Logistikbranche im Wandel durch US-Handelskonflikte
Logistikkonzerne über Zollstreitfolgen uneinig
DHL: erhebliche negative, aber auch positive Auswirkungen – DSV: bei Bedarf Kapazitäten anpassen – Hapag-Lloyd: US-Zölle wiegen besonders schwer
Die Vorstände der Logistikkonzerne DHL, DSV und Hapag-Lloyd äußern sich unterschiedlich zu den Wirkungen des von US-Präsident Donald Trump entfachten Zoll- und Handelsstreits. Während man bei DHL recht entspannt wirkt und der dänische Rivale DSV die Probleme eher bei den Kunden sieht, scheint sich die Containerreederei Hapag-Lloyd mitten im Sturm zu befinden.
md Frankfurt
Unternehmen aus der Logistikbranche werden je nach Geschäftsschwerpunkt und regionaler Aufstellung unterschiedlich stark von den Folgen des Zoll- und Handelsstreits getroffen, die US-Präsident Donald Trump entfacht hat.
Die DHL-Gruppe (ehemals: Deutsche Post) hat nach eigener Darstellung nur relativ wenig internationales Geschäft, in dem die USA entweder Importeur oder Exporteur sind. Vorstandschef Tobias Meyer gab sich in einem Videocall mit Journalisten am Rande der Zahlenvorlage für das erste Quartal zu dem Thema recht entspannt. „Das wirtschaftliche Umfeld im ersten Quartal 2025 war durch die US-Zoll- und Handelspolitik und eine allgemeine wirtschaftliche Zurückhaltung geprägt", räumte er ein. Zugleich machte er darauf aufmerksam, dass 75% des Welthandels ohne den Im- oder Exporteur USA stattfänden. Dennoch: „Die Handels- und Lieferketten werden komplexer.“ Davon könnte DHL jedoch profitieren.

Die vom gedämpften weltweiten Handelsvolumen besonders stark betroffenen DHL-Divisionen sind Express (zeitgenaue internationale Sendungen) und – in geringerem Maße – Global Forwarding, Freight (Warentransport über Schiene, Straße, den Luft- und Seeweg). In diesen beiden Geschäftsbereichen würde sich ein globaler Konjunkturabschwung am deutlichsten auswirken; so würden nicht genutzte Kapazitäten im Express-Netzwerk – etwa Frachtflugzeuge – die Marge belasten.
Im ersten Quartal erwirtschaftete Express allerdings ein Ergebnis vor Zinsen und Steuern (Ebit), das mit 662 Mill. Euro (plus 4,8%) die Konsensschätzung der Analysten deutlich übertraf. Dagegen fiel das operative Ergebnis in Global Forwarding, Freight mit 202 Mill. Euro (minus 23%) spürbar schlechter aus als erwartet.

Die beiden anderen DHL-Divisionen – Supply Chain (Kontraktlogistik und Lager-Dienstleistungen) und E-Commerce (inländische Pakettransporte ohne Deutschland) – blieben mit einem Ebit von 268 Mill. (plus 4,8%) bzw. 52 Mill. Euro (minus 9,2%) im Rahmen der Erwartungen. Das frühere Kerngeschäft des Unternehmens, der Bereich Post & Paket Deutschland (PPD), erwirtschaftete mit 281 Mill. Euro 45% mehr als in der Vorjahreszeit; Finanzchef Melanie Kreis verwies zur Erklärung des starken Anstiegs auf die schwachen Vorjahreszahlen und Einmalfaktoren (Portoerhöhung, Bundestagswahl). Der Anspruch, dass die Division im Gesamtjahr mindestens 1 Mrd. Euro Ebit zeigen müsse, um so die Investitionen in PPD finanzieren zu können, wurde vom Vorstand wiederholt deutlich gemacht.
Umsatz und Ergebnis legen zu
Konzernweit stieg der Umsatz von DHL im ersten Quartal 2025 im Vergleich zur Vorjahreszeit um 2,8% auf 20,8 Mrd. Euro. Das operative Ergebnis legte um 4,5% auf 1,37 Mrd. Euro zu. Die Bruttoinvestitionen (Capex) beliefen sich den Angaben zufolge auf 461 (i.V. 483) Mill. Euro. „Das effektive Kosten- und Ertragsmanagement sowie die Capex-Kontrolle des Konzerns trugen zum Anstieg des Free Cashflow (ohne M&A) um 17,4% auf 732 Mill. Euro bei“, teilte DHL mit. In Summe erwirtschaftete die Gruppe im ersten Jahresviertel ein Nettoergebnis nach nicht-beherrschenden Anteilen von 786 Mill. Euro und damit 6,2% mehr als in der Vorjahreszeit.
Um Wachstumspotenziale zu entfalten, setzt DHL auf fünf Initiativen: Life Sciences & Healthcare, Neue Energien, den Fokus auf 20 Länder mit besonders großen Wachstumschancen, E-Commerce und Digital Sales. Im ersten Quartal hätten sieben der 20 von DHL identifizierten Länder mit großem Potenzial ein zweistelliges Wachstum erreicht, sagte Meyer. Zudem verwies der CEO auf jüngst getätigte Übernahmen, die das Wachstum in den fünf Feldern beschleunigen sollen.
Die Jahresprognose wurde bestätigt. Danach wird mit einem operativen Ergebnis (Ebit) von mindestens 6 Mrd. Euro und einem Free Cashflow (ohne M&A) von etwa 3 Mrd. Euro gerechnet. Der Vorstand wies jedoch darauf hin, dass in der Guidance „die potenziellen Effekte aus Änderungen in der Zoll- und Handelspolitik, die erhebliche negative, aber auch positive Auswirkungen auf die DHL Group haben könnten“, nicht berücksichtigt sind.
„Potenzielle Nachfragerisiken“
Etwas weniger entspannt beurteilt das Management des dänischen DHL-Wettbewerbers DSV, der am Mittwoch den Vollzug der Übernahme des Logistiker Schenker von der Deutschen Bahn bekanntgab, den Zoll- und Handelsstreit. „Die aktuelle geopolitische Lage (...) und das globale Handelsumfeld, insbesondere potenzielle Nachfragerisiken aufgrund der angekündigten Handelszölle, bleiben unsicher", hieß es. „Unvorhergesehene Änderungen könnten sich auf unsere Finanzergebnisse auswirken“, warnte der Vorstand. "Wir (...) werden bei Bedarf Kapazitäten und unsere Kostenbasis anpassen.“
Laut CEO Jens Lund sei der Zollstreit aber vor allem „ein sehr großes Thema für unsere Kunden, bei denen die möglichen Folgen von finanziellen Einbußen bis zum Risiko der Geschäftsaufgabe reichen." Vollbeladene Schiffe würden in chinesischen Häfen festsitzen, denn Im- und Exporteure warten gemäß Lund auf die Ergebnisse, die die Verhandlungen über Zölle zwischen Vertretern der USA und anderen Ländern erbrächten.
Mittelfristig bestehe die Möglichkeit, so der DSV-CEO, dass es wegen des Handelsstreits in den USA zu steigender Inflation und sogar einer Rezession komme. Nichtsdestotrotz sei Lund davon überzeugt, dass sich die Märkte langfristig erholen werden. Das Handelsvolumen werde auf lange Sicht weiter steigen, „aber vielleicht mit verlangsamter Geschwindigkeit“.
27 Prozent vom Ladungsaufkommen
Deutschlands größte Containerreederei Hapag-Lloyd, weltweit die Nummer 5 der Branche, sieht sich mitten im Sturm der US-Zollpolitik. Vorstandschef Rolf Habben Jansen sagte laut Reuters am Mittwoch auf der virtuellen Hauptversammlung, 22% des globalen Containerverkehrs stünden im Zusammenhang mit den USA. Beim Ladungsaufkommen von Hapag-Lloyd seien es 27%. „Vor diesem Hintergrund wiegen US-Zölle besonders schwer.“
Hapag-Lloyd ist auf den Nordamerika-Linien traditionell stark vertreten. „Sowohl die weiterhin angespannte Situation im Roten Meer als auch der weltweite Handelskonflikt könnten die Angebots- und Nachfragesituation in der Containerschifffahrt und damit auch die Ergebnisentwicklung von Hapag-Lloyd erheblich beeinflussen“, teilte der Konzern mit.
Wegen Angriffen jemenitischer Huthi-Rebellen auf Handelsschiffe im Roten Meer meidet Hapag-Lloyd das Seegebiet und den angrenzenden Suezkanal seit Monaten. Die Schiffe werden um die Südspitze Afrikas – das Kap der guten Hoffnung – umgeleitet, was Kosten und Fahrzeiten erhöht, aber auch die Frachtraten in die Höhe getrieben hat.
Im Handelsstreit zwischen den USA und China habe die Reederei Stornierungen aus der Volksrepublik verzeichnet, wie ein Sprecher laut Reuters kürzlich erklärt habe, aber auch starkes Nachfragewachstum aus Thailand, Kambodscha und Vietnam verzeichnet.
„Wen Sie einen so großen Baum schütteln, fällt die ein oder andere Nuss auch in den Garten des Nachbarn."
Tobias Meyer, Vorstandschef von DHL, zur Übernahme von DB Schenker durch den Wettbewerber DSV
Wie DSV mitteilte, würden sich durch die Übernahme von Schenker die Synergien Ende 2028 auf 9 Mrd. dkr (1,2 Mrd. Euro) jährlich belaufen. Diese Prognose berücksichtige die gegenwärtigen Unsicherheiten aufgrund von Handelskonflikten, die sich insgesamt aber auch auf die Nachfrage und damit das DSV-Ergebnis niederschlagen könnten. DHL-Chef Meyer sieht die Übernahme von Schenker durch DSV gelassen: „Wen Sie einen so großen Baum schütteln, fällt die ein oder andere Nuss auch in den Garten des Nachbarn", sagte er.
Schenker wurde von der Deutschen Bahn für einen Unternehmenswert von 14,3 Mrd. Euro abgegeben. Der Logistiker war lange die Ertragsperle im sonst mit hohen Verlusten kämpfenden Bahn-Konzern. Dieser will sich mit der Transaktion stärker auf sein Kerngeschäft konzentrieren. DSV-Chef Lund erklärte: „Mit dieser Akquisition sind wir zu einem weltweit führenden Transport- und Logistikunternehmen geworden – in einer Zeit, in der globale Lieferketten mehr denn je im Mittelpunkt stehen.“
Die Schenker-Transaktion sei mittlerweile abgeschlossen, wie Bahn und DSV mitteilten. „Der Verkaufsprozess verlief nach Plan und konnte früher als vorgesehen erfolgreich beendet werden“, erklärte der deutsche Staatskonzern. Im September 2024 war der Vertrag dazu unterzeichnet worden. Bahn-Chef Richard Lutz sprach von der größten Transaktion in der Geschichte des Unternehmens. Der Verkaufserlös soll vollständig im Konzern bleiben und die Verschuldung deutlich reduzieren.
DSV peilt nach der Schenker-Übernahme 2025 einen bereinigten Betriebsgewinn zwischen 19,5 Mrd. und 21,5 Mrd. dkr an (2,6 Mrd. bis 2,9 Mrd. Euro) an. Im ersten Quartal fuhr das Unternehmen, das Fracht per Lkw, Schiff und Flugzeug befördert, einen bereinigten Betriebsgewinn von fast 3,9 Mrd. dkr ein (522 Mill. Euro) ein.