Investoren wollen Vorständen die Hände schütteln
Im Gespräch: Katryna Krueger
Investoren wollen Vorständen die Hände schütteln
Die Head of German Research von ISS Governance bemängelt, dass nur noch ein Drittel der Dax-Konzerne ihre Hauptversammlung in Präsenz abhält
Die Hauptversammlungssaison ist fast vorbei. Zeit für ein Fazit. Das fällt für Katryna Krueger, Head of German Research bei ISS Governance, durchwachsen aus. Sie stellt eine mangelnde Bereitschaft vieler Konzerne fest, in Präsenz zu tagen. Und sie kritisiert fehlende Verbesserungen bei den Vergütungsmodellen der Vorstände.
Von Daniel Schnettler, Frankfurt
Während der Corona-Zeit war die virtuelle Hauptversammlung ein Segen: So konnten sich Vorstände und Aktionäre selbst dann austauschen, als das gesellschaftliche Leben zum Erliegen gekommen war. Doch jetzt, zwei Jahre nach dem offiziellen Ende der Pandemie, möchten Investoren dem Management wieder persönlich begegnen.
„Viele Investoren wünschen sich hybride Formate“, sagt Katryna Krueger im Gespräch mit der Börsen-Zeitung. „Sie können sich vor Ort direkt mit den Vorständen und Aufsichtsräten austauschen – haben aber die Möglichkeit der virtuellen Teilnahme, wenn die Zeit knapp ist. Diese Flexibilität wäre zeitgemäß.“ Damit ließe sich auch das Problem umgehen, dass sich die HV-Termine im Mai ballten.

Als Head of German Research bei ISS Governance analysiert Krueger im Auftrag von institutionellen Investoren, wie die Aktionärstreffen ablaufen und gibt Empfehlungen für das Abstimmungsverhalten. „Präsenzveranstaltungen werden von manchen Vorständen als wenig produktiv empfunden, sondern eher als gesellschaftliches Event angesehen“, sagt sie.
Diese Beobachtung lässt sich durch Zahlen untermauern: Zwei Drittel der Dax-Konzerne hat nach einer ISS-Auswertung ihre Hauptversammlung in diesem Jahr virtuell abgehalten. Im Vergleich zu 2024 sind damit kaum Unternehmen zur Präsenz zurückgekehrt. Eine aus ISS-Sicht löbliche Ausnahme ist die Commerzbank, die zuvor fünf Jahre lang nur virtuell getagt hatte. Wobei die Bank sich offengehalten hat, wieder zum virtuellen Format zurück zu wechseln.
Eine Frage der Kosten
Anders sieht es bei MDax- und SDax-Unternehmen aus. Hier veranstaltet eine Mehrheit ihre HV in Präsenz. „Je kleiner ein Unternehmen ist, desto seltener hält es eine virtuelle Hauptversammlung ab“, sagt Krueger. Grund sind nicht zuletzt die hohen Kosten für die Aufnahme- und Übertragungstechnik, die einer Fernsehproduktion in nichts nachstehen. Für größere Unternehmen hingegen ist es oft günstiger, virtuell zu tagen als riesige Hallen zu mieten und die Aktionäre zu verpflegen.

Die institutionellen Investoren ließen Kostenargumente jedoch nicht gelten, wie Krueger in ihren Gesprächen feststellt. Denn die Hauptversammlung sei das wichtigste Forum für die Wahrnehmung von Aktionärsrechten. Da sollte es aus Investorensicht „nicht vorrangig um die Frage der Kosten gehen“.
Unternehmen können entscheiden
Richtig ist aber auch: Die Entscheidung über die Form der Hauptversammlung liegt im Ermessen des Managements – sofern eine entsprechende Ermächtigung durch die Aktionäre vorliegt. Diese muss spätestens alle fünf Jahre erneuert werden. „Von 150 Anträgen auf eine virtuelle HV sind nur drei abgelehnt worden: Siemens, Tui und Artnet", stellt ISS-Expertin Krueger fest.
Ihrer Ansicht nach sollten Unternehmen aber sehr genau beobachten, wie stark der Gegenwind der Aktionäre ausfällt – selbst bei letztlich positiv beschiedenen Anträgen. Denn die Frage, ob eine virtuelle HV abgehalten wird, sorgt mit für die meisten Nein-Stimmen auf den Hauptversammlungen.

Den größten Widerstand ruft indes weiterhin die Bezahlung der Vorstände hervor, wie ISS Governance anhand der Abstimmungsergebnisse in dieser Hauptversammlungssaison analysiert hat. „Einige der größten deutschen Unternehmen haben sich bei der Vergütung ihren US-Wettbewerbern angenähert“, sagt Krueger.
Von den untersuchten Vergütungssystemen im Dax sind laut ISS ein Drittel ungenügend oder mangelhaft, im SDax ist es mehr als die Hälfte. Der MDax liegt dazwischen. „Die Vergütungssysteme haben sich aus Aktionärssicht im Vergleich zum Vorjahr nicht wesentlich verbessert, teilweise sogar verschlechtert."