Remco Westermann, MGI

„Unsere Akquisitions­politik wird restriktiver“

Der Onlinespiele-Anbieter Media and Games Invest (MGI) hat über viele Jahre aggressiv akquiriert. Nach Aussage von CEO Remco Westermann wird MGI nun „angesichts der drohenden Rezession restriktiver“ vorgehen.

„Unsere Akquisitions­politik wird restriktiver“

Von Martin Dunzendorfer,

Frankfurt

Media and Games Invest (MGI), nach Beschreibung von Chairman, CEO und Großaktionär Remco Westermann eine „Werbe-Software-Plattform mit eigenem First-Party Games Content“, wächst seit Jahren nicht nur organisch, sondern auch maßgeblich durch Übernahmen. Seit Anfang 2016 hat der Onlinespiele-Anbieter fast 40 Unternehmen oder Unternehmensteile akquiriert. In diesem Jahr gab es bisher zwei Käufe – zuletzt im zweiten Quartal den spanischen Spieleentwickler Axes in Motion, für den mindestens 55 Mill. Euro und in Abhängigkeit von der Ebitda-Performance (Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen) bis zu 165 Mill. gezahlt werden.

Doch im Gespräch mit der Börsen-Zeitung kündigt Westermann ein zumindest vorübergehendes Ende dieser Kaufoffensive an, die bislang drei bis fünf Übernahmen pro Jahr vorsah. „Unsere Akquisitionspolitik wird angesichts der drohenden Rezession restriktiver, und damit verschiebt sich der Fokus auf organisches Wachstum“ – zumal, wie der MGI-Chef sagt, „die Bewertungen zwar runtergegangen, aber immer noch relativ hoch sind“. Westermann betont jedoch, dass das Unternehmen „weiter opportunistisch Chancen nutzen“ werde.

Während aber früher schon mal Objekte mit größerem Restrukturierungsbedarf gekauft wurden, weil sie gut zum Geschäftsgeflecht von MGI passten, lässt Westermann nun durchblicken, dass Assets, die eine größere Strecke bis zu einer für MGI akzeptablen Effizienz und Profitabilität vor sich hätten, vorerst nicht mehr in Frage kommen.

Mittelfristziele übertroffen

MGI ist dabei, das vierte Jahr in Folge die mittelfristigen Ziele zu übertreffen. Und die sind beachtlich: ein jährliches Wachstum zwischen 25 und 30% sowie Margen zwischen 25 bis 30% (Ebitda) bzw. 15 bis 20% (Ebit). Natürlich haben die Umsatzsprünge mit den zahlreichen Akquisitionen zu tun, doch das Unternehmen wächst auch organisch zweistellig, wie Westermann unterstreicht.

Nach der Übernahme von Axes in Motion wurde die Prognose für 2022 heraufgeschraubt. Das Erlösziel von 295 bis 315 Mill. Euro entspräche einem Plus von 17 bis 25% im Vergleich zum Vorjahr. Das bereinigte Ebitda wird auf 83 bis 93 Mill. Euro geschätzt, was zu einem Anstieg um 17 bis 31% führen würde. Nach dem ersten Quartal, das zusammen mit dem Schlussviertel jedes Jahres das stärkste ist, war MGI auf Kurs. Die Quote des Umsatzwachstums lag bei 27% (organisch: 18%) und die bereinigte Ebitda- bzw. Ebit-Marge bei 27% und 21%. Die Zahlen belegen, dass MGI auch nach Überschreiten der Pandemie-Spitze kräftig wächst. Das war nach den Ausnahmejahren 2020 und 2021 nicht selbstverständlich, denn das Unternehmen hatte als Onlinespiele-Anbieter durch Lockdowns und andere Einschränkungen von Freizeitbeschäftigungen stark von der Corona-Ausbreitung profitiert.

Das Geschäft von MGI basiert zum großen Teil auf einer Software-Plattform für Gaming im Internet, die Spieler in der Regel gratis nutzen können. Dadurch erhält das Unternehmen als Erstanbieter umfangreiches Datenmaterial über die Spieler; registriert seien mehr als 100 Millionen. Einnahmen erzielt MGI vor allem durch das Schalten von Online-Anzeigen anderer Unternehmen auf den verschiedenen Seiten, denn mithilfe der Spielerdaten von MGI können Werbetreibende ihre Kundenakquise effizienter angehen.

Das Angebot an Spielen und die Nutzerzahl können sich sehen lassen: MGI bietet mehr als 5000 eigene Spiele an, und im ersten Quartal besuchten dem Zwischenbericht zufolge im Schnitt 250 Millionen User pro Tag die MGI-Plattform mit den angeschlossenen Publishern. Nach Unternehmensangaben taten das 57% über das Smartphone und 29% über einen Desktop.

Zwei Drittel in Nordamerika

Zuletzt machte MGI zwei Drittel des Umsatzes in Nordamerika und ein Fünftel in Europa. 13% entfielen auf den Rest der Welt. „In Nordamerika haben wir das größte Umsatzpotenzial“, sagt Westermann, „aber auch in Europa und Asien können wir uns weitere kleine Akquisen vorstellen“. Das geringere Erlöspotenzial in Europa führt der MGI-Chef auf die starke Reglementierung von Online-Gaming-Anbietern durch die EU bzw. die einzelnen Länder zurück.

Auch was bestimmte Börsenplätze in Europa angeht, glaubt Westermann, Vorbehalte gegenüber Online-Unternehmen zu spüren. „Digitale Unternehmen haben an den deutschen Börsen einen schweren Stand“, sagt er. „Hiesige Investoren stehen immer noch auf Stahl und Steine.“

MGI, die ihren Sitz noch in Maltas Hauptstadt Valletta hat, diesen aber bis Anfang 2023 nach Schweden verlegen will, ist seit Juli 2020 im Scale-Segment der Frankfurter Börse notiert; zuvor war die Aktie im Basic Board (Freiverkehr) gelistet. Seit Oktober 2020 ist MGI auch an der Börse Nasdaq First North Premier in Stockholm notiert. Das Börsensegment in der schwedischen Hauptstadt verfüge „über ein breites und sehr gut entwickeltes Gaming-Cluster“, freut sich Westermann.

Darüber hinaus gebe es dort „viele Investoren, die mit der Gaming-Branche vertraut sind“. Nach Stockholm zu gehen sei „der richtige Schritt“ gewesen. „Über eine längere Zeitspanne betrachtet, finden drei Viertel unserer Börsenumsätze in Schweden statt“, sagt der MGI-Chef.

Anleihen vorzeitig getilgt

Bekannter als MGI ist in Deutschland die Tochter und einstige Keimzelle Gamigo. Der Onlinespiele-Anbieter hatte 2018 eine 50-Mill.-Euro-Anleihe mit Laufzeit bis Ende 2022 platziert. Dieser Bond, der an der Nasdaq Stockholm notiert war, wurde Ende 2021 vorzeitig und vollständig zurückgezahlt. Möglich wurde dies durch die Ausgabe einer Anleihe durch die Mutter MGI im Jahr 2020 in Höhe von 350 Mill. Euro. Dieser Bond ist ebenfalls an der Nasdaq Stockholm und am Open Market der Frankfurter Börse notiert und wird Ende 2024 getilgt; die Anleihe wird jährlich mit dem 3-Monats-Euribor plus 5,75% verzinst. Im Juni dieses Jahres hat das Unternehmen eine Anleihe über 175 Mill. Euro zu 98% des Nennwertes emittiert; sie ist mit einem variablen Kupon von Euribor plus 6,25% ausgestattet. Anfangs sei nur ein Volumen von 125 Mill. Euro angestrebt worden, doch aufgrund der hohen Nachfrage sei die Emission um 50 Mill. aufgestockt worden.

Da den Angaben zufolge gleichzeitig Anleihen der 2020er Emission im Wert von 115 Mill. Euro zurückgekauft wurden, so dass bei diesem Bond nur noch 235 Mill. Euro ausstehen, blieben netto 60 Mill. übrig. Diese Summe wird nach Aussage Westermanns für Akquisitionen sowie allgemeine Unternehmenszwecke wie Investitionen in organisches Wachstum verwendet. Im Zusammenhang mit der Anleiheemission und dem Rückkauf fungierte Pareto Securities als Finanzberater; als Rechtsberater holte MGI Gernandt & Danielsson Advokatbyrå und Baker McKenzie an Bord.

Der Anteil Westermanns an MGI, die an der Börse insgesamt mit 363 Mill. Euro bewertet wird, ist in den vergangenen Jahren auf 26% gesunken. Wie er jedoch betont, habe er keine Aktien verkauft; es handle sich um Verwässerungseffekte infolge mehrerer Kapitalerhöhungen. Neben Westermann halten noch zwei Vermögensverwalter über 3% an MGI: Oaktree Capital Management (13%) und Janus Henderson Investors (4%). Der Rest von 57% befinde sich im Streubesitz, wobei Westermann darauf hinweist, dass zahlreiche Assetmanager – u. a. Blackrock, Skandia Fonder und Columbia Thread­needle – Anteile halten, die unter der Meldeschwelle von 3% liegen.

Für Dividendenjäger ist MGI das falsche Investment. Trotz der Überschüsse und des stark steigenden freien Cashflows stellt Westermann klar, dass zunächst nicht daran gedacht sei, Dividenden auszuschütten. „Wie investieren unser Geld lieber in profitables Wachstum.“

Analysten raten zum Kauf

Für die Analysehäuser GBC, First Berlin Equity Research und Warburg Research ist die MGI-Aktie jeweils ein „Kauf“, auch wenn die Kursziele jüngst drastisch zurückgenommen wurden: von 9,40 auf 5,75 Euro (GBC), von 8,20 auf 4,40 Euro (First Berlin) und von 9,55 auf 4,00 Euro (Warburg). Aktuell kostet die MGI-Aktie rund 2,43 Euro.

Die Analysten Marcel Goldmann und Cosmin Filker von GBC begründen ihre heftige Kurszielsenkung mit den gesenkten Prognosen für 2023 und 2024 und der damit verbundenen niedrigeren Ausgangsbasis für die nachfolgenden Schätzperioden. Zudem hätten sich die in ihren Kalkulationen erhöhten Kapitalkosten kurszielmindernd ausgewirkt. Wie Goldmann und Filker jedoch betonen, „sollte es MGI durch ihre gute Marktposition auch zukünftig gelingen, als Ad-Tech-Plattform mit eigenem Games-Content sehr dynamisch und hochprofitabel zu wachsen“.

Analyst Ellis Acklin von First Berlin hat u. a. seine Prognosen für 2023 gesenkt, „um dem zunehmenden Gegenwind des Marktes Rechnung zu tragen“. Er verweist darauf, dass Marktanalysten ihre Erwartungen für die weltweiten Werbeausgaben reduzieren und der Technologiesektor zyklisch sei. Acklin unterstreicht, „dass MGI das richtige Geschäftsmodell im richtigen Markt hat und dass es sich lediglich um eine zyklische Abschwächung handelt“.

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