Matthias Schellenberg, Apobank

„Es gab keine strategischen Differenzen“

Die Leitplanken für die Neuausrichtung der Apobank stehen. Bis die Nachwehen der missglückten IT-Migration überwunden sind, wird aber noch einige Zeit vergehen, wie Vorstandschef Matthias Schellenberg im Gespräch darlegt.

„Es gab keine strategischen Differenzen“

Von Annette Becker, Düsseldorf

Die Deutsche Apotheker- und Ärztebank (Apobank) schafft es nicht, aus den Schlagzeilen herauszukommen. Dabei hätte die größte genossenschaftliche Primärbank der Republik, die seit März von Matthias Schellenberg geführt wird, auch ohne öffentlich ausgetragene Querelen im Vorstand genug zu tun. „Ich bin mit dem klaren Auftrag hierhergekommen, der Bank wieder ein klares Konzept und eine klare Strategie zu geben. Wir werden einen klaren Weg nach vorne aufzeigen, auch im Umgang mit den Nachwehen der IT-Migration in Bezug auf Prozesse, Kunden- und Mitarbeiterzufriedenheit“, sagt Schel­­lenberg im Gespräch mit der Börsen-Zeitung. Die Strategieagenda ist nach seinen Worten auf den Weg gebracht, bis Anfang Dezember soll der mittelfristige Geschäftsplan auch mit konkreten Zahlen unterlegt sein, bevor die einzelnen Initiativen im Januar starten.

Von unterschiedlichen Sichtweisen auf die künftige Ausrichtung der Bank, die jüngst zum Ausscheiden zweier Vorstände geführt haben soll, will Schellenberg jedoch nichts wissen: „Die personellen Veränderungen im Vorstand hatten überhaupt nichts mit der Strategieagenda zu tun. Es gab keine strategischen Differenzen.“ Alle Vorstandsbeschlüsse im Zusammenhang mit der Strategieagenda seien „einstimmig“ gefasst worden.

Es ist eine Mammutaufgabe, die vor der Apobank liegt, sind die Folgen der verpatzten IT-Migration aus dem Jahr 2020 doch bis heute nicht verdaut. „Im Rahmen der IT-Migration hat die Bank in der Wahrnehmung der Kunden stark gelitten. Wir haben schon viel erreicht, sind aber ganz klar noch nicht da, wo wir sein wollen. Das geht auch nur Schritt für Schritt“, verdeutlicht der Bankchef.

Erst im Zuge der IT-Migration habe die Apobank wichtige Prozesse angestoßen, die dann angesichts der massiven Probleme bei der Einführung des neuen Kernbankensystems nicht weiterverfolgt worden seien. „Wir müssen nachholen, was im Zuge der IT-Migration liegen geblieben ist“, sagt Schellenberg. Auch aus diesem Grund sei der Vorstand um einen Kopf erweitert worden, so dass das wichtige Thema IT künftig in einem eigenständigen Ressort im Vorstand verankert sein wird.

„Wir wollen für die akademischen Heilberufler und ihre Standesorganisationen Selbständigkeit und finanziellen Erfolg möglich machen“, formuliert Schellenberg die künftige strategische Ausrichtung der Apobank und ergänzt: „Mit einer klaren Zielsetzung fällt es leichter zu erkennen, was wir tun müssen, um den Kern zu stärken, und was wir nicht mehr tun müssen – sei es, um die Komplexität zu reduzieren oder Dinge zu identifizieren, die nicht zu unserem Selbstverständnis passen.“ On top kommt das Kostenthema, das die Apobank dringend angehen muss, schwankt die Cost-Income-Ratio doch seit einigen Jahren um die Marke bei 80 %.

„Jetzt sind wir dabei, die Agenda zu finalisieren und auch Kosteneinsparziele zu verankern“, sagt der 58-Jährige. Bestätigt wird das alte Ziel, die Kosten-Ertrag-Relation bis Ende 2025 auf unter 70 % zu drücken. Das Kostenziel werde jetzt aber mit klaren Maßnahmen und Initiativen hinterlegt, sagt Schellenberg.

Prozessoptimierung dauert

Zugleich macht er kein Hehl daraus, dass so schnell nicht mit sichtbaren Einsparungen zu rechnen ist: „Prozesseffizienzen erreicht man nicht nur, aber vielfach über die Abbildung im IT-System, und das geht nur zu bestimmten Release-Wechseln. Das ist und bleibt eine Daueraufgabe und wird uns noch eine Weile beschäftigen.“ Die dafür erforderlichen IT-Kosten wird die Apobank in der Mittelfristplanung berücksichtigen. Erst im Sommer hatte die Apobank angekündigt, die Zusammenarbeit mit dem IT-Dienstleister Avaloq zu vertiefen, der das neue Kernbankensystem 2020 implementiert hatte.

Immerhin laufen die Systeme inzwischen stabil. „Aktuell optimieren wir die Prozesse rund um Kunde, Konto und Karte. 2023 bringen wir das Online-Banking einen bedeutenden Schritt nach vorn. Und wir bearbeiten weitere Kernprozesse, z. B. den Kreditprozess. Bis das in Gänze spürbar wird, wird es aber noch einige Monate dauern“, sagt Schellenberg.

Dass mit den Kostenprogramm auch der Abbau von Stellen verbunden ist, ist klar. Zu dessen Umfang will sich Schellenberg jedoch noch nicht äußern: „Die Kosten zu senken wird ambitioniert sein, die Organisation aber nicht überfordern“, sagt der Bankchef und verspricht: „Wir werden keine Effizienzgewinne vorwegnehmen, um Kosteneinsparungen zu realisieren, die uns hinterher auf die Füße fallen.“ Das Kostenprogramm erstrecke sich aber keineswegs nur auf die Personalkosten. Auch die Sachkosten sollen gedrückt werden. Als Stichwort nennt Schellenberg in diesem Zusammenhang die Flächennutzung. Daneben werde auch der Abbau von Komplexität den Aufwand verringern.

„Duales Betreuungsmodell“

Doch auch auf der Ertragsseite will die Apobank Gas geben. „Mit einem Depotvolumen von etwa 11 Mrd. Euro haben wir in Relation zu den Kundenzahlen, zur Bilanzsumme und auch zum Finanzierungsvolumen noch viel Luft nach oben“, zeigt Schellenberg auf, wo es Handlungsbedarf gibt. Daher will die Apobank den Fokus nun stärker auf die Vermögensverwaltung lenken. Eingeführt werden soll ein „duales Betreuungsmodell“. Künftig soll jeder Kunde einen zentralen Ansprechpartner haben, der ihn über den gesamten Lebenszyklus begleitet. Der Kundenbetreuer werde bei Einzelthemen Spezialisten aus der Kredit- oder Vermögensberatungsabteilung hinzuziehen.

Dabei soll die Vermögensberatung künftig gleichberechtigt neben der Finanzierungsberatung stehen. „Das wird sicher ein längerer Prozess werden. Aber wir haben uns für die nächsten Jahre klare Ziele gesetzt“, gibt sich Schellenberg zuversichtlich und kündigt an: „Wir wollen das Depotvolumen in den nächsten fünf Jahren verdoppeln. In diesem Jahr müssen wir aber erst einmal den Markteinbruch ausgleichen.“

Der Bankchef lässt allerdings keine Zweifel aufkommen, dass das Finanzierungsgeschäft, allen voran Existenzgründungen und Apothekenfinanzierungen – beides wird dem Privat-/Gewerbekundengeschäft zugeordnet –, der Kern des Geschäfts bleibt. Denn das Alleinstellungsmerkmal der Bank ist das tiefe Know-how im Gesundheitsmarkt.

„Für uns ist ein Arzt kein Arzt, sondern zum Beispiel ein Radiologe, Orthopäde oder Internist“, macht Schellenberg den Punkt. Wenn beispielsweise ein Orthopäde in der Stadt x an der Kreuzung y eine Praxis eröffnen wolle, könne die Apobank ihm sagen, mit welchen Einnahmen er rechnen könne, wenn er sich auf Rückenprobleme spezialisiere. „Die Besonderheiten des deutschen Gesundheitsmodells ermöglichen uns, genau abzuschätzen, wie sich die Cashflows niedergelassener Ärzte entwickeln. Das ist ein wesentliches Element unserer Kreditentscheidung“, sagt Schellenberg.

Zugleich wollen sich die Düsseldorfer auch im Finanzierungsgeschäft breiter aufstellen. Ins Visier genommen wird dabei das Firmenkundengeschäft, dazu gehören Träger der stationären und ambulanten Versorgung wie Kliniken, Reha-Einrichtungen und medizinische Versorgungszentren. Hier brachte es die Apobank zum Halbjahr auf einen Kreditbestand von 5,4 Mrd. Euro. Demgegenüber belief sich der Kreditbestand im Existenzgründungsgeschäft auf 8,3 Mrd. Euro. Der Löwenanteil der Kredite entfiel mit 18,5 Mrd. Euro auf das Baufinanzierungsgeschäft, sei es das Eigenheim des Arztes oder seien es Investitionsobjekte.

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