Rechenzentren der Banken

Früh gehandelt für hohe Ökostrom­quote

Der Bedarf nach Rechenzentren wächst in allen Wirtschaftsbereichen. Eine Bestandsaufnahme macht nun deutlich, dass viele Banken bereits auf Ökostrom setzen.

Früh gehandelt für hohe Ökostrom­quote

Von Björn Godenrath, Frankfurt

Mit der beschleunigten Digitalisierung und daraus entstehenden Datenmengen wächst quer durch die Wirtschaft der Anbau von Rechenzentren, die als Herzpumpe des Datenstroms im Hosting für die schnelle Verfügbarkeit von Inhalten sorgen. Allein in Frankfurt befinden sich mehr als 60 Rechenzentren, die die Nähe zum Internetknoten DE-CIX suchen – der weltgrößte seiner Art. In DE-CIX sind mehrere hundert Internetdienstleister zusammengeschlossen, die dank räumlicher Nähe untereinander in ihren Netzen Daten austauschen sowie vom zentralen Verteiler Datenpakete besonders schnell abrufen können. Das ist wichtig für hochperfomante Dienste, wie sie zum Beispiel im Hochfrequenzhandel oder allgemein im digitalen Banking benötigt werden.

Für deutsche und internationale Banken ist diese Datenverfügbarkeit ein weiteres Argument, sich am Finanzplatz Frankfurt anzusiedeln. Banken, Deutsche Börse, Europäische Zentralbank (EZB), Bundesbank sowie eine Fülle an großen und kleinen Dienstleistern der Finanzwirtschaft hängen an Rechenzentren mit ihrem gigantischen Strombedarf.

Datencenter fressen Strom

Angesichts des steigenden Finanzdatenverkehrs stellt sich allerdings die Frage, ob die Geldindustrie ihre Infrastruktur ausreichend klimaschonend aufgestellt hat. Um den Status quo zu erfassen, hat die Börsen-Zeitung eine Umfrage gestartet zum Baustein Energieversorgung der Rechenzentren in Deutschland und Europa: Wie viel wird schon aus erneuerbaren Energien gespeist, vor dem Hintergrund, dass der Strommix in Deutschland noch zu 56% aus fossilen Brennstoffen besteht? Denn bei der Wahl des Energiebezugs – egal ob in eigenen Datencentern oder über Dienstleister – haben es die Banken selbst in der Hand, ihren ökologischen Fußabdruck zu begrenzen.

Die Bestandsaufnahme zeigt, dass die Banken den Braten frühzeitig gerochen haben und im Energiemix grundsätzlich einen hohen Anteil an regenerativer Energie nutzen. Bei der DZ Bank heißt es, man nutze bereits „nahezu 100 % Ökostrom – inklusive der Rechenzentren, die durch uns betrieben werden.“ Es gebe lediglich wenige Mietflächen sowie das Arbeiten im Homeoffice, wo die Bank keinen Einfluss auf den Strombezug habe. „Hier gibt es einen Strommix, der sich allerdings auf einen sehr niedrigen einstelligen Prozentbereich beschränkt,“ heißt es. Die Commerzbank erklärt, sie beziehe ihren Strom seit Januar 2013 für alle Gebäude der Bank in Deutschland ausschließlich aus erneuerbaren Energiequellen. „Dies beinhaltet auch unsere Rechenzentren.“ Der Standort London (inklusive des Rechenzentrums) werde seit 2020 mit Ökostrom versorgt. London ist neben Frankfurt der zweite große Standort für Rechenzentren, die in der Finanzbranche zum Einsatz kommen. Die Commerzbank will aber noch an einer weiteren Stellschraube drehen: Nachdem die weltweite Ökostromquote 2020 bei 93 % lag, wollen die Gelben bis 2025 auch alle internationalen Auslandsstandorte komplett auf Ökostrom umstellen.

Thema wird adressiert

Bei der Deutschen Bank heißt es, integraler Bestandteil ihrer gesellschaftlichen Verantwortung sei es, den ökologischen Fußabdruck des Betriebs zu managen und so weit wie möglich zu reduzieren. „Die für unseren Betrieb erforderlichen Rechenzentrumsdienste beziehen wir von externen Dienstleistern. Der mit diesen Dienstleistungen verbundene Energieaufwand und der Anteil des verwendeten Stroms aus erneuerbaren Energien liegen nicht unter unserer direkten Kontrolle. Wir arbeiten aber aktiv mit unseren Lieferanten daran, diese Themen zu adressieren.“ Die Senkung des Energieverbrauchs und die Optimierung der Energieeffizienz von Rechenzentren seien Teil des Ziels, bis 2050 netto null Emissionen zu erreichen. „Emissionen aus dem Bezug von Rechenzentrumsdiensten können in Zukunft Teil unserer Kompensationsstrategie auf unserem Weg zu Netto-Null werden.“ Dieser Prozess werde sich aber über mehrere Jahre erstrecken.

„Wir arbeiten derzeit sehr eng mit unseren Rechenzentrumsanbietern zusammen, um den Stromverbrauch und den Anteil von Strom aus erneuerbaren Energiequellen, der für die von uns bezogenen Dienste verwendet wird, zu verstehen und vollständig transparent zu machen.“ Mit Google Cloud habe die Bank einen Partner gewählt, der sich zu einem klimaneutralen Betrieb verpflichtet habe. Google hat für ihre deutschen Cloud-Dienste Engie als Energielieferanten, der jährlich 140 Megawatt (MW) an sauberer Energie liefern soll. Knapp 40 MW dafür kommen aus Fotovoltaik, das Gros aus 22 Windparks in fünf Bundesländern.

Bei der ING Deutschland heißt es, ihre Rechenzentren würden bereits heute zu etwa 80 % mit Strom aus erneuerbaren Energien versorgt. „Unser Ziel ist, diese Quote 2022 auf 100 % zu erhöhen.“ Goldman Sachs erklärt, man habe das Ziel, 100 % des Stroms aus erneuerbaren Energien für den gesamten weltweiten Strombedarf zu beziehen, im Jahr 2020 erreicht. „Dies inkludiert auch den Strombedarf für Datencenter.“ Im März habe man sein betriebliches CO2-Engagement auf die Lieferkette ausgeweitet, um netto null Kohlenstoff-Emissionen bis 2030 zu erreichen. „Zudem haben wir uns bis 2025 verpflichtet, 80 % unseres weltweiten Energieverbrauchs aus langfristigen Stromabnahmeverträgen zu beziehen.“ Als Teil ihres Engagements, die Märkte für erneuerbare Energien voranzubringen, habe Goldman Sachs zudem als erstes US-Un­ternehmen alle drei Programme der „Climate Group“ unterzeichnet, heißt es. Diese Initiativen sind fokussiert auf 100-prozentige Be­schaffung von Strom aus erneuerbaren Energien, elektrischer Transport und Energieproduktivität.

Citi erklärt, sich erst im März zu 100 % „Net Zero“-Treibhausgasemissionen bis 2050 verpflichtet zu haben. „Ein Bestandteil davon ist es, in unseren Datencentern den ökologischen Fußabdruck zu senken.“ Das Datenzentrum in Frankfurt sei weitestgehend autark in Wärmegewinnung und Wasserversorgung, hinzu kämen Sondermaßnahmen im Temperaturmanagement, die den Energiebedarf in der Datenhalle senken. Und man arbeite kontinuierlich daran, weitere Verbesserungen durch den Einsatz neuer, energieeffizienter Technologien einzubringen, heißt es bei Citi.

J.P. Morgan Chase gibt an, ihren Energiebedarf in Deutschland zu 100 % aus erneuerbaren Quellen zu beziehen, was Teil des Commitments sei, den eigenen Geschäftsbetrieb jedes Jahr CO2-neutral zu gestalten. Allerdings beziehe sich dieses Ziel zunächst nur auf Immobilien im Firmenbesitz und man betreibe in Deutschland keine eigenen Rechenzentren, heißt es.

 Industrie und Banken sind in der Regel auf externe Computing-Dienstleister angewiesen, die große Rechenzentren für mehrere Kunden betreiben, davon viele im Rhein-Main-Gebiet. Damit ihre Colocation-Rechenzentren dem Bedarf auch in kommenden Jahren gerecht werden, haben allein die beiden Marktführer Equinix und Interxion Investitionen von jeweils 1 Mrd. Euro in weitere Frankfurt-Kapazitäten angekündigt. Es handelt sich also um ein kapitalintensives Geschäft, das in der Investitionsphase häufig von den Kunden mit Vorfinanzierungen begleitet wird – und die wollen immer öfter sichergestellt haben, dass die Betreiber von Rechenzentren einen möglichst großen Anteil sauberer Energie beziehen bzw. die Abwärme sinnvoll nutzen. Die Stadt Frankfurt will vorschreiben, dass neue Rechenzentren rein mit Ökostrom betrieben und die Abwärme genutzt wird. Ein erstes Abwärmeprojekt ist im Bau: Die Bewohner im „Westville“ auf dem Ex-Avaya-Gelände im Gallus sollen ihre 1 300 Wohnungen mit der Abwärme aus dem Rechenzentrum von Telehouse von gegenüber heizen. Das Dezernat für Stadtplanung hat in seinem Konzept zur Standortsteuerung für Rechenzentren festgelegt, dass die Ansiedlung der Datacenter auf bestimmte Gewerbegebiete beschränkt wird. Dem Rahmenplan zufolge siedelt sich der Neubau vor allem dort an, wo sich schon Rechenzentren befinden. Das sind Gallus, Ostend, Griesheim, Sossenheim, Rödelheim, Seckbach und Fechenheim.

Dabei geht der Trend zu immer größeren Rechenzentren, die sich vorzugsweise im Speckgürtel mit guter Energieversorgung ansiedeln. Aktuell sind im Rhein-Main-Gebiet zwei mit jeweils 200 Megawatt doppelt so große Standorte wie bislang branchenüblich geplant: Interxion baut in Frankfurt-Fechenheim und Google in Hanau. Bei der Stromversorgung sieht es so aus, dass wo Mainova nicht genug Kapazitäten bereitstellen kann, lokale Anbieter wie Avacon einspringen. Für die Abwärmekonzepte gilt die Daumenregel, dass es Abnehmer braucht, die ganzjährig Verwendung für eine mindestens zweistellige Megawatt-Menge haben. Da seien dann Versorgungsunternehmen mit Fernwärmenetzen gefragt, sagen Experten.

Netzbetreiber investieren

Allerdings sind die Kommunen immer stärker am Bremsen, was die weitere Ansiedelung von Rechenzentren angeht. Denn die Schattenseite des Booms ist, dass diese Stromfresser Klimaschutzziele gefährden. Was früher die Stahl- und die Aluminiumbranche waren, das ist heute die Datenbranche. CloudHQ als Betreiber des geplanten Mega-Rechenzentrums in Offenbach hatte Schwierigkeiten, die benötigte Energiemenge zu akquirieren – ein Problem, das sich mit erhöhtem Anspruch an den regenerativen Anteil des Strommixes verschärfen dürfte.  Die Rechenzentren in Hanau und Offenbach sollen perspektivisch nur mit Öko-Strom betrieben werden.

Mainova und andere Netzbetreiber investieren 750 Mill. Euro, um das Stromnetz in der Region auszubauen. Denn grüner Strom muss immer umfangreicher aus norddeutschen Windparks bezogen werden. Dabei wächst die Datenmenge in Frankfurt bis 2024 Schätzungen zufolge um 44 % pro Jahr auf 878 Terabit pro Sekunde.

Zuletzt erschienen:

Grüne Bilanzierung nimmt Form an (11. Januar)

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