Neue digitale Technologien im Finanzsektor

Ein Quantum Risiko

Quantencomputer gelten als nächste technologische Revolution und als ein „Gamechanger“. Die Aufsicht ist allerdings auch zunehmend alarmiert über die Gefahren für das Finanzsystem.

Ein Quantum Risiko

Ein Quantum Risiko

Neue digitale Technologien stellen Finanzsektor und Aufsicht in den nächsten Jahren vor gehörige Herausforderungen – Regulatorische Roadmap fehlt noch

Von Andreas Heitker, Berlin

Dass der weltgrößte Vermögensverwalter Blackrock in einem aktuellen Börsenprospekt für einen Bitcoin-ETF ausdrücklich vor den Gefahren von Quantencomputern warnt, die in Zukunft möglicherweise Netzwerke von Kryptowährungen entschlüsseln können, hatte vor einigen Wochen international für Aufmerksamkeit gesorgt. Dabei steht das Problem bei Fachleuten längst ganz oben auf der Agenda. „Quantum Computing könnte die gesamte IT-Sicherheit weltweit gefährden“, warnte in dieser Woche Günther Welsch, der beim Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) das Department Crypto Technology leitet.

Die nächste technologische Revolution

Bei einer von BaFin und Bundesbank veranstalteten Tech-Konferenz in Berlin stellte Welsch fest, ein Weckruf, jetzt zu handeln, sei richtig, komme aber „fast schon zu spät“. Denn von IBM und anderen Unternehmen kommt mittlerweile die Ansage, dass es die berüchtigten Quantencomputer, über die schon so lange gesprochen wird, noch in dieser Dekade tatsächlich geben wird. Insbesondere den Finanzsektor stellen diese dann wohl „vor ein grundlegendes Problem“, wie Mark Branson, der Präsident der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin), mit Blick auf die derzeit etablierten Verschlüsselungsverfahren feststellte. Schon heute würden Kriminelle Daten stehlen, um sie dann später einmal mithilfe von Quantencomputern zu entschlüsseln. „Die Risiken des Quantum Computing sind keine Zukunftsmusik. Sie sind heute schon relevant“, warnte Branson auf der Konferenz.

Eine regulatorische Roadmap gibt es in Deutschland und Europa für das Thema Quantum Computing noch nicht. Die EU-Kommission bemüht sich, die absehbare nächste technologische Revolution nicht zu verschlafen und hofft noch, dass Europa eine führende Rolle im globalen Wettlauf um Quantentechnologien einnehmen kann. Brüssel würde gerne eine vollständige heimische Wertschöpfungskette sehen – von Forschung über Produktion bis zur industriellen Anwendung.

Quantencomputer im Fokus

Das Thema Regulierung ist noch weit weg. Ohnehin, so sagen Kritiker, werden die Tech-Zyklen immer kürzer. Die Gesetzgeber könnten da nicht mithalten, wie auch die jüngsten EU-Regulierungen rund um KI und Krypto gezeigt hätten.

In der Finanzwirtschaft und den zugehörigen Institutionen bereitet man sich aber schon lange auf die Disruptionen der neuen Deep-Tech-Ära vor. In der Bundesbank gibt es seit 2019 ein Quantum-Team, das schon verschiedene Projekte initiiert hat und in Kürze noch weiter aufgestockt werden soll. Deutschland und Europa hätten Stärken in den Bereichen KI, Quantentechnologie und Cybersicherheit, sagt Esther Recktenwald, IT Managing Director der Bundesbank. „Wir müssen jetzt aber wirklich ins Handeln kommen – schneller, mutiger und kollaborativer.“ Dies sei auch eine Führungsaufgabe und nicht nur eine technologische Herausforderung, so Recktenwald.

Gelingt der EU der entscheidende Schritt?

„Wir dürfen uns bei der Quantentechnologie innerhalb der EU nicht fragmentieren, sondern müssen auf gut abgestimmte Programme und eine enge Zusammenarbeit der Mitgliedsstaaten setzen“, sagt auch Bitkom-Präsident Ralf Wintergerst. Quantentechnologie habe das Potenzial, Branchen grundlegend zu verändern und internationale Wettbewerbsfähigkeit neu zu definieren. Anders als in der Vergangenheit könne es bei dieser Technologie gelingen, Europas wissenschaftliche Führungsrolle frühzeitig in eine wettbewerbsfähige Industrie zu überführen, ist Wintergerst optimistisch.

Auch BaFin-Chef Branson stellt klar, dass er nicht nur die Risiken, sondern auch die „gigantischen Chancen“ sehe, die das Quantum Computing mit sich bringen wird. „Wir wollen nicht bremsen. Aber technologische Entwicklungen dürfen nicht auf Kosten der Finanzstabilität gehen“, stellt er klar. Branson sagt, es sei der BaFin daher wichtig, „dass die Unternehmen des Finanzsektors bei diesem Thema eine gewisse gesunde Paranoia entwickeln“. Banken und andere Finanzdienstleister müssten die Risiken sehr ernst nehmen – „und spätestens heute damit beginnen, sich vorzubereiten“.

KI-Regeln in Umsetzung

In der deutschen Politik ist man derweil dabei, erst einmal die europäische KI-Verordnung weiter umzusetzen. Die Durchführungsgesetze des AI Acts, nach der unter anderem die Bundesnetzagentur neben der BaFin eine entscheidende Rolle in der Aufsicht erhalten soll, sind in Berlin in Arbeit. Die Netzagentur bereitet sich bereits seit einem Jahr auf ihre neue Aufgabe vor, die auch in die Finanzwirtschaft hineinstrahlt. Ziel ist dabei auch, eine EU-weit konsistente Umsetzung der KI-Regeln zu unterstützen. Quanten-Regulierung ist auch hier noch längst kein Thema.

Im Datenraum Seite 24

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