19. Retail-Bankentag

„Die Filiale hat Zukunft, weil der Kunde es will“

Obwohl die Zahl der Bankfilialen sinkt, sei die Präsenz vor Ort ein Erfolgsfaktor, sagt Eva Wunsch-Weber, Chefin der Frankfurter Volksbank. Alte wie junge Menschen legten Wert auf das Filialangebot.

„Die Filiale hat Zukunft, weil der Kunde es will“

bn Frankfurt – Eine Lanze für die Filiale hat Eva Wunsch-Weber, Vorstandschefin der Frankfurter Volksbank, auf dem 19. Internationalen Retail-Bankentag in Frankfurt gebrochen. Ihrer Einschätzung nach dienen Zweigstellen einem Institut nicht nur als Visitenkarte im öffentlichen Raum, sondern zugleich als Stätte anspruchsvoller und damit ertragreicher Transaktionen.

Vor allem aber verwies Wunsch-Weber auf entsprechende Vorlieben der Kundschaft. „Die Filiale hat Zukunft, weil der Kunde es will.“ So gäben in Umfragen nur 20% der Befragten als Präferenz an, sämtliche Bankgeschäfte digital zu erledigen; 60% zögen derweil die Kombination aus digitalem Banking und Besuchen in der Filiale vor.

„Unser Gesicht in der Welt“

Auf der von Börsen-Zeitung und Diebold Nixdorf veranstalteten Tagung setzte sie damit nicht nur einen Kontrapunkt zur Frankfurter Sparkasse (siehe Bericht auf dieser Seite), sondern zur Praxis in Deutschlands Bankensektor generell, in dem die Zahl der Filialen seit Jahren stetig sinkt.

In Orten, in denen keine sonstige Infrastruktur mehr existiert, hält auch Wunsch-Weber den Betrieb von Filialen nicht für sinnvoll. Andernorts hingegen kommt Zweigstellen ihrer Meinung nach ein großer Wert als Aushängeschild zu. Dies gelte sowohl für junge als auch für ältere Kunden, allerdings auf verschiedene Weise. So gäben Ältere in Erhebungen an, dass sie einem Institut, dessen Personal sie im persönlichen Kontrakt in der Filiale überzeuge, auch seine digitale Transformation zutrauten. Jüngere bekundeten dagegen, falls schon die Filiale nicht sympathisch wirke und etwa schon Geschäfte am Geldautomaten zu viel Zeit in Anspruch nähmen, dränge sich ihnen der Eindruck auf, dass eine Bank auch in ihre technische Kompetenz nicht allzu viel investiere und eine Direktbank daher eine gute Alternative wäre. Wunsch-Weber: „Die Filiale ist unser Gesicht in der Welt für das, für was wir stehen. Wollten wir im Internet eine ähnliche Sichtbarkeit erreichen – unser Budget würde dazu nicht reichen.“

Darüber hinaus ist die Zweigstelle laut Wunsch-Weber der Ort, an dem Kunden die bedeutenden Geschäfte anbahnen. Auch jüngere Menschen suchten Filialen auf, um dort wichtige Entscheidungen über ihre Finanzen vorab zu besprechen, bevor sie diese träfen, sagte Wunsch-Weber. Daraus folge, dass die Filiale Zukunft habe, wenn Banken in diese investierten, denn der Kunde verbinde die Filiale mit der Frage seiner Wertschätzung. Tatsächlich aber habe der Bankensektor seine Filialen in den vergangenen Jahren eher verwaltet, als sich zu fragen, wie man diese gestalten könne.

Als dritten Faktor für die Zukunftsfähigkeit der Filiale nannte Wunsch-Weber daher, dass Banken diese „neu denken“. Dabei sollte das papierlose Büro kein Zukunftstrend, sondern vielmehr Startpunkt der Überlegungen sein. Beispielhaft hob sie die in Kooperation mit der Taunus Sparkasse betriebenen und jeweils aus Filialen beider Häuser entstandenen „Finanzpunkte“ hervor. Auf diese Weise habe die Volksbank 50 bis 60% ihrer Kosten gesenkt, 26 Filialen neu gestaltet, ihre Präsenz um vier Standorte ausgebaut und die Kundenfrequenz in all diesen Zweigstellen erhöht. Wunsch-Weber: „Es zahlt sich aus, wenn eine Bank zeigt, dass sie innovativ ist.“ Zu Überlegungen, die Kooperation mit der Taunus-Sparkasse auszuweiten oder sie auf andere Institute auszudehnen, ließ sie sich auf Anfrage nicht in die Karten schauen.

„Es winkt Beratungsbedarf“

Nicht zuletzt habe die Filiale auch deshalb Zukunft, weil „wir sonst kein Multikanal-Angebot haben“, argumentierte sie. Neobanken sähen dies naturgemäß anders, da sie ein additives Geschäftsmodell verfolgten und nicht als Allrounder im Banking anträten. Ein Vollsortimenter im Massengeschäft muss ihren Angaben zufolge allerdings im Netz und in der Filiale zugleich präsent sein. „Wir haben die Nachhaltigkeit mitzugestalten“, rief sie dem auch digital zugeschalteten Publikum zu: „Ich glaube, das wird rein digital nicht gehen. Es winkt Beratungsbedarf. Und wo sonst soll dieser denn abgebildet werden?“

Nur mit Hilfe des kompletten analogen und digitalen Angebots würden Banken Lösungen für komplexe Fragen anbieten können. Wunsch-Weber prognostiziert, dass das Nebeneinander von Filial- und Digital-Bankgeschäft noch auf Sicht von fünf bis zehn Jahren Bestand haben wird. Überhaupt relativierte die Managerin die Bedeutung der Neobanken. Die neuen Wettbewerber vereinigten bundesweit zwar 2 Millionen Konten auf sich, erläuterte sie. Bundesweit gebe es aber 100 Millionen, von welchen rund 30 Millionen auf den Genossenschaftssektor entfielen. Zudem nutzten zwar 91% der Kunden vor Bankgeschäften eine Google-Suche.

Gerade größere Bankgeschäfte aber würden überwiegend noch immer persönlich abgeschlossen. Die Kunst der Omnikanal-Beratung sei daher für Beschäftigte die große Herausforderung. Nicht zuletzt dienten Filialen dabei auch als Backup-System. Denn Kunden, die das digitale Angebot nutzten, stellten zuweilen viele Fragen.

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