SAP

Auf Nadellas Spuren

Der Softwarekonzern SAP hat ein paar raue Monate hinter sich. In dem Dreivierteljahr, das CEO Christian Klein allein an der Konzernspitze steht, wurde der Walldorfer Softwarekonzern kräftig umgekrempelt. Allein im Vorstand sind drei Ab- und...

Auf Nadellas Spuren

Der Softwarekonzern SAP hat ein paar raue Monate hinter sich. In dem Dreivierteljahr, das CEO Christian Klein allein an der Konzernspitze steht, wurde der Walldorfer Softwarekonzern kräftig umgekrempelt. Allein im Vorstand sind drei Ab- und Neuzugänge zu vermelden. Der eigentliche Wandel fand allerdings nicht in der Führungsetage statt, sondern bei der grundlegenden strategischen Ausrichtung des Konzerns. Aus einem mehr oder weniger präferenzfreien Angebot von Lizenz- und Cloudsoftware wird ein ­klarer Fokus auf den Service aus der Datenwolke. Der Schwenk war nötig, wenn man sich die Aufteilung der Kunden der Unternehmenssteuerungssoftware S/4 Hana vor Augen hält. Von 8700 Kunden, die das 2015 auf den Markt gebrachte ERP-System erworben haben, nutzen bislang nur 2000 die Cloudversion, die seit Februar 2017 vertrieben wird.

Das kann zufriedenstellen, wenn man die Ansicht vertritt, dass die Cloud nur eine von mehreren Bereitstellungsformen ist, so wie mancher Autohersteller die E-Mobilität lediglich als eine weitere Antriebsart definiert. Der Vorstand von SAP ist mittlerweile offenbar zu einer anderen Einschätzung gelangt. Auch weil die hybride Welt der vergangenen Jahre die Kundenzufriedenheit hat erodieren lassen. Dass Klein zuletzt eine engere Partnerschaft mit Microsoft vereinbart hat und zwei ehemalige Managerinnen des weltgrößten Konzerns in den Vorstand locken konnte, ist kaum zufällig. Denn wenn es eine Transformationsgeschichte gibt, die dem SAP-Chef als Vorbild dienen kann, dann ist es die des Softwarekönigs aus Redmond.

Nicht einmal 280 Mrd. Dollar war Microsoft wert, als Satya Nadella den glücklosen Konzernchef Steve Ballmer ablöste. Schlimmer noch: Das Unternehmen war auf dem absteigenden Ast. Die Bedeutung des PC-Betriebssystems Windows nahm ab, weil einerseits immer mehr über den Browser erledigt werden konnte und andererseits Smartphones bei Privatanwendern auf gutem Weg waren, den klassischen PC zu überholen. Microsoft hatte bei den mobilen Betriebssystemen indes längst den Anschluss verloren. Auch Nadellas später Versuch, hier noch aufzuholen, scheiterte kläglich. Ähnliches drohte bei der Bürosoftware Office. Bei dieser sanken die Einnahmen, weil die Menschen immer seltener ihren alten PC ersetzten und das genutzte Office-Paket auf dem alten Gerät schließlich noch ausreichend gut lief. Die Lösung war ein radikaler Wechsel auf die Cloud – mit Office 365, aber auch der Cloudplattform Azure. Zudem nahm sich Microsoft umfassender Digitalisierungsprojekte ihrer Kunden an. Heute nimmt der damals angestaubte Traditionssoftwarekonzern eine Schlüsselrolle für die Digitalisierung zahlreicher Industrieunternehmen, aber auch bei Dienstleistern, Bildungseinrichtungen und Behörden ein. An der Börse bringt Microsoft mehr als 1,8 Bill. Dollar auf die Waage – eine Versechsfachung seit Nadellas Amtsantritt vor sieben Jahren.

Für Klein dient Microsofts Weg als Blaupause für die Verwandlung von Europas größtem Softwareunternehmen in einen angesagten Cloudkonzern. Das neue, in der vergangenen Woche vorgestellte Angebot „Rise with SAP“ zielt genau in diese Richtung. Es bietet den Kunden mehr oder weniger alles für ihre digitale Transformation in der Cloud – aus einer Hand, mit einem Ansprechpartner. Die Komplexität und die Entwicklungsgeschwindigkeit in der Informationstechnologie haben selbst viele Großkonzerne zurückgelassen. Deshalb vertraut Ford seine Fahrzeug-IT demnächst komplett Google an. Und deshalb setzt Daimler auf eine enge Partnerschaft mit Nvidia. Statt einzelne IT-Produkte zusammenzukaufen, in der Hoffnung, dass sich aus den Einzelteilen ein stimmiges Ganzes formen lassen wird, setzen Unternehmer derzeit lieber auf starke Systempartner.

Als solcher Partner will Klein SAP quasi unersetzlich machen und damit auf Dauer noch viel erfolgreicher als bislang. Das Problem der Walldorfer ist, dass zu Beginn der Transformation erst einmal ein Tal zu durchschreiten ist – sowohl beim Umsatz, wo sich der Verkauf von S/4-Hana-Lizenzen schneller niederschlägt als neue S/4-Hana-Cloudverträge, als auch beim Ergebnis, wo die niedrigere Marge der Clouddienste bremst. Einen Vertrauensvorschuss, dass der Wandel schon klappen wird, wollen die Investoren sichtbar nicht gewähren. Ein Trost für Klein dürfte sein, dass es auch für Nadella nicht von Beginn an nur nach oben ging. Erst als die Strategie griff, zog auch der Aktienkurs nach. Dann aber umso mehr.    (Börsen-Zeitung,