Corporate Governance

Kodex-Anpassungen stoßen auf Kritik

Die Bemühungen, Nachhaltigkeit stärker im Regelwerk für gute Unternehmensführung zu verankern, finden Zustimmung im Kreis der Stakeholder, doch es gibt Vorschläge, noch griffiger zu formulieren.

Kodex-Anpassungen stoßen auf Kritik

swa Frankfurt

 Die geplanten Anpassungen zur stärkeren Verankerung von Nachhaltigkeitsthemen im Deutschen Corporate Governance Kodex treffen auf breite Ablehnung bei Verbänden und Investorenvertretern. Bemängelt werden begriffliche Unklarheiten, ein mit Blick auf laufende Regulierungsvorhaben vorschnelles Agieren sowie unflexible Vorgaben für die Unternehmen. Dies geht aus Stellungnahmen hervor, die nach Ablauf der Konsultationsfrist veröffentlicht wurden. Die Kodexkommission unter Vorsitz von Rolf Nonnenmacher will sich am 4. April mit den eingegangenen Kommentaren befassen.

Wettrennen der Regulierer

Der Emittentenverband Deutsches Aktieninstitut (DAI), der auch die Geschäftsstelle der Kodex-Kommission beheimatet, moniert, dass die angedachten Änderungen insgesamt „sehr hohe formale Anforderungen an die Unternehmen“ vorsehen. Diese könnten in Widerspruch stehen zu anderen, oftmals noch nicht vollendeten gesetzlichen Vorgaben. Die Kodex-Kommission sollte aus Sicht des DAI darauf achten, „mit ihren Empfehlungen den relevanten europäischen und deutschen Gesetzgebungsverfahren nicht vorschnell vorzugreifen beziehungsweise über bestehende gesetzliche Regelungen hinauszugehen“. Es erscheine nicht sinnvoll, Empfehlungen zu geben, die bereits im kommenden Jahr aufgrund laufender Gesetzgebungsverfahren wieder anzupassen wären, heißt es vom DAI.

Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) begrüßt es, dass der Kodex viele Ziele des EU-Richtlinienentwurfs hinsichtlich der Nachhaltigkeitsberichterstattung von Unternehmen (CSRD) bereits aufgreife. Allerdings lege der Kodex den Fokus zu sehr auf die Unternehmensberichterstattung und vernachlässige, dass auch die Erwartungen hinsichtlich der Nachhaltigkeit der Corporate Governance allgemein gestiegen seien.

Der DGB hält die geplanten Anpassungen insgesamt für einen wichtigen, aber noch zu zaghaften Schritt in Richtung Nachhaltigkeit. Die Rechte der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer müssten mit Blick auf soziale Nachhaltigkeit stärker berücksichtigt werden. Kodex-Änderungen mit Blick auf die Mitbestimmung hält der DGB für angebracht.

Dass der Kodex sein Nachhaltigkeitsprofil schärfen will, wird in den Kommentierungen überwiegend begrüßt. Einzelne Kritiker befürchten, dass ökologische und soziale Ziele auf Kosten der Rentabilität gehen könnten. Hier stoßen sie sich an der Vorstellung der Kodex-Kommission, dass Unternehmen wirtschaftliche, ökologische und soziale Ziele in einem ausgewogenen Verhältnis umsetzen und die Interessen von Aktionären und anderen Stakeholdern zum Ausgleich bringen sollen. Hier wird aus Sicht des Investorenverbands DVFA ein „Gleichklang der Interessen stipuliert“, der von der herrschenden juristischen Auslegung des Aktienrechtes nicht getragen werde.

Das Gesetz stelle ökologische und soziale Ziele nicht auf eine Stufe mit dem Gebot der dauerhaften Verfolgung angemessener Rentabilität. Auch der Anwalt Robert Weber, Partner der Kanzlei Dentons, sieht die Gefahr „einer einseitigen Überbetonung von Nachhaltigkeitsbelangen“.

Die Kodex-Kommission wird auch aufgefordert, die Nachhaltigkeitsanforderungen präziser zu formulieren. Aus Sicht des DAI ist unklar, welche Kriterien herangezogen werden können, um zu bemessen, ob wirtschaftliche, ökologische und soziale Ziele in einem ausgewogenen Verhältnis umgesetzt werden. Aus Sicht der Schmalenbach-Gesellschaft für Betriebswirtschaft ist der Terminus Nachhaltigkeit im Kodex insgesamt nicht eindeutig definiert. Der Arbeitskreis deutscher Aufsichtsrat (Adar) hält es für essenziell, unternehmensspezifische Gegebenheiten zu berücksichtigen und klarzustellen, dass die Abwägung der einzelnen ESG-Ziele immer (zunächst) vom Unternehmen vorgenommen werde müsse.

ESG-Expertise gesucht

Kritisch hinterfragt wird auch der Kodex-Vorschlag, wonach das Kompetenzprofil des Aufsichtsrats auf jeden Fall Expertise zu den für das Unternehmen bedeutsamen Nachhaltigkeitsfragen umfassen soll. Die Deutsche Börse unterstützt dieses Anliegen, möchte es aber „ausdrücklich nicht als Postulat für den/die ESG-Experten*in im Aufsichtsrat verstehen“. Die Nachhaltigkeitskompetenz und vor allem das Nachhaltigkeitsbewusstsein des Aufsichtsrats würden gerade davon profitieren, dass verschiedene Gremienmitglieder mit unterschiedlichen Hintergründen hier Teilaspekte beitrügen, meint die Deutsche Börse.

Eigener Ausschuss?

Die Fondsgesellschaft DWS hält es dagegen für richtig, einen für ESG zuständigen Experten im Aufsichtsrat eindeutig zu benennen. Der Stimmrechtsberater Ivox Glass Lewis regt sogar an, im Kodex die Einrichtung eines separaten ESG-Ausschusses zu empfehlen.

Für den Arbeitgeberverband BDA indes ist nicht ersichtlich, warum das Thema Nachhaltigkeit „eine derart herausgehobene Stellung haben soll, welche dem Aufsichtsrat ausdrücklich einzelne Überwachungsaufgaben im Hinblick auf die neuen Empfehlungen“ zuschreibe.