Mitbestimmung

Arbeitnehmervertreter nehmen bei Thyssenkrupp Fehdehandschuh auf

Unter Rechtfertigungszwang: Nachdem Betriebsrat und Gewerkschaft mit rüden Worten auf den Teilverkauf der Stahlsparte reagiert haben, versucht der Vorstand von Thyssenkrupp, sein Vorgehen ins rechte Licht zu rücken.

Arbeitnehmervertreter nehmen bei Thyssenkrupp Fehdehandschuh auf

Fehdehandschuh aufgehoben

Im November hatte der Aufsichtsrat von Thyssenkrupp die Aufstockung des Vorstands gegen den Willen der Mitbestimmung durchgeboxt. Nun droht der nächste Eklat.

Von Annette Becker, Düsseldorf

Nach den rüden Wortmeldungen aus Gewerkschafts- und Betriebsratskreisen versucht der Vorstand von Thyssenkrupp den am Freitag verkündeten Anteilsverkauf an der Stahlsparte ins rechte Licht zu rücken und die Deutungshoheit zurückzugewinnen. Doch was sich auf den ersten Blick wie eine Rechtfertigung liest, kann auch als Kampfansage an die Mitbestimmung gesehen werden. Für Dienstag hat die IG Metall zu einer Protestkundgebung vor der Duisburger Thyssenkrupp-Verwaltung aufgerufen.

Gewerkschaft und Betriebsrat von Thyssenkrupp hatten am Freitag mit Überraschung und Empörung auf die Mitteilung reagiert, dass die Beteiligungsholding EP Corporate Group des tschechischen Milliardärs Daniel Křetínský mit 20% in die Stahlsparte des Konzerns einsteigt. Die Nachricht über die Beteiligung von EPCG sei überraschend gekommen. Die Mitbestimmung sei nur wenige Stunden vor der Öffentlichkeit über die Entscheidung unterrichtet worden. „Das ist kein guter Stil und kein guter Start“, kritisierte Jürgen Kerner, stellvertretender Aufsichtsratsvorsitzender von Thyssenkrupp.

Vorstand versucht, Wogen zu glätten

Knut Giesler, seines Zeichens Bezirksleiter der IG Metall in Nordrhein-Westfalen, setzte dem noch eins drauf: „Konzeptlosigkeit wird durch Pressemitteilungen nicht besser“, lautete sein Vorwurf. Rote Linien, die nicht überschritten werden dürften, seien die im Zukunftstarifvertrag für die Stahlsparte vereinbarten Investitionszusagen, der bis 2026 geltende Verzicht auf betriebsbedingte Kündigungen sowie Standortgarantien.

In der Erklärung am Montag versucht der Vorstand nun die Wogen zu glätten: Die Arbeitnehmervertretung und die Gewerkschaft seien zu keinem Zeitpunkt übergangen worden, erklärt der Vorstand. Allen Beteiligten sei seit langem bekannt, dass Thyssenkrupp mit EPCG über eine 50:50-Partnerschaft verhandele. Ziel sei ein Zukunftskonzept für die Stahlsparte, das betriebsbedingte Kündigungen vermeide und breite Akzeptanz finde.

Zudem sei den Arbeitnehmervertretern in der vorigen Woche signalisiert worden, dass die Verhandlungen weit fortgeschritten seien. „Die Überraschung über die Ergebnisse dürfte sich aus den genannten Gründen in Grenzen gehalten haben“, heißt es spitz. Zugleich sei aus der Mitteilung am Freitag klar hervorgegangen, dass die Erweiterung des Gesellschafterkreises „keinerlei Einfluss auf die bestehenden Betriebsvereinbarungen und Tarifverträge“ habe. Der Dialog mit den Gremien und den Arbeitnehmervertretern sei „ein ganz entscheidendes Element“.

Offener Schlagabtausch

Es ist beileibe nicht das erste Mal, dass sich Arbeitnehmervertreter und Anteilseigner im Aufsichtsrat von Thyssenkrupp einen offenen Schlagabtausch liefern. Die Aufforderung zum Machtkampf hatte die Kapitalseite erst im November ausgesprochen. Damals hatte der Vorsitzende des Kontrollgremiums, Siegfried Russwurm, von seinem Doppelstimmrecht Gebrauch gemacht, um die Aufstockung des Vorstands gegen den Willen der Mitbestimmung durchzuboxen.

Auch den Einstieg von Křetínský muss der Aufsichtsrat noch absegnen. Die dazugehörige Sitzung findet am 23. Mai statt. Es sollte nicht verwundern, müsste Russwurm erneut zu diesem dem Aufsichtsratschef vorbehaltenen Notinstrument greifen. Für die Partnerschaft mit EPCG wäre das kein gutes Omen.

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