Finanzinvestoren sollten Kartellrecht umfassend beachten
– Herr Hack, Kartellrecht ist mehr als Fusionskontrolle – das bekam in der Vergangenheit auch so mancher Finanzinvestor schmerzhaft zu spüren. Herr Dr. Hack, wo liegen die zusätzlichen Risiken?Immer wichtiger werden für Finanzinvestoren Haftungsrisiken für kartellrechtliche Fehltritte ihrer Portfoliounternehmen – nicht zuletzt deshalb, weil durch geplante Gesetzesänderungen die Haftungsrisiken in Deutschland deutlich verschärft werden. Künftig gilt noch kompromissloser: Eltern haften für ihre Kinder. Nach dem funktionalen Unternehmensbegriff werden sämtliche juristischen Personen zusammengefasst, die eine wirtschaftliche Einheit bilden. Zur wirtschaftlichen Einheit gehören sämtliche Gesellschaften, die von der Muttergesellschaft kontrolliert werden, was bei Portfoliogesellschaften oft der Fall ist.- Mit welchen Konsequenzen?Der Investor haftet unmittelbar gesamtschuldnerisch mit der am Kartell beteiligten Portfoliogesellschaft für den Zeitraum der Kontrolle für Bußgelder und Schadenersatzansprüche. Dies galt bislang schon für EU-Kartellbußen; im Rahmen der 9. GWB-Novelle sollen diese Haftungsprinzipien ins deutsche Recht übernommen werden. Zukünftig können daher auch in Deutschland Finanzinvestoren unmittelbar gesamtschuldnerisch mit ihren kartellierenden Portfoliogesellschaften haften.- Was bezweckt der Gesetzgeber mit dieser Änderung?Der Fiskus will verhindern, dass Kartellanten die Zahlung ihrer Bußgelder durch Umstrukturierungen im Konzern faktisch unterlaufen können. Bislang gilt in Deutschland das Trennungsprinzip. Bußgelder können nur gegen die juristischen Personen verhängt werden, die am Kartellverstoß selbst unmittelbar beteiligt waren oder vorwerfbar diesen nicht verhindert, also ihre Aufsichtspflicht verletzt haben.- Was kann der Finanzinvestor tun?Zum Beispiel mit einem effektiven Compliance-System den Nachweis führen, dass er seiner Aufsichtspflicht gegenüber seiner Portfoliogesellschaft nachgekommen ist, und sich damit der Haftung entziehen. Sein Risiko beschränkt sich derzeit also noch darauf, dass sich seine Investition aufgrund von Bußgeldern und Schadenersatzforderung entwertet. Aber selbst dieses Risiko kann noch durch bestimmte Umstrukturierungsmaßnahmen reduziert werden – dieses Schlupfloch will die Bundesregierung in den kommenden Monaten schließen.- Welche konkreten negativen Folgen hat diese Änderung?Der Finanzinvestor ist ein liquider und daher beliebter Vollstreckungsschuldner, gegen den Kartellbehörden und geschädigte Abnehmer bevorzugt vorgehen. Und Kartellbehörden können Bußgelder bei Wiederholungstäterschaft erheblich erhöhen: War eine Portfoliogesellschaft einmal an einem Kartell beteiligt, schwebt die Gefahr der Wiederholungstäterschaft mit jeder neuen Investition wie ein Damoklesschwert auch über dem Finanzinvestor.- Was sollten Finanzinvestoren daher bei Zukäufen beachten?In Frühphasen einer Transaktion oder bei der Due Diligence beschränkt sich der Prüfungsauftrag oft nur auf einen Red Flag Report oder, insbesondere in Bieterverfahren, gar nur auf die Fusionskontrolle. Allerdings sollte man angesichts der neuen Rechtslage einen viel stärkeren Fokus auf eine umfassende kartellrechtliche Prüfung legen, um die relevanten Risiken zu identifizieren und durch belastbare Garantien, Sicherheiten und Entschädigungszusagen im Kaufvertrag zu spiegeln.- Wenn eine solche Prüfung nicht möglich war: Gibt es noch Handlungsoptionen?Jedenfalls nach dem Closing sollte der Finanzinvestor umgehend einen internen Audit durchführen und – sofern nicht vorhanden – ein (kartellrechtliches) Compliance-System installieren. Dies ermöglicht es zumindest, etwaige Verstöße zu erkennen und abzustellen. Unter Umständen kann der Finanzinvestor einen Kartellverstoß als Erster gegenüber der Behörde offenlegen und dafür eine Reduktion oder gar vollen Erlass der Buße erhalten. Er ist dann auch als Kronzeuge in etwaigen Schadenersatzprozessen privilegiert.—-Dr. Sebastian Hack ist Kartellrechtsexperte bei Osborne Clarke. Die Fragen stellte Walther Becker.