Digitalbank

Commerzbank reizt Potenzial der Comdirect nicht aus

Die Quickborner Tochter ihrer Eigenständigkeit zu berauben war eine fatale Fehlentscheidung des früheren Commerzbank-Vorstands. Schritt für Schritt wird die Entscheidung nun rückgängig gemacht.

Commerzbank reizt Potenzial der Comdirect nicht aus

Von Björn Godenrath, Frankfurt

Zu den vielen schlechten Entscheidungen des früheren Commerzbank-Vorstands um Martin Zielke und Michael Mandel gehörte der Entschluss, die börsennotierte Tochter Comdirect komplett an sich zu ziehen und sie damit ihrer freigeistigen Eingenständigkeit zu berauben. Die Comdirect war bekannt für ihre „ahead-of-the-Curve“-Mentalität und hatte sich mit ihren Wurzeln im Retail-Brokerage zu einer schicken Digitalbank gemausert. Damit war sie quasi das digitale Schnellboot von dem andere Großbanken all die Jahre immer geträumt hatten – und woran Goldman Sachs zum Beispiel mit ihrer Marke „Marcus“ nun zu scheitern droht.

Nach einer herzhaften Auseinandersetzung mit den Kleinaktionären fand dann im November 2020 die Verschmelzung auf die Konzernmutter statt. Seitdem ist die Comdirect nur noch „eine Marke der Commerzbank“, wie es behördlich korrekt heißt.

Und damit hat sich dann auch ein grauer Schleier um die farbenfrohe Direktbank gelegt. Die Quickborner haben schon an Visibilität verloren, was typischerweise das Schicksal von Eingliederungen ist. Auch geht in der Regel ein wenig die Dynamik verloren. Das ist auch bei der Comdirect festzustellen.

Zum einen haben Konkurrenten wie Trade Republic, die ihre Ursprünge in der Fintech-Garage der Quickborner hat, oder Scalable Capital der Comdirect bei einem Teil der junge Klientel den Rang abgelaufen. Letztere wirkte mit der öffentlichkeitswirksamen Partnerschaft mit Frank Thelen ein wenig unbeholfen. Der Investor ist Thelen eher umstritten als beliebt – und machte zuletzt mit einer miserablen Fonds-Performance von sich reden. Zum anderen bleiben vor allem Pannen im Gedächtnis, etwa die notorisch verspäteten Steuerbescheinigungen für die Comdirect-Kunden oder andere Störungen.

Dass auch bei der für 2022 geplanten Integration der Comdirect-IT nicht alles nach Plan läuft, machte bereits in den ersten Wochen des abgelaufenen Jahres die Runde. Im Frühjahr hieß es dann von der Konzernmutter, dass nun optional ein Teil der eigenen Kunden auf die Systeme der Tochter migriert werden könne. Und im Herbst stellte sich heraus, dass man es im Frontend und zum Teil auch in der Middleware bei getrennten Systemen belässt.

Die Commerzbank ist den Merger also mit eine fehlerhaften Prämisse angegangen. Einiges spricht dafür, dass die M&A-Strategen am Reißbrett die Synergien möglichst hoch angesetzt und die Umsetzungsrisiken ausblenden. Trotz allem, was seit dem Verschmelzungsbeschluss suboptimal lief, ist die Comdirect immer noch eine Perle. Dank des einträglichen Brokerages ist die über lange Jahre verlässliche Dividendenlieferantin sehr profitabel.

Dass die Digitalbank für mehr taugt als eine Nebenrolle im Retailbanking schwant wohl auch dem Konzernvorstand. CEO Manfred Knof räumte am Donnerstag unumwunden ein, dass die Entscheidung, das Comdirect-Angebot auszubauen, dem Wunsch der Kunden folgte.

Im Januar die Bereichsvorständin Sabine Schoon-Renné mit dem Ressort Digital Banking Comdirect die Verantwortung für die Comdirect übernommen. Das ist ein gutes Omen, kam sie doch 2016 aus dem Firmenkundensegment um Markus Beumer nach Quickborn und wirkte als Leiterin „Corporate Strategy“ an den goldenen Zeiten der Comdirect mit. An diese gilt es jetzt anzu­knüpfen.