Private Equity

Finanzinvestor CVC trägt mit Compugroup zur Riesenwelle der Delistings bei

In Europa haben sich binnen zehn Jahren mehr als 1.600 Unternehmen von der Börse verabschiedet. Jede Sechste dieser Firmen ging in Private-Equity-Besitz. Der jüngste Fall in Deutschland ist nun Compugroup Medical. CVC und die Eigentümerfamilie Gotthardt machen Ernst mit dem Delisting.

Finanzinvestor CVC trägt mit Compugroup zur Riesenwelle der Delistings bei

Europaweit rollt Riesenwelle von Delistings

Binnen zehn Jahren haben sich mehr als 1.600 Unternehmen von der Börse verabschiedet – CVC will Notierung von Compugroup beenden

In Europa haben sich binnen zehn Jahren 1.600 Firmen von der Börse verabschiedet. Jede Sechste ging in Private-Equity-Besitz. Der jüngste Fall in Deutschland ist Compugroup. CVC und die Eigentümerfamilie Gotthardt machen Ernst mit dem geplanten Börsenrückzug der Koblenzer Medizinsoftwarefirma.

Von Christoph Ruhkamp, Frankfurt

Es wird viel gesprochen von der Abwanderung europäischer Unternehmen durch Börsengänge in den USA – insbesondere in Schlüsselsektoren wie Technologie und Biotechnologie oder bei großen globalen Unternehmen mit einem großen US-Geschäft. Dabei wird der sprichwörtliche Elefant im Raum übersehen – die rapide zunehmenden Delistings: „Das größere Problem liegt viel näher an der Heimat“, konstatiert James Thornhill von der britischen Denkfabrik New Financial. „In den vergangenen zehn Jahren haben sich mehr als 1.600 börsennotierte europäische Unternehmen von der Börse zurückgezogen, nachdem sie aufgekauft wurden, mit einem Gesamtwert von mehr als 2,6 Bill. Dollar.“ Damit sei die Zahl der Delistings zwölfmal größer als die Zahl der europäischen Unternehmen, die in die USA „abgewandert“ sind, und der Wert dieser Übernahmen sei viermal so hoch wie der Wert der in die USA abgewanderten Unternehmen.

Der jüngste Fall in Deutschland ist Compugroup Medical (CGM). Der Finanzinvestor CVC und die Eigentümerfamilie Gotthardt, die 50,1% hält, machen Ernst mit dem angekündigten Rückzug der Koblenzer Medizinsoftwarefirma von der Frankfurter Börse. Die übrigen Aktionäre bekommen daher wie vorgeschrieben noch einmal die Möglichkeit, ihre Anteile an CVC zu verkaufen, wie die Bieter jetzt mitteilten. Das Angebot liegt bei 22 Euro, am Freitag notierte die Aktie fast unverändert bei 22,06 Euro. „Für die Aktionäre von CGM bietet das öffentliche Delisting-Angebot die Gelegenheit, ihre Anteile jetzt zu einem attraktiven Preis zu veräußern – nach dem Delisting wird das deutlich schwieriger“, sagte CVC-Partner Can Toygar.

Auch KKR und Carlyle dabei

Es gibt noch zwei weitere laufende Delisting-Vorstöße: KKR will den schwäbischen IT-Dienstleister Datagroup kaufen und von der Börse nehmen. Und die Übernahmeofferte des Finanzinvestors Carlyle trifft bei den Streubesitzaktionären der Heidelberger Softwarefirma SNP Schneider-Neureither auf wenig Gegenliebe. Aber es reicht für den Beherrschungsvertrag und den Abschied von der Börse.

Mit dem Delisting von Compugroup haben sich allein in Deutschland seit 2024 schon mehr als zwei Dutzend Unternehmen von der Börse verabschiedet. Immerhin acht dieser Firmen waren im stärker regulierten Prime Standard notiert, und die zehn größten Delistings hatten eine Marktkapitalisierung von jeweils mehr als 100 Mill. Euro. Die drei größten Beispiele neben dem Solar- und Windparkspezialisten Encavis, der von KKR und Viessmann für 2,8 Mrd. Euro übernommen wurde, waren Telefónica Deutschland (Marktkapitalisierung: 7,2 Mrd. Euro), die dem Mutterkonzern Telefónica einverleibt wurde, sowie die Laborkette Synlab der Private-Equity-Firma Cinven und die Südzucker-Tochter Cropenergies.

IPO-Geschäft bleibt mau

Der Exodus von der Börse steht im krassen Gegensatz zum mauen Geschäft mit Börsengängen. Zum Vergleich: Neu an die Börse kommt in Deutschland bisher nur der schwäbische Stromnetzausrüster Pfisterer, der am Freitag die Angebotsspanne in der unteren Hälfte der bisherigen Spanne eingegrenzt hat, sowie die Softwarefirma Innoscripta, deren Gründer mit bestehenden Aktien 300 Mill. Euro einsammeln wollen. Europaweit sieht es mit bisher nur zehn Börsengängen in diesem Jahr kaum besser aus.

Die börsennotierten europäischen Unternehmen, die in den vergangenen zehn Jahren übernommen wurden, machen laut der Denkfabrik New Financial fast ein Viertel (23%) der Gesamtzahl der börsennotierten Unternehmen in Europa aus und etwa 16% des Wertes der europäischen Aktienmärkte bis Ende 2024. „Etwas mehr als ein Drittel dieser Übernahmen wurden zwar in den europäischen Aktienmarkt zurückgeführt, indem sie von anderen börsennotierten europäischen Unternehmen erworben wurden“, schränkt Studienautor Thornhill ein. „Ein Viertel dieser Übernahmen wurde jedoch nach der Übernahme auf andere Aktienmärkte in der ganzen Welt verschoben, nachdem sie von gelisteten Unternehmen außerhalb Europas erworben wurden.“

Viel geht an Private Equity

Gemessen am Wert seien nahezu 40% der Firmen an einen neuen Eigentümer abseits der Börse gegangen. Rund 22% wurden von einem nicht an der Börse notierten Unternehmen übernommen und 17% von einer Private-Equity-Firma. Das bedeutet, dass in den vergangenen zehn Jahren etwas mehr als 1.000 börsennotierte Unternehmen im Wert von 1 Bill. Dollar die europäischen Aktienmärkte verlassen haben.

„In den letzten Jahren hat sich das Tempo der mit privatem Beteiligungskapital finanzierten Übernahmen zwar verlangsamt, aber es ist deutlich zu spüren, dass sich das Gleichgewicht von den öffentlichen Märkten zu den privaten Märkten verschiebt“, fasst Thornhill die Lage zusammen. Die europäischen Aktienmärkte würden von Emittenten und Anlegern als relativ unattraktiv angesehen.

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