„ESG“ verschwindet aus den Fondsnamen
„ESG" verschwindet aus den Fondsnamen
Grüne Investmentfonds nutzen häufiger allgemeine Begriffe – Anlegerinteresse uneinheitlich
wbr Frankfurt
In Europas Fondslandschaft stehen Nachhaltigkeitsprodukte weiterhin im Fokus von Investoren, Regulatoren und Vermögensverwaltern – auch wenn sich der Markt zunehmend differenziert. Ein wesentlicher Impuls kam dabei von der Europäischen Wertpapieraufsichtsbehörde ESMA, deren Richtlinien zur Fondsbenennung seit Mai 2024 spürbare Veränderungen ausgelöst haben.
Bis zum 30. Juni haben mehr als 800 Fonds nach Artikel 8 und 9 der EU-Offenlegungsverordnung ihre Bezeichnungen angepasst. Die Sorge, dass Namensänderungen zu Vertrauensverlusten führen könnten, hat sich nicht bestätigt: Fonds mit neuen Namen verzeichneten keine höheren Abflüsse als solche ohne Umbenennung. Eine MSCI-Analyse zeigt zudem, dass rund 90% der umbenannten Produkte weiterhin als Nachhaltigkeitsfonds klassifiziert werden können.
Weiche Begriffe häufiger
Die Umbenennungen spiegeln auch einen veränderten Sprachgebrauch wider. Der Begriff „ESG“ wurde im Zuge der regulatorischen Neuausrichtung besonders häufig aus den Fondsnamen entfernt – seine Verwendung sank um rund 46%. Auch Begriffe wie „Nachhaltigkeit“, „Klima“ und „Impact“ tauchen deutlich seltener in Produktnamen auf.
Diese Entwicklung deutet darauf hin, dass Anbieter potenziell risikobehaftete Begriffe, die strengen regulatorischen Anforderungen unterliegen, lieber vermeiden. Im Gegenzug nahmen neutrale oder breiter interpretierbare Begriffe wie „Umwelt“ (+37 %), „Übergang“ und „Verantwortung“ an Häufigkeit zu. Dabei zeigt sich ein differenziertes Investorenverhalten: Anleger scheinen nach Einschätzung von MSCI auf die Substanz der Portfolios zu achten. Umbenannte Fonds können durch breitere Strategien – etwa ohne den Zwang zur Paris-konformen Benchmark – auch neue Zielgruppen ansprechen.
ESG in konventionellen Fonds
Interessant ist auch, dass ESG-Kriterien über den Rahmen nachhaltiger Fonds hinausreichen. Laut MSCI berücksichtigen 24 der 25 größten europäischen Vermögensverwalter ESG-Faktoren auch bei konventionellen Fonds. Eine Ausnahme bildet Vanguard, ein Anbieter mit Fokus auf indexnahe Produkte. Der Trend deutet darauf hin, dass Nachhaltigkeitsrisiken als finanziell relevant anerkannt werden.
Trotz dieser strukturellen Fortschritte waren die Mittelbewegungen zuletzt uneinheitlich. Im vierten Quartal 2024 verbuchten europäische ESG-Fonds Zuflüsse von über 20 Mrd. Dollar – der höchste Wert seit eineinhalb Jahren. Doch bereits im ersten Quartal 2025 kehrte sich der Trend um: Die Fonds verzeichneten Abflüsse in Höhe von 1,2 Mrd. Dollar. Hintergrund sind unter anderem Performanceunterschiede, denn nachhaltige globale Aktienfonds schnitten 2024 im Schnitt schlechter ab als der breite Markt.
Performanceschwäche 2024
Ein möglicher Grund der Performanceschwäche: Viele ESG-Fonds in der EU meiden Investments in Unternehmen mit Waffenengagement. Doch gerade diese Unternehmen verzeichneten 2024 im MSCI Europe Index eine durchschnittliche Rendite von 29%. Einige Vermögensverwalter haben mittlerweile ihre Ausschlusskriterien überdacht.
Bemerkenswert ist die höhere Haltebereitschaft nachhaltiger Anleger. Während konventionelle Fonds bei schwacher Performance rasch Kapital verlieren, zeigen ESG-Investoren eine höhere Toleranzschwelle – möglicherweise wegen langfristiger Wirkungsziele oder der Ausrichtung auf regulatorische Vorgaben.
Der Blick auf den breiteren Kontext zeigt, dass der Trend zur Integration von Nachhaltigkeitsaspekten noch nicht abgeschlossen ist. Wie das MSCI Sustainability Institute in seinem jüngsten „Transition Finance Tracker“ betont, verschiebt sich der Fokus zunehmend von bloßer Emissionsvermeidung hin zu realen Dekarbonisierungseffekten. Transition‑ oder Übergangsfonds gewinnen ab Bedeutung. Diese Produkte zielen darauf ab, Unternehmen mit heute noch vergleichsweise hohem CO2‑Fußabdruck beim Umbau hin zu einem klimaneutralen Geschäftsmodell zu finanzieren.
ESMAs neue Regeln zur Fondsbenennung haben deutliche Spuren hinterlassen: Hunderte nachhaltige Fonds wurden seit Mai 2024 umbenannt, ohne Abflüsse zu erleiden. ESG-Kriterien greifen inzwischen über Labelgrenzen hinaus – der Trend geht hin zu echter Transformation und Übergangsfinanzierung.