Cum-ex-Strafprozess

Bedingungs­lose Kunden­zentrierung

Vor dem Landgericht Wiesbaden schildert der Angeklagte, wie er als Berater bei der HVB Himmel und Erde in Bewegung versetzte, um den milliardenschweren Investor Rafael Roth bei Laune zu halten.

Bedingungs­lose Kunden­zentrierung

Von Anna Sleegers,

zzt. Wiesbaden

Die besonders bei der Betreuung hochvermögender Privatleute von vielen Banken propagierte Praxis, den Kunden bedingungslos in den Mittelpunkt zu stellen, ist der HypoVereinsbank (HVB) in der Causa Cum-ex auf die Füße gefallen. So stellt es zumindest der frühere Kundenberater Andreas B. dar, der sich gegenwärtig vor dem Landgericht Wiesbaden wegen des Verdachts der Beihilfe zu schwerer Steuerhinterziehung verantworten muss und der am Donnerstag in einer Einlassung seine Sicht auf die lange zurückliegenden Ereignisse schilderte (Az. 6 KLs – 1111 Js 27125/12).

Die Anklage wirft B. und seinem früheren Kollegen Michael G. vor, den Fiskus für das Family Office des zwischenzeitlich verstorbenen Milliardärs Rafael Roth zwischen 2006 bis 2008 um rund 106 Mill. Euro erleichtert zu haben. Entwickelt haben soll die Strategie der abgetauchte Aktienhändler Paul Mora, nach dem international gefahndet wird, sowie der prominente Steueranwalt Hanno Berger, der als Steuerberater für Roth tätig war. Berger wurde kürzlich von der Schweiz ausgeliefert und wird sich in den kommenden Wochen ebenfalls vor dem Landgericht Wiesbaden sowie in einem anderen Verfahren vor dem Landgericht Bonn verantworten.

Hoher Zeitdruck

Der Angeklagte schilderte, wie er im Frühjahr 2006 nach einem Treffen mit Roth, Berger und Mora in Berlin innerhalb der HVB Himmel und Erde in Bewegung setzte, um einen Kreditantrag über 500 Mill. Euro zur Finanzierung der großvolumigen Wertpapiergeschäfte des hochkarätigen Kunden bewilligt zu bekommen. Dabei habe er unter immensem Zeitdruck gestanden, weil die Dividendensaison vor der Tür stand. Zudem sei Roth nicht der angenehmste Kunde gewesen: Er habe nicht vor Anrufen am Wochenende zurückgeschreckt, ihn angebrüllt und mit dem Wechsel zur Konkurrenz gedroht.

Das wollte B. natürlich vermeiden, denn der vor allem durch Immobiliengeschäfte in Berlin reich gewordene Investor passte dank eines frei verfügbaren Vermögens von mehr als 30 Mill. Euro genau ins Zielkundenprofil der damals gerade erst gegründeten HVB-Abteilung Family Offices. Ein direkter finanzieller Vorteil sei ihm daraus nicht erwachsen. Er sei jedoch ein Vertriebsmann und damals „wahnsinnig stolz“ auf das Geschäft gewesen, das er unbedingt habe machen wollen. Wie es funktioniert und woher der Profit kam, habe er sich nicht gefragt. Zuvor hatte bereits einer seiner späteren Vorgesetzten im Zeugenstand ausgesagt, dass er gar nicht erst versucht habe, die Transaktionen zu verstehen (BZ vom 25. Februar).

Geradezu blind verlassen haben will sich der Angeklagte dabei auch auf die Expertise Bergers, der nach seiner Darstellung damals einer der renommiertesten Steueranwälte Europas war. Als steuerlicher Laie hätte er dessen Aussagen niemals in Frage gestellt: „Das wäre ein bisschen so gewesen, wie wenn man heute Herrn Drosten trifft und glaubt, seine Thesen zur Corona-Pandemie widerlegen zu können.“