Union Investment diskutiert über Nachhaltigkeit

ESG-Konferenz zeigt Risse im Nachhaltigkeitsbild

ESG unter Druck: Union Investment diskutiert, wie Investoren zwischen wachsender Kritik und komplexer Regulierung Kurs auf nachhaltige Wirkung halten.

ESG-Konferenz zeigt Risse im Nachhaltigkeitsbild

Risse im Nachhaltigkeitsbild

ESG-Konferenz von Union Investment diskutiert Ergebnisse einer aktuellen Studie

wbr Frankfurt

„Nachhaltigkeit am Wendepunkt?“ Mit dieser Leitfrage eröffnete Union Investment ihre diesjährige Nachhaltigkeitskonferenz. Inmitten geopolitischer Spannungen, einer drohenden ESG-Rollback-Politik in den USA und wachsender Kritik an überbordender Regulierung diskutierten Experten, wie sich institutionelle Kapitalanlagen weiterhin mit Nachhaltigkeitszielen in Einklang bringen lassen.

Ausgangspunkt der Debatte waren Ergebnisse der aktuellen Nachhaltigkeitsstudie von Union Investment, für die 179 institutionelle Anleger mit einem Gesamtvermögen von rund 2,4 Bill. Euro befragt wurden. Die Zahlen belegen: 89% der Großanleger in Deutschland berücksichtigen ESG-Kriterien bei ihren Investitionen – ein stabil hoher Wert trotz politischer Polarisierung und wachsender Kritik am Aufwand nachhaltiger Berichtspflichten.

Pragmatismus ist gefragt

André Haagmann, Vorstandsmitglied und designierter CEO von Union Investment, skizzierte vier Themenfelder, die aus Sicht der Finanzbranche besonders relevant sind: die Zukunft des europäischen Green Deals, das regulatorische Auseinanderdriften zwischen Europa und den USA, die Gefahr eines schwindenden öffentlichen Fokus auf den Klimawandel sowie die Frage, wie Unternehmen wirtschaftlich tragfähige, zugleich aber nachhaltige Wege einschlagen können.

„Die Haltung institutioneller Investoren ist von Pragmatismus geprägt“, sagte Haagmann. „Sie stellen die Regulierung nicht grundsätzlich infrage, wünschen sich aber mehr Praxistauglichkeit.“ Besonders kritisch sehen viele Marktakteure die zunehmende Komplexität der ESG-Regulierung. 67% der Befragten halten die Regeln für zu kompliziert, 73% für zu aufwendig.

Lücke zur Realwirtschaft

Diese Lücke zwischen Anspruch und Realität wurde auch von Silke Stremlau, Vorsitzende des Sustainable-Finance-Beirats der scheidenden Bundesregierung, deutlich benannt. In der Podiumsdiskussion verwies sie auf ein Missverhältnis zwischen Finanzwirtschaft und Realwirtschaft: „Die Banken glauben oft, sie seien in Sachen Nachhaltigkeit gut aufgestellt – die Unternehmen sehen das anders“, so Stremlau. Viele Firmen wünschen sich mehr Austausch auf Augenhöhe, insbesondere im Hinblick auf strategische Nachhaltigkeitsziele.

Gerade im Mittelstand sei die Beratungslücke eklatant, so Stremlau weiter. Sie forderte daher mehr Verantwortung von Finanzinstituten: „Die Institute müssen sich überlegen, wie sie konkret in der Lage sind, ihre Kunden zu nachhaltigen Investitionen zu beraten.“ Im Bereich der Privatanleger sprach sie sich dafür aus, die ESG-Abfrage nach Mifid II zu reformieren. Die aktuelle Ausgestaltung bezeichnete sie als „Rohrkrepierer“. Statt komplexer Fragebögen seien einfache, verständliche Einstiegsfragen erforderlich, um den Zugang zu nachhaltiger Geldanlage zu erleichtern.

ETFs bringen wenig

Zugleich machte Stremlau deutlich, dass genug Kapital zur Transformationsfinanzierung vorhanden sei – es werde nur nicht gezielt genug mobilisiert. Ihr Vorschlag: ein Klimasparplan mit einem Steuerfreibetrag von bis zu 25.000 Euro für Privatanleger sowie ein Transformationsfonds als Ergänzung zum geplanten Sondervermögen. Solche Maßnahmen könnten auch helfen, Gelder aus passiven Investments wie ETFs, die stark auf US-Unternehmen setzen, in europäische Transformationsprojekte umzulenken.

Trotz der Herausforderungen zeigt die Studie auch Optimismus: 44% der Investoren erwarten, dass die Bedeutung nachhaltiger Kapitalanlagen weiter zunimmt, nur 3% rechnen mit einem Rückgang.

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