Hoffnung auf Autonomie-Boom wackelt

Fahrassistenz-Probleme dämpfen Hoffnungen der US-Autobauer

Tesla hat sich in einem Rechtsstreit um ihr Autopilotsystem auf einen Vergleich mit der Familie eines tödlich verunglückten Model-X-Fahrers geeinigt. Die Probleme mit den Assistenzsystemen des E-Autobauers reißen damit aber nicht ab – und auch die Konkurrenz steht wegen ihrer Autonomie-Bemühungen unter Druck.

Fahrassistenz-Probleme dämpfen Hoffnungen der US-Autobauer

Fahrassistenz-Probleme bremsen US-Autobauer

Tesla schließt Vergleich zu tödlichem Autopilot-Unfall – US-Behörden machen Druck auf Ford – GM will Robotaxi-Tests nach Crashs wieder hochfahren

Tesla hat sich in einem Rechtsstreit um ihr Autopilotsystem auf einen Vergleich mit der Familie eines tödlich verunglückten Model-X-Fahrers geeinigt. Die Probleme mit den Assistenzsystemen des E-Autobauers reißen damit aber nicht ab – und auch die Konkurrenz steht wegen ihrer Autonomie-Bemühungen unter Druck.

xaw New York

Elon Musk wagt sich mit offensiven Prognosen zur Entwicklung künstlicher Intelligenz vor – die von ihm geführte Tesla gerät bei dem Thema aber zunehmend in die Defensive. „Mein Tipp wäre, dass wir bis Ende nächsten Jahres KI haben, die schlauer ist als jeder Mensch“, sagte der Milliardär am Montag in einem auf der Plattform X ausgestrahlten Gespräch mit Nicolai Tangen, dem Chef des norwegischen Staatsfonds. Am selben Tag wurde ein Vergleich in einem viel beachteten Rechtsstreit um die Fahrassistenztechnologie von Tesla öffentlich. Dabei einigte sich der E-Autobauer mit der Familie eines Apple-Mitarbeiters, der im Jahr 2018 mit seinem Model X in Kalifornien tödlich verunglückte, als er das integrierte Autopilotsystem nutzte.

Elon Musk, hier auf Deutschland-Besuch, gibt offensive Prognosen zur Leistungsfähigkeit künstlicher Intelligenz ab. Foto: AP Photo/Ebrahim Noroozi.

Die Konditionen des Vergleichs machen die Parteien nicht öffentlich. Die Kläger warfen Tesla vor, die Leistungsfähigkeit der Fahrassistenz übertrieben dargestellt und nicht genügend Maßnahmen ergriffen zu haben, um Missbrauch durch Kunden zu verhindern. Der verstorbene Model-X-Fahrer war laut seiner Familie und staatlichen Ermittlern vor dem Unfall abgelenkt, nach Darstellung von Tesla durch ein Videospiel. Der E-Autobauer macht damit seine Position deutlich, gemäß der letzten Endes die Person am Steuer für Crashs verantwortlich ist.

Behörden melden Sicherheitsbedenken an

Schließlich muss sich Tesla mit mehreren Untersuchungen zum Autopiloten auseinandersetzen. Die Verkehrssicherheitsbehörde NHTSA hat in den vergangenen Jahren über 40 solcher Prüfungen zu Unfällen von Modellen des E-Autobauers angestoßen und warnt vor einem Missbrauch der Technologie durch Fahrer. Tesla war infolge der Sicherheitsbedenken Ende 2023 bereits gezwungen, mehr als 2 Millionen Fahrzeuge zurückzurufen.

Unterdessen ermitteln auch das US-Justizministerium und die Börsenaufsicht SEC bezüglich der Assistenztechnologie. Die Behörden prüfen, ob Tesla Verbraucher und Investoren mit ihrer Darstellung zum Fortschritt des Autopiloten getäuscht hat. Im vergangenen Mai wurden zudem Inhalte aus mutmaßlich internen Tesla-Dokumenten öffentlich, die Tausende Kundenbeschwerden zu den Assistenzsystemen beinhalten sollen.

Versicherer verteilen schlechte Noten

Die wachsende Skepsis hinsichtlich des Autopiloten und der auf noch höhere Autonomie angelegten Technologie „Full Self-Driving Beta“ – bei der KI zentrale Steuerelemente wie das Lenkrad und die Pedale kontrollieren kann – droht Tesla hart auszubremsen. Denn während sich die E-Auto-Nachfrage im Kernmarkt USA äußerst schleppend entwickelt, hat Musk die Fahrassistenz-Abonnements zum Gewinntreiber der Zukunft auserkoren.

Allerdings ist Tesla nicht der einzige US-Fahrzeughersteller, bei dem die Zukunftshoffnung autonomes Fahren erhebliche Dämpfer erfährt. Wie das Musk-Unternehmen hat auch Ford im Rahmen einer Studie des Insurance Institute for Highway Safety, einer Non-Profit-Organisation der Autoversicherer, schlechte Noten für die Sicherheit ihrer Assistenztechnologie erhalten. Zudem hat die NHTSA zuletzt eine Untersuchung zum Crash eines Ford Mustang Mach-E gestartet, der Anfang 2022 in Texas auf einen Honda CR-V auffuhr – der Fahrer des japanischen Modells verstarb im Krankenhaus.

Mangelnde Kursfantasie

Für die Aktien der US-Autobauer herrscht sich angesichts der Schwäche im Elektro-Geschäft und der Probleme mit der zweiten großen Zukunftshoffnung Autonomie derzeit nur wenig Kursfantasie. Lediglich General Motors ist es in den vergangenen Monaten gelungen, die Aktie anzukurbeln, dies allerdings über ein beschleunigtes Aktienrückkaufprogramm. Doch plagen den Detroiter Konzern Probleme mit der Robotaxi-Tochter Cruise, die den Betrieb nach schweren Unfällen aussetzen musste und ihre Test-Aktivitäten nun wieder vorsichtig hochfahren will.

Derweil verlieh Tesla ihrer schwächelnden Aktie in der vergangenen Woche mit einer eigenen Robotaxi-Ankündigung kurzzeitig Schub. Laut Musk will das Unternehmen ein solches Modell ohne Pedale und Lenkrad am 8. August vorstellen. Robotaxi-Dienste galten für die Autobauer bis zur Krise bei Cruise als Chance, um Daten zu sammeln und Kunden an ihre Assistenzsysteme heranzuführen.

Vorteile in Vermarktung

Grundsätzlich ist Tesla bei der Vermarktung von Autonomie-Features gegenüber Konkurrenten wie Ford und GM im Vorteil. Denn diese hinken bei der E-Mobilität hinter dem Musk-Unternehmen her – und Umfragen zeigen, dass Elektro-Kunden dem autonomen Fahren deutlich aufgeschlossener gegenüberstehen als Nutzer klassischer Verbrenner.

So gaben beim jährlichen „Consumer Survey“ des McKinsey Center for Future Mobility zuletzt doppelt so viele Eigentümer batteriebetriebener Vehikel an, den Erwerb von Assistenzsystemen in Betracht zu ziehen, wie Käufer von Diesel-Fahrzeugen oder Benzinern. Dies zieht sich durch alle Standards, von Spurhalteassistenten über Staupiloten bis hin zur vollständigen Autonomie. Nur 5% der Elektro-Nutzer unter den fast 31.000 Umfrageteilnehmern lehnen Assistenzsysteme ab.

Diese Aufgeschlossenheit auf die Straße zu bringen, wird für Tesla angesichts der zunehmenden Ermittlungen der US-Behörden zu Fahrassistenzsystemen zur Herausforderung. Zuletzt haben die Service- und Abonnementerlöse der Musk-Firma noch weitaus kräftiger zugelegt als der Umsatz aus Autoverkäufen. Ihre Entwicklung steht nun auch bei der nächsten Zahlenvorlage am 23. April im Fokus.

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