sei, Führungskräfte für Punkte zu sensibilisieren, an die sie nicht denken. Eine andere, Sparringpartner im Hintergrund zu sein – und ein sicheres Umfeld zum Austausch zu bieten. Zudem gehe es um Beratung rund um die Governance, etwa, was „Gesamtverantwortung“ ganz konkret bedeute. Auftraggeber sei nicht unbedingt die beteiligte Führungskraft, sondern oft das Unternehmen. Das habe viel Geld gezahlt, um den richtigen Manager zu finden. „Und das möchte nun auch, dass der Einstieg gelingt“, sagt Henning.

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