Tech-Milliardär

Die unendliche Leichtfertigkeit des Elon Musk

Laut dem Tech-Milliardär hat nun auch Apple dem Kurznachrichtendienst als Werbekunde den Rücken gekehrt. Der Konzern soll auch gedroht haben, Twitter aus seinem App-Store zu entfernen. Musks daraufhin erfolgte Kriegserklärung gegen den iPhone-Bauer dürfte nur ein weiterer Sargnagel für die Social-Media-Plattform sein.

Die unendliche Leichtfertigkeit des Elon Musk

Von Karolin Rothbart, Frankfurt

Elon Musk räumt dem zweiten Teil des Begriffs „Schöpferische Zerstörung“ derzeit klaren Vorrang ein. Erst hat der Milliardär nach seinem Twitter-Kauf für einen sichtlich übereilten Kahlschlag bei dem Kurznachrichtendienst gesorgt und die Hälfte aller Mitarbeitenden entlassen − einige davon „versehentlich“, wie es kurz darauf hieß. Parallel dazu schlug er immer mehr Werbekunden mit seiner Vorstellung einer absoluten Meinungsfreiheit vorläufig in die Flucht, darunter Volkswagen, Pfizer, General Motors, Stellantis oder auch United Airlines. Laut einer Berechnung von mediamatters.org haben in den vergangenen Wochen bereits 50 der 100 wichtigsten Werbekunden ihr Engagement auf der Plattform entweder schon gestoppt oder aber ihren Ausstieg angekündigt. Allein im laufenden Jahr haben diese Kunden mehr als 750 Mill. Dollar zu den Einnahmen von Twitter beigetragen.

Eine von Musk angedrohte öffentliche Bloßstellung von Werbekunden, die sich von Twitter zurückziehen, juckt die Firmen offenbar herzlich wenig. Nach Darstellung des Managers befindet sich auch Apple auf dem Absprung. Der wertvollste Konzern der Welt habe weitgehend damit aufgehört, Werbung auf der Plattform zu schalten, wie Musk am Montag in einer Serie von Tweets erklärte. Er stellte daraufhin die Frage, ob Apple die Redefreiheit in Amerika hasse − und schrieb, dass das Unternehmen gedroht habe, Twitter aus dem App-Store zu entfernen, ohne Gründe zu nennen. Kurzzeitig war der Tweet mit einem Meme versehen, das ein Auto mit der Aufschrift „Elon“ zeigte und das auf eine Autobahnausfahrt in Richtung „den Krieg erklären“ fuhr.

Die Konfrontation mit dem iPhone-Riesen hatte sich zuvor schon abgezeichnet. Mitte November hatte sich Musk in einem Tweet über die „offensichtlich zu hohen App-Store-Gebühren“ beschwert, die eine Folge des „iOS/Android-Duopols“ seien. Apple und Google behalten von den Erlösen, die in Apps erwirtschaftet werden, bis zu 30 % als Provision ein, wenn diese in ihren Stores vertrieben werden. Hier legte Musk am Montag nach und sprach von einer „geheimen Abgabe von 30 %“, die Apple für Käufe im App-Store verlange.

Die große Frage ist jedoch, was der Twitter-Chef dagegen ausrichten kann. Der „Fortnite“-Entwickler Epic Games war vor zwei Jahren bei dem Versuch gescheitert, eine Freigabe des Spiels auf dem iOS-Betriebssystem gerichtlich zu erzwingen. Epic hatte zuvor versucht, die Abo-Abgabe mit einem Trick zu umgehen. Apple warf die Spiele-App daraufhin aus seinem Store.

Beobachter schließen die Chance auf einen Sieg von Musk gegen Apple in der Angelegenheit zwar nicht grundsätzlich aus. Allerdings ist das aktuelle Fazit das gleiche wie im Sommer, als über die Aussichten des damals bevorstehenden Gerichtsprozesses zwischen Musk und Twitter in Delaware spekuliert wurde: Einen längeren Rechtsstreit mit Apple könne sich der Tech-Manager eigentlich nicht leisten. Denn dem Kurznachrichtendienst, der allein im zweiten Quartal einen Verlust von 344 Mill. Dollar eingefahren hatte und den sich Musk auch mit Hilfe von Fremdkapital einverleibt hat, hat er durch den Deal eine jährliche Zinslast von geschätzt mehr als 1 Mrd. Dollar aufgebürdet. Gleichzeitig bricht das Werbegeschäft, das 90 % der Einnahmen ausmacht, durch den sukzessiven Rückzug der Kunden immer weiter ein. Von dem, was am Ende übrig bleibt, könnte in Zukunft dann auch noch mal ein Teil in Form von Strafzahlungen wegfallen − nämlich dann, wenn Twitter durch die Massenentlassungen nicht mehr imstande ist, den Sicherheitsvorschriften aus dem ab Februar 2024 geltenden Digital Services Act nachzukommen.

Wie genau Twitter je wieder in die Spur kommen soll, bleibt Musks Geheimnis. Das kostenpflichtige Abo-Modell wird laut aktuellen Schätzungen bei Weitem nicht reichen. Und mal eben ein eigenes Smartphone-Business mit eigenem Betriebssystem und eigenen Regeln zu starten, so wie von Musk öffentlich in Erwägung gezogen, ist auch alles andere als simpel. Das haben die Versuche von Microsoft und Blackberry gezeigt.