Im GesprächMarika Lulay, GFT Technologies

„Ziel ist es, eine zusätzliche Umsatzkategorie zu erschließen“

Das Softwareunternehmen GFT Technologies will neben Service-Umsätzen künftig auch transaktionsbasierte Umsätze erzielen. Welche Geschäftsperspektiven aus künstlicher Intelligenz und Blockchain erwachsen und wie die Pleite der Silicon Valley Bank das Geschäft beeinflusst, erklärt CEO Marika Lulay im Gespräch.

„Ziel ist es, eine zusätzliche Umsatzkategorie zu erschließen“

Im Gespräch: Marika Lulay

„Ziel ist, zusätzliche Umsatzkategorie zu erschließen“

Die CEO von GFT Technologies über das Potenzial von Blockchain und KI und die Folgen der Pleite der Silicon Valley Bank

Von Sabine Reifenberger, Frankfurt

Das Softwareunternehmen GFT Technologies will neben Service-Umsätzen künftig auch transaktionsbasierte Umsätze erzielen. Welche Geschäftsperspektiven aus künstlicher Intelligenz und Blockchain erwachsen und wie die Pleite der Silicon Valley Bank das Geschäft beeinflusst, erklärt CEO Marika Lulay im Gespräch.

Wenn eine auf Start-up-Finanzierungen spezialisierte Bank in Kalifornien kollabiert, denkt man nicht unmittelbar an Folgen für ein Technologieunternehmen aus Stuttgart. Doch den Zusammenbruch der Silicon Valley Bank bekam auch der SDax-Wert GFT Technologies zu spüren, der den Großteil seines Umsatzes mit Kunden aus der Bankenbranche erzielt. „Die Regulatoren in den USA sind nach dem Kollaps der Silicon Valley Bank deutlich restriktiver geworden. Das hat einige Vorhaben gehemmt“, berichtet CEO Marika Lulay. Manche Kunden hätten geplante Projekte, etwa für Digitalbanken in den USA, gestoppt oder nicht weiterverfolgt.

Umsatzwachstum verlangsamt

Das schlägt sich in den Zahlen nieder. Zwar strebt das Unternehmen immer noch ein Umsatzwachstum von etwa 10% an, doch die ursprüngliche Zielsetzung, ein Umsatzplus von 16% auf 850 Mill. Euro, war nach dem ersten Halbjahr nicht mehr zu halten. Mittlerweile peilt das Management um CEO Lulay einen Umsatz von 800 Mill. bis 810 Mill. Euro an. Das Ziel für das Ergebnis vor Steuern (EBT) senkte GFT von 72 auf 68 bis 70 Mill. Euro. „Das Jahr läuft gut, aber wir liegen unter den Erwartungen vom Jahresanfang“, sagt Lulay im Gespräch mit der Börsen-Zeitung.

Wir haben kein Akzeptanzthema, sondern ein Budgetthema.

Marika Lulay, GFT Technologies

Hinzu kommt das angespannte Wirtschaftsumfeld. „Große Banken werden restriktiver mit den Budgets“, sagt Lulay, die angesichts der immer noch zweistelligen Wachstumsraten in ihrem Unternehmen von „Jammern auf hohem Niveau“ spricht. Über die grundsätzliche Wichtigkeit von Digitalisierungsvorhaben müsse man mit den Kunden mittlerweile nicht mehr diskutieren, betont sie. Die Projekte seien häufig strategisch, fielen aber mitunter eine Nummer kleiner aus. „Wir haben kein Akzeptanzthema, sondern ein Budgetthema.“

Strategisches Plattform-Projekt

Projekte mit neuen Technologien wie Blockchain und künstliche Intelligenz (KI) machen Lulay zufolge bislang etwa 7% des Gesamtumsatzes aus, doch die Wachstumshoffnungen sind gerade in diesem Bereich groß. Ein strategisches Projekt nutzt die Distributed-Ledger-Technologie, auf der auch die Blockchain basiert: Das Universal Digital Payments Network (UDPN) ist eine Plattform, die den Austausch von digitalem Zentralbankgeld (Central Bank Digital Currency, CBDC) sowie von regulierten Stablecoins ermöglichen soll. Derzeit laufen zwölf „Proof-of-Concept“-Projekte mit internationalen Banken und Zahlungsverkehrsdienstleistern, um Anwendungsfälle zu testen.

Welches Umsatzpotenzial sie dem Netzwerk zutraut, verrät Lulay nicht, doch das Potenzial sei groß: „Wir könnten beispielsweise Miteigentümer in einer Allianz werden, die dieses Netzwerk dann betreibt.“ Das Modell soll im Grundsatz dem der Zahlungsverkehrsplattform Swift folgen, die im Eigentum ihrer Mitglieder – Banken und Finanzinstitutionen – liegt. Zusätzlich soll UDPN als dezentralisierte, autonome Organisation (DAO) strukturiert werden. Unter den Eigentümern sollen auch Technologiefirmen wie GFT sein.

GFT setzt auf künstliche Intelligenz

Die Debatte um elektronische Währungen beflügelt die Idee, in etwa zwei Jahren könnte nach Lulays Einschätzung ein guter Zeitpunkt für die Markteinführung sein. Geht der Plan auf, wäre dies für GFT ein großer Schritt: „Das Ziel ist es, eine zusätzliche Umsatzkategorie zu erschließen“, erklärt Lulay. „Zu den Service-basierten Umsätzen kämen transaktionsbasierte Umsätze hinzu.“ Spannend wäre dies insbesondere mit Blick auf die Profitabilität – denn im Gegensatz zum Service-Geschäft, wo hinter jedem neuen Projekt auch neue Mitarbeiter stehen, ließe sich das Plattformgeschäft deutlich einfacher skalieren.

Noch sei dies Zukunftsmusik, betont Lulay, zumal auch Wettbewerber an vergleichbaren Plattformen arbeiteten. „Es kann auch eine Konsolidierung geben“, sagt Lulay. GFT hat ihren Angaben zufolge bislang kumuliert etwa 1,5 Mill. bis 2 Mill. Euro in die Plattform investiert, die Mittel kamen aus dem Cashflow.

Neue Anwendungsfälle entstehen derzeit auch durch die rasanten Fortschritte bei generativer künstlicher Intelligenz (KI). „Mich hat überrascht, wie schnell sich das Thema entwickelt“, räumt Lulay ein. Spätestens seit der Einführung von GPT 4.0 – dem Sprachmodell, das ChatGPT zugrunde liegt – sei KI in aller Munde. Eine ungewohnte Situation für die CEO: „Sonst war es oft so, dass wir von einer Entwicklung total begeistert waren, die Kunden aber erst einmal abwartend reagiert haben“, berichtet sie. Beim Thema KI sei dies anders. „Die Kunden rufen von sich aus an und wollen wissen, was schon möglich ist und was sie beachten müssen.“

KI-Projekte bislang eher klein

GFT hat KI in verschiedene Produkte integriert und das Angebot in einem Marktplatz gebündelt. Der Name „AI.DA“ soll verdeutlichen, dass neben Artificial Intelligence auch Daten eine zentrale Rolle spielen. Das Softwareunternehmen selbst setzt künstliche Intelligenz beispielsweise ein, um Zeit beim Programmieren und Überprüfen von Softwarecodes zu sparen. Für Lulay ist dies ein Weg, dem Fachkräftemangel in der Branche zu begegnen. „Es geht nicht darum, künftig Personal einzusparen. Wir müssen vielmehr überlegen, wie wir die Beschäftigten möglichst effizient einsetzen.“

Die Nachfrage von Kunden nach KI-Anwendungen führt allerdings bislang nicht zu mehr Umsatz, eher zu einer Verteilung: „Es gibt Kunden, die Budgets umgeschichtet haben, hin zu KI-Technologien. Der Auftragsbestand ist dadurch nicht größer, aber anders strukturiert.“ Noch seien die KI-Projekte bei den meisten Kunden überschaubar. „Wir sprechen noch deutlich häufiger über sechsstellige Volumina als über siebenstellige.“

Transformatorischer Deal in Deutschland

Das Angebot in Deutschland hat GFT im zurückliegenden Jahr auch anorganisch ausgebaut. Im Frühjahr haben die Stuttgarter das Unternehmen Targens von der LBBW übernommen, einen Dienstleister für Banking, Compliance und Digital Innovation. Auf regionaler Ebene ist der Deal durchaus transformatorisch: „Auf Landesebene haben wir die Beschäftigtenzahlen und das Geschäft dadurch in etwa verdoppelt. Das erfordert Integrationsarbeit“, sagt Lulay. Seit Oktober steht die neue Managementstruktur, vom Jahresstart 2024 an sollen alle rechtlichen Einheiten unter GFT firmieren. „Der Großteil der Integration ist wie geplant zum Jahresende abgeschlossen.“ Wie sich der Zukauf von Targens auf die EBT-Marge auswirken wird, die bei GFT 2022 bei 9% lag, kommuniziert das Unternehmen nicht.

Lulay charakterisiert GFT am M&A-Markt als „programmatischen Konsolidierer“. Finanziell ist Spielraum für Zukäufe vorhanden: Bei der Verschuldung hat Lulay sich eine Obergrenze des zweifachen bereinigten Ergebnisses vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (Ebitda) gesetzt, das im Geschäftsjahr 2022 bei 86 Mill. Euro lag. Derzeit liege die Verschuldung nahe null. „Das ergibt einen Spielraum von etwa 160 Mill. Euro, die wir aber nicht für einen einzelnen Deal nutzen würden“, sagt sie. Der Wohlfühlbereich liege bei Transaktionen im mittleren zweistelligen Millionen-Euro-Bereich.

Ich werde bis zur Ziellinie rennen.

Marika Lulay, GFT Technologies

Beim Ziel, die Kundenbasis breiter aufzustellen, sieht Lulay Fortschritte. Noch Mitte 2021 entfielen etwa 80% des Umsatzes auf Bankkunden, die Deutsche Bank und Barclays hatten dabei gemeinsam 17%. Inzwischen ist der Anteil der Kunden aus der Bankenbranche auf 73% abgeschmolzen, bei einem deutlich höheren Gesamtumsatz. 16% der Umsätze entfallen auf die Versicherungsbranche, 11% auf Industriekunden. Als Richtschnur gilt, dass Banken künftig etwa zwei Drittel des Umsatzes, Versicherungen 20% und Industriekunden 15% Umsatzanteil besteuern sollen. „Banking bleibt unser Hauptfokus und Kerngeschäft, wir wollen aber stärker in andere Bereiche diversifizieren“, erklärt Lulay das Ziel. Die Zahlen versteht sie dabei eher als Orientierung. „Wir werden in keinem der drei Bereiche Umsatz liegenlassen.“

Die weitere Entwicklung wird Lulay bald von der Außenlinie verfolgen. Die 61-Jährige hat vor wenigen Wochen bekanntgegeben, dass sie ihren Ende 2024 auslaufenden Vertrag nicht verlängern wird. Eine Blaupause für die Zeit danach habe sie nach insgesamt gut 20 Jahren im GFT-Vorstand noch nicht, sagt sie. Noch liege ihr voller Fokus auf dem Geschäft: „Ich werde bis zur Ziellinie rennen.“

Marika Lulay wurde im Juli 2002 Vorstandsmitglied bei GFT und verantwortete gut 15 Jahre lang als COO das operative Kerngeschäft. Seit Juni 2017 ist sie CEO. Ihren Vertrag will sie Ende 2024 auslaufen lassen.

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