Thomas Toepfer

„Wir planen nicht mit Anlagen­schließungen“

Trotz des Gewinneinbruchs im dritten Quartal ist Covestro-Finanzchef Thomas Toepfer weit davon entfernt, ein Klagelied anzustimmen. Im Interview der Börsen-Zeitung erklärt er, warum Covestro die Energiekrise meistern wird.

„Wir planen nicht mit Anlagen­schließungen“

Annette Becker.

Herr Toepfer, Covestro ist deutlich pessimistischer geworden. Was hat sich seit dem Sommer verändert?

Ich würde nicht sagen, dass wir pessimistischer geworden sind. Wir haben unsere Guidance für das dritte Quartal erreicht und bestätigen die Prognose für das Gesamtjahr. Zugegeben: jeweils am unteren Ende. Im August haben wir die absolute Spitze bei den Energiepreisen gesehen. Die Megawattstunde Gas kostete über 300 Euro, bei Strom war es das Doppelte davon. Das hat uns im dritten Quartal belastet. Inzwischen haben sich die Preise aber wieder etwas normalisiert. Seither hat sich die Situation positiv entwickelt. Aber sicherlich hat uns die absolute Spitze im August überrascht.

Wie ist Ihre Einschätzung bezüglich der künftigen Nachfrageentwicklung?

Wir sehen jetzt sehr viel deutlicher, dass die Inflation die Wirtschaft stark bremst beziehungsweise die Zentralbanken massiv gegensteuern, um die Erwartungen wieder einzufangen. Das bremst die Wirtschaft aus. In Europa kündigt sich nach meiner Einschätzung schon eine Rezession an. In den USA tut die Fed alles, um eine Landung hinzubekommen. Wie weich oder hart die Landung ausfällt, darüber lässt sich trefflich spekulieren. Das hat aber zur Folge, dass sich die Nachfrage vor allem in den konsumnahen Bereichen abschwächt. Insgesamt sehen wir einem schwächeren Umfeld entgegen. Das Gute ist, dass wir in allen Regionen einer der wettbewerbsfähigsten Anbieter sind. Wenn sich die Energiekosten in Europa auf erträglichem Niveau einpendeln, können wir die Situation gut meistern.

Sie sprechen im Chancen- und Risikobericht explizit davon, dass es mittel- bis langfristig zur Schließung von Produktionsanlagen in Europa kommen könnte. Können Sie das einordnen?

Im Risikobericht sind alle mög­lichen Dinge aufzuführen, sei ihre Eintrittswahrscheinlichkeit auch noch so gering. Im Augenblick laufen alle unsere Anlagen, wenn auch nicht alle auf Volllast. Einzige Ausnahme ist die TDI-Anlage in Dor­magen. Das ist aber rein technisch bedingt. Um es klar zu sagen: Wir planen nicht mit Anlagenschließ­ungen.

Dennoch geht eine gewisse Signalwirkung davon aus, wenn man das Szenario in den Risikobericht aufnimmt. Wie passt das mit der Strategie von Covestro zusammen, in der Region für die Region zu produzieren?

Unsere Strategie ist und bleibt, dass wir aus den Märkten für die Märkte produzieren. Dafür muss aber sichergestellt sein, dass sich die Energiekosten auf einem vernünftigen Niveau bewegen. Im August war das kurzzeitig nicht der Fall. Seither hat sich die Situation aber wieder deutlich normalisiert.

Es ist nachvollziehbar, dass die Industrie die Politik mit Blick auf die Energiepreise in die Pflicht nimmt. Aber alle europäischen Wettbewerber sind ja mit den gleichen Energiepreisen konfrontiert. Wieso belastet das also die Wettbewerbsfähigkeit?

Wenn die Situation eintritt, dass es billiger ist, in einer anderen Regionen zu produzieren und sich der Import trotz Transportkosten und Zöllen noch rechnet, dann hat Europa als Standort ein Problem. Die chemische Industrie hat deutlich gemacht, wie wichtig es ist, die Standortfaktoren in Europa intakt zu halten. Das hat die Politik meiner Einschätzung nach auch verstanden.

Die Nettoverschuldung ist signifikant gestiegen. War das so geplant, und wie passt das mit dem Aktienrückkaufprogramm zu­sammen?

Zwischen dem zweiten und dritten Quartal hat sich die Nettoverschuldung kaum verändert. Der Anstieg ist die Folge der Rohstoffpreise, die durch die Decke gegangen sind und eine Menge Geld binden. Im vierten Quartal wollen wir aus dem Working Capital wieder einen positiven Cashflow generieren. Wir werden Vorräte teilweise reduzieren und die Forderungen und Verbindlichkeiten eng managen.

Gleicht es nicht einer Gratwanderung, wenn man in einer Situation mit gestörten Lieferketten die Vorräte reduziert?

Das ist so. Aber die Lieferkettenthematik hat sich aus unserer Sicht wieder entspannt, und außerdem muss man die Vorräte an die Nachfragesituation anpassen. Wenn wir für 2023 nicht von einer boomenden Wirtschaft ausgehen, muss man natürlich auch ein adäquates Vorratsniveau haben. Das steuern wir gerade aus.

Nach der Sommerpause sollte die Entscheidung zum Standort für die neue MDI-Anlage fallen. Die Wahl fällt zwischen China und den USA. In welche Richtung geht es?

Zum Jahresende wollen wir eine Entscheidung treffen und kommunizieren. Manches spricht für den einen, manches für den anderen Standort.

Das Interview führte

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