Europäische Kommission

Neues Paket zur Kapitalmarkt­union

Rund ein Jahr nach dem letzten größeren Gesetzespaket hat die EU-Kommission nun weitere Vorschläge auf den Tisch gelegt, die die europäische Kapitalmarktunion weiter stärken sollen. Ins Visier nimmt die Brüsseler Behörde nun vor allem Börsengänge, die Insolvenzregeln sowie das Clearing-Geschäft.

Neues Paket zur Kapitalmarkt­union

ahe Brüssel

Wie aus dem Kapitalmarkt und von Bankenverbänden seit langem gefordert, hat die EU-Kommission nun ein weiteres Gesetzespaket zur Stärkung der Kapitalmarktunion vorgelegt. Auf Forderungen nach Nachbesserungen des Verbriefungsrahmens ging die Behörde dabei nicht ein, will aber die in der EU erbrachten Clearing-Dienste attraktiver und widerstandsfähiger machen, bestimmte Insolvenzvorschriften für Nicht-Banken harmonisieren und den Verwaltungsaufwand für Börsengänge senken. „Wir werden mit diesen drei Schritten der Vollendung der Kapitalmarktunion näherkommen“, zeigte sich EU-Finanzmarktkommissarin Mairead McGuinness bei der Vorstellung der Vorschläge optimistisch.

So soll den Anlegern ihren Worten zufolge unter anderem größere Gewissheit darüber verschafft werden, wie lange Insolvenzverfahren dauern können und welchen Wert sie zurückerlangen würden. Sie verwies in Brüssel darauf, dass aktuell Insolvenzverfahren in der EU mal sieben Monate und mal sieben Jahre dauerten. Durch eine stärkere Harmonisierung seien Anleger eher bereit, in Unternehmen in einem anderen Mitgliedstaat zu investieren.

Die Brüsseler Vorschläge enthalten nun unter anderem Vorschriften zu Maßnahmen zur Erhaltung der Insolvenzmasse, zu Gläubigerausschüssen, um eine gerechte Verteilung der noch vorhandenen Werte sicherzustellen, sowie zu sogenannten Pre-pack-Verfahren bei der Veräußerung von Unternehmen. Vereinfachte Regelungen sollen für Kleinstunternehmen eingeführt werden, um die Kosten für deren Abwicklung zu senken und den Eigentümern der Unternehmen eine Schuldenbefreiung zu ermöglichen.

Milliarden an Kostenvorteilen

Die unterschiedlichen Insolvenzregeln gelten schon seit Jahren als einer der wichtigsten Hemmschuhe bei grenzüberschreitenden Investitionen. Die EU-Kommission hofft nun, diese zu fördern und zugleich die Kapitalkosten für Unternehmen zu senken. Den Nutzen der Vorschläge im Insolvenzrecht bezifferte die Behörde auf über 10 Mrd. Euro pro Jahr.

Mit ihrem „Listing Act“ will die Kommission zugleich die Vorbereitung und Durchführung von Börsengängen erleichtern. Hierzu sollen die Prospektregeln, aber auch das geltende Insiderrecht geändert werden. Geplant ist unter anderem, Verfahren der Kontrolle durch die nationalen Aufsichtsbehörden zu straffen, wodurch das Notierungsverfahren beschleunigt und die Kosten gesenkt werden. Unternehmer sollen zudem die Möglichkeit erhalten, bei einer Notierung an KMU-Wachstumsmärkten auf Mehrstimmrechtsaktien zurückzugreifen.

Auch dies könnte Einsparungen bringen: Schätzungen der Kommission zufolge werden an öffentlichen Märkten in der EU notierte Unternehmen rund 100 Mill. Euro pro Jahr durch niedrigere Befolgungskosten einsparen. Einfachere Prospektvorschriften sollen zugleich Einsparungen in Höhe von 67 Mill. Euro pro Jahr bringen.

Die Clearing-Vorschläge zielen nach Angaben von McGuinness darauf ab, Marktinfrastruktur-Kapazitäten in der EU aufzubauen und gleichzeitig die Märkte offenzuhalten. Um das Clearing in der EU insbesondere gegenüber dem in Großbritannien attraktiver zu gestalten, sollen die zentralen Gegenparteien (Central Counterparties/CCPs) in die Lage versetzt werden, ihre Angebote schneller und einfacher zu erweitern. Brüssel hofft, dass EU-Marktteilnehmer weitere Anreize erhalten, Clearingdienste von EU-CCPs in Anspruch zu nehmen und bei ihnen Liquidität aufzubauen, damit sie auch wettbewerbsfähiger gegenüber der britischen Konkurrenz werden. Insbesondere das Clearing von in Euro denominierten Derivaten („Euroclearing“) findet noch immer größtenteils im Vereinigten Königreich statt.

Lob aus der Fondsbranche

Etwa 60% der Unternehmen verfügen nach Angaben von McGuinness derzeit über aktive Clearing-Konten in der EU. Die Marktaufsichtsbehörde ESMA werde nun einen Schwellenwert festlegen, den die Banken für das Clearingvolumen in der EU erreichen müssten.

Beim deutschen Fondsverband BVI wurde der Vorstoß begrüßt, die Abhängigkeit der EU-Assetmanager von Clearingstellen in Drittstaaten zu verringern. „Daher begrüßen wir Maßnahmen, die den Übergang für die Marktteilnehmer erleichtern, wie zum Beispiel aktive Konten bei Clearingstellen in der EU einzurichten“, erklärte Hauptgeschäftsführer Thomas Richter. Die Kommission solle an ihrem Ziel festhalten, das Euro-Clearing in die EU zu verlagern. Dies werde auch den Verbraucherschutz stärken, so Richter.

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