Navigationskonzerne

Falsch abgebogen

Die Rivalen TomTom und Garmin standen 2015 vor einem Navigationsproblem. Nur einer der beiden Wettbewerber ist richtig abgebogen. Der andere sucht noch immer seinen Weg.

Falsch abgebogen

Von Sebastian Schmid, Frankfurt

Das Problem kennt eigentlich nur noch die Generation, die noch auf Beifahrer oder Beifahrerin samt Straßenkarte in der Hand als Navigationshilfe setzen musste: Einmal falsch abgebogen, drohte man sich heillos zu verirren. Mit Einführung von Navigationsgeräten und später Smartphone-Applikationen wie Google Maps ist es auch nach einer falschen Abzweigung meist leicht, den Weg zurück zu finden.

Dass es im Geschäftsleben weiterhin fatal sein kann, dem verkehrten Weg zu folgen, zeigt ein Vergleich der Navigationskonzerne TomTom und Garmin. 2015 steckten beide Unternehmen in einer Sinnkrise. Das Brot-und-Butter-Geschäft – der Verkauf von Navigationsgeräten für Autos – schmolz angesichts des rasant gewachsenen Smartphone-Marktes rasant dahin. Alternativen mussten her. Die niederländische TomTom konzentrierte sich auf die Entwicklung von Karten und die digitale Vernetzung in Autos. Der US-Konzern Garmin legte einen stärkeren Fokus auf Fitness, Outdoor, Flug- und Segelnavigation.

Vor allem mit dem Fitness-Segment hat Garmin auf das richtige Pferd gesetzt. Im April 2015 hatte Apple die erste Apple Watch vorgestellt und damit der Uhr – einer gerade bei jüngeren Nutzern aussterbenden Kategorie – neues Leben eingehaucht. Bis heute ist Apple bei den sogenannten Wearables zwar mit Abstand globaler Marktführer. Die Marktgröße hat sich seit dem Eintritt des Technologieriesen aber vervielfacht. Wurden 2015 noch lediglich 78 Millionen Wearables verkauft, waren es im vergangenen Jahr bereits mehr als 500 Millionen Stück. Zudem ist die Zahlungsbereitschaft für einen Mini-Computer am Handgelenk rasant gestiegen. 2015 dominierte noch Fitbit den Markt mit Uhren, die größtenteils unter 100 Dollar zu haben waren. Mittlerweile verkaufen alle der Top-5-Hersteller von Apple bis Garmin Uhren, die im Schnitt mehrere Hundert Dollar und in der Spitze sogar vierstellige Summen kosten.

Im ersten Halbjahr standen die Fitness- und Outdoorbereiche von Garmin, deren Umsatz sich im Wesentlichen aus Smartwatch-Verkäufen speist, mit gut 1,3 Mrd. Dollar für mehr als 55% der Konzernerlöse, während das Autogeschäft kaum mehr als ein Zehntel ausmachte. Die operative Marge wurde um gut vier Prozentpunkte auf 25,9% gesteigert. Im zweiten Quartal betrug sie sogar 28,0%. Der Konzern konnte zudem den Ausblick für praktisch alle Sparten anheben. Die positive Entwicklung hat sich bei Garmin längst auch in der Kursentwicklung gespiegelt. Das Unternehmen, das 2015 mit kaum mehr als 6 Mrd. Dollar bewertet wurde, kommt heute auf eine Marktkapitalisierung von knapp 30 Mrd. Dollar.

Der Kontrast zu TomTom, die am Donnerstag Zahlen zum dritten Quartal vorgelegt hat, könnte kaum größer sein. Der Umsatz ist in der jüngsten Periode um 14% auf 127,5 Mill. Euro geschrumpft. Dabei schrumpfte sowohl die Sparte Location Technology (–10%), zu der das Automotive-Geschäft zählt, als auch das Consumer-Segment (–24%). Unter dem Strich stand ein Verlust von knapp 21 Mill. Euro, der allerdings verglichen mit der Vorjahresperiode zumindest verringert werden konnte.

Die Perspektiven für die Niederländer bleiben dennoch unklar. Als einen Grund, warum das Unternehmen erwartet, eher nur das untere Ende des Umsatzausblicks zu erreichen, wurde die Chipkrise genannt, die natürlich vor allem die Partner aus der Autoindustrie treffen dürfte. Von dieser könnte auch Garmin betroffen sein. Allerdings dürfte es dem US-Konzern mit steuerlichem Sitz in Schaffhausen leichter fallen, diesen Sturm auszureiten. TomTom sucht auch Jahre nach der Smartphone-Herausforderung noch immer nach dem richtigen Weg.