EuGH

Gefangen in der Sanktions-Zwickmühle

Für Unternehmen gibt es in der Zwickmühle zwischen US-Sanktionsvorschriften und Geschäft mit iranischen Unternehmen in Europa keinen leichten Ausweg. Betroffen ist davon unter anderem die Deutsche Telekom.

Gefangen in der Sanktions-Zwickmühle

Von Sabine Wadewitz, Frankfurt

Für die Deutsche Telekom zeichnet sich ein Ausweg in der rechtlichen Auseinandersetzung mit der iranischen Bank Melli über die Kündigung von Verträgen ab – aber kein einfacher. Die von US-Sanktionen betroffene Bank mit einer Niederlassung in Hamburg will gerichtlich erzwingen, dass die von der Telekom ausgesprochene Kündigung von Telefon und Internet unwirksam ist. Die von der Telekom vor Auflösung der Geschäftsbeziehung bereitgestellten Dienstleistungen seien zentral für die Bank, um ihr Geschäft in Deutschland aufrechtzuerhalten.

Bank Melli argumentiert, die Kündigung beruhe allein auf dem Bestreben der Telekom, nicht gegen US-Sanktionsrecht zu verstoßen. Die USA verbieten ausländischen Firmen Geschäftsbeziehungen mit iranischen Unternehmen. Bei Verstößen sind Sekundärsanktionen vorgesehen, was das Geschäft auf dem US-Markt gefährdet – für die Telekom mit 50% des Umsatzes ein besonders wichtiger Markt. Die Iran-Sanktionen der USA werden von der EU jedoch als rechtswidrig betrachtet. Die seit 2018 geltende EU-Blocking-Verordnung verbietet es den Unternehmen der Mitgliedstaaten, sich an dem Bann der USA gegen den Iran zu beteiligen. Verstöße gegen die Blocking-Verordnung werden mit hohen Bußgeldern belegt. Daran anschließen könnten sich Schadenersatzforderungen gegen Organmitglieder.

„Die EU-Blocking-Verordnung ist nicht nur ein politischer Programmsatz, sondern verbindliches Recht für europäische Unternehmen, aus dem iranische Kunden durchsetzbare Ansprüche ableiten können“, mahnt Vera Jungkind, Partnerin der Kanzlei Hengeler Mueller. Doch die Firmen hätten Gestaltungsmöglichkeiten, auch eine Ausnahmegenehmigung sei möglich. Es gilt als geübte Praxis von europäischen Unternehmen und Banken, die Blocking-Verordnung still und heimlich zu ignorieren, um US-Geschäft nicht zu gefährden.

Die Telekom hat in dem Prozess argumentiert, es werde nicht gegen EU-Recht verstoßen, wenn ein Vertrag ohne Angabe von Gründen gekündigt werde. Es stehe ihr frei, ihre Geschäftsbeziehung zur Bank Melli jederzeit zu beenden, auf die Motive dafür komme es nicht an.

Bank Melli hat vor dem OLG Hamburg Klage gegen die Telekom eingereicht. Das Oberlandesgericht hat den Europäischen Gerichtshof (EuGH) angerufen, um zentrale Fragen in der Auslegung der Blocking-Verordnung zu klären. Das Urteil im Rechtsstreit zwischen Melli und Telekom fällt das OLG Hamburg.

Generalanwalt Gerard Hogan hat in seinen Schlussanträgen vor dem EuGH die Auffassung geäußert, dass die Motive für die Kündigung eines Vertrags entscheidend sind. Wenn eine Vertragsbeziehung mit einem iranischen Unternehmen beendet werde, müssten andere Gründe angeführt werden als die Absicht, nicht gegen US-Vorschriften zu verstoßen. Dabei müsse das kündigende Unternehmen den Beweis führen, dass es nicht in der Absicht gehandelt habe, diesen Sanktionen nachzukommen. Da die Bank Melli und die Telekom bereits eine Geschäftsverbindung unterhalten und sich ihre jeweiligen Aktivitäten nicht geändert hätten, habe die Telekom zu belegen, dass es für die Kündigung einen anderen objektiven Grund gibt als die US-Sanktionen gegen Melli. Es sei Sache des OLG Hamburg, diese Gründe zu überprüfen.

Der Generalanwalt lässt einen Ausweg offen. Die EU-Firmen könnten aus Sicht von Hogan auch darlegen, dass sie aktiv eine Politik der sozialen Verantwortung verfolgten, aufgrund deren sie unter anderem Geschäfte mit Unternehmen ablehnen, die Verbindungen zum iranischen Regime haben. Für die Telekom wäre es danach möglich, die Begründung für ihre Kündigung noch in dem OLG-Verfahren nachzuliefern. Die Schlussanträge sind für den EuGH nicht bindend, das Gericht folgt ihnen in den meisten Fällen.

Kein einfacher Ausweg

„Viele Unternehmen sehen sich in einem Norm- und Interessenkonflikt zwischen den US-Sanktionen und der EU-Blocking-Verordnung. Das Hanseatische OLG hat den EuGH im Kern gefragt, ob es aus dieser Zwickmühle einen einfachen Ausweg gibt. Der Generalanwalt hat hierauf nun mit einem recht deutlichen Nein geantwortet – auch wenn er ausdrücklich festhält, dass ihm dieses Ergebnis keine besondere Freude bereite“, erläutert Michael Albrecht, Anwalt in der Kanzlei Skadden.

In der Frage der Beweislast sei der Generalanwalt deutlich: Das EU-Unternehmen müsse darlegen, dass es andere Gründe für die Kündigung gibt als die US-Sanktionen. Solche Gründe könne es selbstverständlich geben, meint Albrecht, wenn Firmen zum Beispiel Reputationsrisiken neu bewerteten.