Motorenbauer

Diesel-Spezialist Deutz schaltet auf Grün

Der Motorenbauer Deutz geht die Transformation verschärft an und setzt jetzt stark auf Wasserstoff.

Diesel-Spezialist Deutz schaltet auf Grün

Von Antje Kullrich, Köln

Seit mehr als 150 Jahren werden in Köln Motoren gebaut. Mit der Erfindung seines Viertaktmotors revolutionierte Nicolaus August Otto die Mobilität. In der Kölner Altstadt gründete der Autodidakt 1864 zu­sammen mit dem Ingenieur und Zuckerfabrikanten Eugen Langen die erste Motorenfabrik der Welt, den Vorläufer der heutigen Deutz AG. Die hat sich nach einer wechselvollen Geschichte in den vergangenen Jahrzehnten auf große Dieselmotoren spezialisiert – für Landmaschinen, Baufahrzeuge oder Gabelstapler. Dass diese Produktpalette in Zeiten der Klimakrise auf lange Sicht kaum mehr Zukunft hat, schwante der Deutz-Führung nicht erst seit gestern. Vor fünf Jahren wagte das Unternehmen den ersten Schritt in Richtung E-Antrieb: mit dem Kauf von Torqeedo, einem Hersteller von Elektromotoren für Boote. Doch E-Motoren können die Diesel-Palette von Deutz auf absehbare Zeit nicht ersetzen. Die erforderliche Leistung bräuchte riesige Akkus. Die zweite Säule der Technik-Strategie für die Zukunft basiert auf Wasserstoff.

Konzernchef Sebastian Schulte kann sich nach dem umfassenden Vorstandsumbau in den vergangenen eineinhalb Jahren jetzt voll auf die grüne Transformation konzentrieren. Das ist auch nötig: Denn die Kehrtwende für Deutz in den kommenden Jahren und Jahrzehnten dürfte tiefgreifender und einschneidender sein als bei den meisten Industrieunternehmen.

Bislang ist der Anteil alternativer, klimaneutraler Antriebe in der Deutz-Palette verschwindend ge­ring. In den ersten neun Monaten dieses Jahres erzielte der Konzern einen Gesamtumsatz von 1,4 Mrd. Euro, auf „grüne“ Motoren – derzeit vor allem E-Motoren von Torqeedo – entfielen dabei 51 Mill. Euro.

Projekt mit BMW

Doch es tut sich etwas. Deutz hat im laufenden Jahr gleich mehrere Wasserstoff-Projekte so weit ge­bracht, dass sie öffentlich vorgestellt wurden. In einem Pilotversuch mit dem Kölner Regionalversorger Rheinenergie testet Deutz einen stationären Wasserstoffmotor. In Kombination mit einem Generator liefert der Strom. Grundsätzlich eigne sich der Motor mit einer Leistung von rund 200 Kilowatt für alle Anwendungen abseits der Straße, erläuterte Deutz. Die Serienproduktion ist für 2024 geplant.

Zudem hat sich Deutz kürzlich dem Forschungsprojekt HyCET an­geschlossen, das Wasserstoff-Lkw mit Verbrennungsmotor für die Transportlogistik entwickeln will. BMW leitet das Projekt, auch Volvo, DHL und Total Energies Deutschland sind dabei. Zwei 18-Tonnen-Laster sollen mit dem Wasserstoffmotor von Deutz ausgestattet werden, die Praxistauglichkeit soll im Regelverkehr der BMW- und Deutz-Logistik erprobt werden. Weitere Partnerschaften sind geplant und gesucht.

Seit kurzem weist der Konzern die Fortschritte seiner Transformation auch transparent aus: In der Sparte „Classic“ ist das alte Stammgeschäft untergebracht, im Segment „Green“ die neuen Elektro- und Wasserstoffaktivitäten. Analyst Klaus Soer von der Quirin Privatbank lobt auch die Transparenz im Zahlenwerk: „Deutz lässt einen Großteil des Entwicklungsaufwands für die Transformation direkt über die Gewinn-und-Verlust-Rechnung laufen. Da wird nichts schöngerechnet.“ Etwa 15 Mill. Euro dürfte Deutz in diesem Jahr allein in die Wasserstofftechnologie stecken. In den kommenden Jahren dürfte das kaum weniger werden. Wann die ersten nennenswerten Returns fließen, ist jedoch unklar.

Der Konzern profitiert von der aktuell guten Geschäftsentwicklung. „Wir brauchen die Profitabilität im Classic-Segment, um die Transformation stemmen zu können“, sagte Vorstandschef Schulte jüngst bei der Vorstellung der Neunmonatszahlen. Das Stammgeschäft lieferte in diesem Jahr bislang 6,9 % Ebit-Marge – ein Sprung um fast 3 Prozentpunkte im Vergleich zum Vorjahr. Zudem verfügt Deutz noch über eine Art Investitionsreserve: Denn die letzten Grundstücke der alten Hauptverwaltung im Kölner Stadtteil Deutz sind immer noch nicht verkauft, der Veräußerungsprozess mit der Stadt zieht sich hin. Der Konzern rechnet mit einem Erlös von 60 Mill. Euro und könnte diese Mittel bei Bedarf für F&E einsetzen.

Risiko auf der Zeitachse

„Technologisch ist Deutz gut aufgestellt“, sagt Analyst Soer. Doch die Risiken und Unwägbarkeiten für die Transformation sind groß. Der Konzern selbst verweist auf die Abhängigkeit davon, wie schnell Wasserstoff flächendeckend zur Betankung zur Verfügung stehen werde. Auch die Akzeptanz im Kundenkreis könnte ein Problem werden. „Es ist nicht klar, wann und in welchem Umfang sich Wasserstoffmotoren am Markt durchsetzen“, warnt Soer. Er verweist auf die eher konservativen Abnehmerbranchen von Deutz wie Landwirtschaft und Bau. Dort sei das Interesse an einem zügigen Umrüsten eventuell verhalten – es sei denn, die neuen Motorentechnologien rechneten sich betriebswirtschaftlich oder regulatorische Anforderungen würden einen Umstieg forcieren.

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