So wenig AktienÂemissionen wie seit 27 Jahren nicht mehr
cru Frankfurt
Das Umfeld erscheint schlecht fĂŒr einen Rekordbörsengang wie den der Porsche AG. Die AktivitĂ€t an den AktienneuemissionsmĂ€rkten ist in der ersten HĂ€lfte des Jahres 2022 auf ein Rekordtief gefallen â wĂ€hrend gleichzeitig die Aktien börsennotierter Unternehmen weltweit 13 Bill. Dollar an Wert verloren, weil der Technologiesektor abstĂŒrzte. Steigende Energiepreise und Sorgen um die Lieferketten haben die Inflation auf ein Niveau getrieben, das seit vielen Jahren nicht erreicht wurde. Das wiederum hat die Zentralbanken veranlasst, von einer lockeren Geldpolitik zur aggressiven Straffung ĂŒberzugehen.
âAngesichts der Tatsache, dass die Aktienindizes im Jahresvergleich um mehr als 20â% gefallen sind â ein BĂ€renmarkt â und der VolatilitĂ€tsÂindex Vix (auch ,Angstbarometerâ genannt) ĂŒber weite Strecken des Jahres ĂŒber 20 lag, ĂŒberrascht es nicht, dass das Volumen der europĂ€ischen BörsengĂ€nge von den schwindelerregenden Höhen des Jahres 2021 rasch zurĂŒckgegangen istâ, fasst Bastian Schiedat, Head of Continental European Equity Syndicate bei Berenberg, die Lage zusammen. Inzwischen ist der Vix auf 27,6 gestiegen. Alle Werte oberhalb von 20 gelten als ungĂŒnstig fĂŒr ein IPO.
âObwohl die Anzahl der Transaktionen deutlich geringer war, konnten wir einige interessante SchlĂŒsse ziehenâ, sagt Schiedat. So schrumpfte das globale Aktienemissionsvolumen â das neben BörsengĂ€ngen auch die Kapitalerhöhungen umfasst â in der ersten JahreshĂ€lfte um fast zwei Drittel auf 217 Mrd. Dollar. In Europa wurden in der ersten JahreshĂ€lfte bei 116 Transaktionen 34 Mrd. Euro aufgenommen â ebenfalls ein RĂŒckgang um zwei Drittel gegenĂŒber dem Vorjahreszeitraum. Damit war die erste HĂ€lfte 2022 das ruhigste erste Halbjahr seit 27 Jahren.
In Deutschland dĂŒmpelte das GeschĂ€ft mit BörsengĂ€ngen und Kapitalerhöhungen (ECM) laut Refinitiv in den ersten neun Monaten mit 4,4 Mrd. Dollar auf dem niedrigsten Niveau in diesem Jahrtausend. Im Vergleich zum Vorjahr ist das ein Minus von 85%. Der gröĂte HoffnungstrĂ€ger, der Börsengang des Sportwagenbauers Porsche AG , ist in den Zahlen noch nicht enthalten. WĂ€hrend es in Europa nur 14 BörsengĂ€nge mit einem Volumen von mehr als 50 Mio. Euro gab, haben sie den Anlegern im Durchschnitt 17â% Kursgewinn eingebracht. Diese positive Entwicklung wird verdeckt von den Turbulenzen bei den BörsengĂ€ngen des vergangenen Jahres: 91â% der 2021er BörsengĂ€nge an der Nasdaq wurden zur Jahresmitte 2022 unter dem Ausgabepreis gehandelt. Die Kurse europĂ€ischer IPOs aus dem Jahr 2021 sind bis Mitte 2022 im Durchschnitt um 24â% gefallen.
Bei den Aktienemissionen fĂŒhren Unternehmen in Bereichen wie Verteidigung, erneuerbare Energien, natĂŒrliche Ressourcen und Finanzwerte das Feld an. âDer Vorhang fĂŒr ECM hat sich zwar noch nicht ganz geschlossen, aber das Drehbuch fĂŒr 2022 wurde umgeschriebenâ, sagt Schiedat. Ob das Porsche-IPO zum Eisbrecher wird, bleibt abzuwarten. Als Kandidaten gelten jedenfalls die United-Internet-Webhosting-Tochter Ionos und die Thyssenkrupp-Wasserstoff-Tochter Nucera.