Virus-Varianten

Impfstoff-Forscher fahren Nachtschichten

Mit Auftreten der Virusvariante Omikron intensivieren die Pharmakonzerne ihre Bemühungen, die Corona-Vakzine auf neue Mutationen anzupassen, sofern sie sich hier weniger wirksam zeigen.

Impfstoff-Forscher fahren Nachtschichten

swa Frankfurt

 Die im Süden Afrikas entdeckte Omikron-Variante des Coronavirus schickt die Impfstoff-Hersteller erneut ins Labor. Zu klären ist die entscheidende Frage, inwieweit die bisher zugelassenen Vakzine eine ausreichende Immunabwehr auch gegen die neu aufgetauchte Mutante aufbauen. Die von der Weltgesundheitsorganisation als „besorgniserregend“ eingestufte Virus-Variante weist eine ungewöhnlich hohe Zahl von Mutationen aus.

Wie gefährlich die Mutation ist, muss genauer untersucht werden. Der Virologe Christian Drosten hatte sich am Wochenende in einem ZDF-Interview höchst besorgt geäußert und erklärt, dass ihn Omikron mehr beunruhige als einst die Alpha- und Delta-Variante des Virus. Der Direktor des Instituts für Virologie an der Berliner Charité hebt hervor, dass die Gefahr bestehe, mit Omikron eine erste wirkliche Immunflucht-Mutante vor sich zu haben. Die anderen Mutanten bisher hätten diese Eigenschaft noch nicht so stark ausgewiesen. Damit sei das Risiko gegeben, dass überstandene Infektionen und womöglich auch die bisherigen Impfungen einen reduzierten Schutz bieten. Gegenwärtig sei jedoch nach wie vor die Delta-Variante das vorrangige Problem, mahnt der Virologe, weshalb schnellstmöglich die Impflücke geschlossen werden müsse – „denn wenn man gar nicht geschützt ist, möchte man auch die Omikron-Variante nicht treffen“, sagt Drosten.

Auch die EU-Behörde Europäisches Zentrum für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten (ECDC) spricht von ernsthaften Sorgen, dass die Variante die Wirksamkeit der Corona-Impfstoffe erheblich verringern und das Risiko von Reinfektionen erhöhen könnte. Die auf der mRNA-Technologie basierenden Impfstoffe gelten indes als Produkte, die relativ schnell auf neue Virusmutationen angepasst werden können. Biontech/Pfizer und Moderna, die Hersteller dieser Vakzine, haben entsprechende Untersuchungen unmittelbar nach Bekanntwerden der neuen Mutationen angekündigt.

Signifikante Unterschiede

Biontech hat nach eigenen Angaben bereits Tests mit der neuen Variante B.1.1.529 gestartet und rechnet spätestens in zwei Wochen mit ersten Erkenntnissen. Die Daten aus den Labortests würden Aufschluss geben, ob eine Anpassung des Impfstoffs erforderlich werde, wenn sich diese Variante international verbreite. Auch Biontech weist darauf hin, dass sich Omikron signifikant von bisher beobachteten Virus-Varianten unterscheidet, weil es zusätzliche Mutationen auf dem Spike-Protein aufweist – die Stelle, auf die Vakzine abzielen.

Gemeinsam mit dem US-Partner Pfizer habe das Mainzer Biotechunternehmen schon vor Monaten Vorbereitungen getroffen, um im Fall einer sogenannten Escape-Variante des Virus den Impfstoff innerhalb von sechs Wochen anzupassen und erste Chargen innerhalb von 100 Tagen auszuliefern. Dafür seien klinische Studien mit „variantenspezifischen Impfstoffen“ gestartet worden, um Daten zur Sicherheit und Verträglichkeit zu erheben. Diese könnten im Fall einer Anpassung bei den Behörden als Musterdaten vorgelegt werden.

Auch Moderna hat ihre Strategie zur Bekämpfung besorgniserregender Sars-CoV-2-Varianten aktualisiert, heißt es von dem US-Unternehmen. Moderna testet nach eigenen Angaben drei bestehende Covid-19-Auffrischungsimpfstoffkandidaten gegen die Omikron-Variante. Die Gesellschaft kündigt zudem einen neuen variantenspezifischen Impfstoffkandidaten gegen Omikron an (mRNA-1273.529)

„Wir haben von Anfang an betont, dass wir bei der Bekämpfung der Pandemie unbedingt proaktiv handeln müssen, wenn sich das Virus weiterentwickelt. Die Mutationen in der Omikron-Variante sind besorgniserregend und seit einigen Tagen arbeiten wir so schnell wie möglich an der Umsetzung unserer Strategie zur Bekämpfung dieser Variante“, sagt CEO Stéphane Bancel.

Drei Ansatzpunkte

Moderna prüfe drei Ansatzpunkte gegen die neue Variante. Zunächst einen höher dosierten Booster des eingeführten Vakzins Spikevax. Darüber hinaus untersuche das Unternehmen zwei multivalente Booster-Kandidaten, die schon in der klinischen Entwicklung sind. Diese seien darauf ausgelegt, Mutationen zu antizipieren, wie sie in der Omikron-Variante aufgetaucht seien. Die Daten würden in den kommenden Wochen erwartet. Drittens bringe Moderna einen Omikron-spezifischen Booster-Kandidaten (mRNA-1273.529) rasch voran.

Der Entwickler des AstraZeneca-Impfstoffs gegen Corona, Andrew Pollard, geht bislang nicht von einem dramatischen Neuanfang der Pandemie durch die neue Variante Omikron aus. „Es ist sehr unwahrscheinlich, dass es in einer geimpften Bevölkerung einen Neustart der Pandemie wie im letzten Jahr geben wird“, sagte Andrew Pollard, Immunologe von der Universität Oxford, am Samstag in einem BBC-Interview. Man müsse einige Wochen warten, um sichere Ergebnisse zu haben, es gebe jedoch Anlass zur Hoffnung, dass die Impfstoffe gegen schwere Erkrankungen weiterhin wirken würden. AstraZeneca ist mit einem sogenannten Vektor-Impfstoff gegen Corona im Markt.

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