Aufsicht stimmt auf turbulentere Zeiten ein
Aufsicht stimmt auf turbulentere Zeiten ein
BaFin rät Finanzinstituten, Abhängigkeiten und Verwundbarkeiten zu analysieren und abzubauen
Unsicherheit und Unruhe nimmt angesichts geopolitischer Krisen und der Politik Donald Trumps zu. Das geht auch nicht spurlos an den Finanzmärkten vorüber, wie die Verwerfungen in den vergangenen Wochen gezeigt haben. Alte Gewissheiten drohten zu verschwinden, sagt der Präsident der Finanzaufsicht BaFin.
fir/wbr Frankfurt
Die deutsche Aufsicht sieht turbulentere Zeiten für die Finanzbranche heraufziehen. Davon zeugten die Folgen geopolitischer Verwerfungen und der US-Handelspolitik ebenso wie schrumpfende Zinsüberschüsse und steigende Kreditausfallrisiken, wurde bei der Jahrespressekonferenz der BaFin am Mittwoch deutlich.
Diese Krise verlief anders
Ohne US-Präsident Donald Trump beim Namen zu nennen, der mit seiner erratischen Politik wiederholt Unruhe und Verwerfungen an den Finanzmärkten hervorgerufen hat, sprach BaFin-Präsident Mark Branson von der Auflösung alter Gewissheiten an den Finanzmärkten. Dass sich Investoren wie in schwierigen Zeiten in US-Staatsanleihen als sicherem Hafen flüchteten, sei zuletzt nicht mehr notwendigerweise der Fall gewesen. „Wir haben eine andere Art von Fluchtbewegung gesehen. Diese Krise hier ist anders“, sagte Branson.
So seien die Renditen der zehn- und 30-jährigen Bonds parallel zu Kurseinbußen am Aktienmarkt kräftig gestiegen. „Es gab eine ausgeprägte Rotation in kürzere Laufzeiten“, bemerkte Branson. „Der ,Flight to Quality` hat diesmal anders funktioniert, weil der Markt unter Quality etwas anderes versteht als zuvor. Das ist ein Paradigmenwechsel.“
Qualität neu definiert
Banken wie Aufseher müssten sich angesichts der neuen geopolitischen Begebenheiten fragen, wo Verwundbarkeiten bestehen und Analysen und Szenarien aufstellen, wie sie damit umzugehen gedenken. So sei die Abhängigkeit vom dollarbasierten globalen Währungssystem immens. In den vergangenen Monaten sei deutlich geworden, dass bei vielen Akteuren im Finanzmarkt ein Denkprozess in Gang gesetzt worden sei, wie sich Abhängigkeiten reduzieren lassen könnten. „Natürlich geht das nicht von heute auf morgen, andernfalls wäre das selbst eine Quelle von Instabilität“, gab Branson zu bedenken.
Inzwischen habe sich die Lage an den Finanzmärkten etwas beruhigt, wobei diese bisher gut funktioniert hätten. Die Preisfindung sei jederzeit möglich, die Liquidität gewährleistet gewesen, zudem seien keine Finanzinstitute ins Schleudern geraten. „Wir haben eine geordnete Unordnung erlebt“, resümierte der BaFin-Präsident.
Potenzial für Rückschläge
Für eine Entwarnung sei es jedoch zu früh. „Es besteht weiter ein erhebliches Potenzial für Rückschläge an den Märkten. Für Rückschläge mit möglicherweise systemweiten Auswirkungen", sagte Branson. "Die Unsicherheit ist und bleibt extrem hoch. Die Märkte sind nicht grenzenlos stabil.“ Grundsätzlich stellte der der BaFin-Präsident der hiesigen Finanzwirtschaft ein positives Zeugnis aus. Banken und Sparkassen seien „derzeit gut aufgestellt“, was er auch einer soliden Regulierung zugutehielt.
Umbruch als Chance
Und Branson bemühte sich, auch Hoffnung in diesen schwierigen Zeiten zu verbreiten. Der europäische Finanzsektor könne gestärkt daraus hervorgehen, befand er. Nötig sei es, die Resilienz des Sektors weiter zu stärken. Zugleich schrieb er der BaFin quasi ins Pflichtenheft, die Komplexität der Regulierung zu vermindern, die Aufsicht schneller und reaktionsfähiger zu machen und die Integration hin zu einem liquideren Finanzbinnenmarkt voranzutreiben. „Umbrüche bringen Chancen und Risiken mit sich. Es kommt darauf an, was wir daraus machen.“
Proportionalität stärken
Die BaFin will die Proportionalität in der Finanzaufsicht weiter stärken. Regulierung und Aufsicht sollten „angemessen und handhabbar“ für Unternehmen jeder Größe sein, sagte Branson. Bereits rund 950 kleinere Banken profitieren von den bereits Ende 2024 beschlossenen Erleichterungen bei Stresstests und Meldepflichten. Auch im Versicherungsbereich soll die Aufsicht praxisnäher werden. EBA-Leitlinien, etwa zu ESG-Anforderungen, werden bei kleinen Instituten nur teilweise übernommen – sie seien „zu granular“, so Branson.