Biotech

Mehr als zwei Milliardäre gesucht

Die deutsche Biotechbranche erhofft sich mit den Impfstofferfolgen eine Verbreiterung der Investorenbasis über die beiden Family Offices der Gebrüder Strüngmann und SAP-Gründer Dietmar Hopp hinaus.

Mehr als zwei Milliardäre gesucht

swa Frankfurt

 Die Erfolge von Biontech und Moderna in der Entwicklung von Impfstoffen haben jungen Biotechfirmen weltweit hohe Aufmerksamkeit verschafft. „Es gibt eine völlig veränderte Wahrnehmung der Branche in der Öffentlichkeit und bei Investoren“, sagt Alexander Nuyken, Partner der Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft EY, bei der Bekanntgabe des neuen Biotechnologie-Reports 2021. Die Rahmenbedingungen hätten sich indes nicht verbessert, teilweise seien regulatorische Hürden verschärft worden – etwa durch Ausweitung der Investitionskontrolle. Mit dem Fokus auf Impfstoffe und deren gezielte staatliche Förderung seien andere therapeutische Ansätze auf der Strecke geblieben, gibt der Life-Science-Experte von EY zu bedenken.

Die Studie zeigt ein Jahr der Rekorde für die deutsche Biotech. Deren Marktkapitalisierung ist 2020 um 110% auf knapp 50 Mrd. Euro geklettert, wobei die Mainzer Biontech allein ein Drittel davon ausmacht, der Tübinger Wettbewerber Curevac kommt auf knapp ein Viertel. Mit Curevac und Immatics sind zwei deutsche Biotechfirmen 2020 an die Börse gegangen; sie entschieden sich beide für ein Listing an der US-Technologiebörse Nasdaq.

Die Finanzierung der deutschen Biotech ist 2020 auf einen neuen Rekordwert gestiegen mit insgesamt gut 3 Mrd. Euro. Mehr als die Hälfte davon geht auf Kapitalaufnahmen von Curevac und Biontech zurück. Es gibt immer noch keinen größeren Kreis an Geldgebern, der in die Branche investiert. Die Unternehmen könnten sich aber „nicht nur auf ein paar Milliardäre verlassen“, mahnt Nuyken mit Blick auf die Alleinstellung der ehemaligen Hexal-Eigner Gebrüder Strüngmann sowie SAP-Gründer Dietmar Hopp als dauerhaft engagierte Biotech-Investoren.

Bei der Aufnahme von Risikokapital sticht Curevac hervor, die in Summe 560 Mill. Euro einsammelte, darunter eine Staatsbeteiligung von 300 Mill. für die Entwicklung eines Covid-Impfstoffs – die Zulassung erwartet das Tübinger Unternehmen noch im zweiten Quartal dieses Jahres. Zusammen erhielten die deutschen Biotechfirmen 2020 gut 880 Mill. Euro an Venture Capital, das sind 84% mehr als im Vorjahr. Nennenswerte Finanzierungsrunden außerhalb von Corona-Projekten gelangen Atai Life Sciences mit knapp 82 Mill. Euro, T-Knife mit 66 Mill. und Catalyn mit 50 Mill. Euro. Als positives Signal ordnet es Nuyken ein, dass die Größe der Finanzierungsrunden zugenommen habe, auch wenn man die staatlichen Mittel für die Impfstoffentwicklung herausnehme. Auch dann seien im Schnitt pro Runde knapp 31 Mill. generiert worden nach zuvor 24 Mill. Euro.

Mit Blick auf Allianzen und Erwerbe dominieren wenige große Deals. Affimed, Morphosys, Immatics, Curevac und Biontech haben sich EY zufolge die größten Allianzverträge gesichert. Größte Biotech-Übernahme in Deutschland war der Erwerb des Hepatitis-Spezialisten Myr Pharmaceuticals durch den US-Konzern Gilead für 1,45 Mrd. Euro.

Aus Sicht von Oliver Schacht, Vorstandsvorsitzender des Branchenverbands Bio Deutschland, ist es entscheidend, die Gründungsdynamik in der Biotech zu erhöhen. Dies müsse mit einer Verbesserung der Rahmenbedingungen für die Wachstumsfinanzierung einhergehen. Die Wahrnehmung der Biotech als Schlüsseltechnologie müsse politisch gewollt und von dieser Seite auch unterstützt werden.

Wertberichtigt Seite 6