Deutsche Bank

Risiken werden neu bewertet

Die Deutsche Bank hat im Startquartal die Markterwartungen überboten, die Anleger indes mit unerwartet hohen Kosten vergrätzt. Zudem schlagen sich in den Zahlen Neubewertungen von Risiken nieder.

Risiken werden neu bewertet

Von Bernd Neubacher, Frankfurt

In einem von gegenläufigen Effekten geprägten Startquartal hat sich die Deutsche Bank ihren für 2022 ausgerufenen Zielen weiter angenähert. Auf der einen Seite legt dabei ein binnen Jahresfrist um 3% gestiegener Zinsüberschuss den Schluss nahe, dass der vom Zinstief erzeugte Gegenwind sich legt. Zugleich aber hat vermehrte Risikovorsorge angesichts des russischen Angriffskrieges in der Ukraine vor allem in der Unternehmensbank (siehe Grafik) die Ergebnisentwicklung gebremst und überdies zu einer empfindlichen Reduktion der Kernkapitalquote beigetragen. Einerseits haben Ertrag und Ergebnis in allen vier operativen Sparten der Gesellschaft zugelegt. Zugleich ist allerdings der unter Konsolidierung & Sonstiges subsumierte Fehlbetrag vor allem infolge von Verlusten aus Zeit- und Bewertungsdifferenzen in der Bilanzierung von Finanzinstrumenten um 250 Mill. auf rund 430 Mill. Euro in die Höhe geklettert. Die Belastungen der Restrukturierung hat der Konzern unterdessen so gut wie überwunden.

Im ersten Jahresviertel lag der Ertrag der größten deutschen Bank mit 7,328 Mrd. Euro um 1% über dem Niveau des Vorjahreszeitraums, der Vorsteuergewinn erhöhte sich derweil um 4% auf 1,658 Mrd. Euro. Damit hat das Institut die Markterwartungen um rund 300 Mill. bzw. 30 Mill. überboten. Vor allem eine Reduktion des Verwaltungsaufwands binnen Jahresfrist um 6%, ein besseres Fair-Value-Ergebnis sowie ein Ergebnisschub durch wegfallende Restrukturierungskosten machten die negativen Auswirkungen des Krieges in der Ukraine mehr als wett.

Der um Restrukturierungskosten bereinigte Aufwand ging im Vergleich zum Startquartal um 1% auf 5,385 Mrd. zurück, landete damit allerdings 350 Mill. Euro über der Konsensprognose, was Anleger am Mittwoch vergrätzte. Mit 83000 Leuten, in Vollzeitstellen umgerechnet, beschäftigte die Bank Ende März knapp 1400 oder 2% weniger als im Startquartal 2021. Gleichwohl legten die Personalkosten derweil um 1% zu. Dahinter stehen Rückstellungen für variable Vergütungen angesichts von Ertragssteigerungen, aber auch ein enger Arbeitsmarkt. Allerorten klagen im Finanzsektor tätige Vorstände derzeit über Probleme, fähiges Personal zu finden bzw. zu halten.

Mit knapp 300 Mill. Euro hat der Konzern zudem für Verluste im Kreditgeschäft gut das Vierfache des Betrags des Vorjahreszeitraums zurückgestellt. Das dabei zugrunde gelegte Basisszenario orientiert sich am Mainstream der Prognosen von Volkswirten und sieht etwa einen Stopp der russischen Erdgaslieferungen nicht vor, wie Finanzvorstand James von Moltke am Mittwoch in einer Telefonkonferenz sagte.

Zugleich zeigte er sich in seinem Ausblick etwas vorsichtiger und kündigte an, die Risikovorsorge im laufenden Jahr könne 25 Basispunkte (BP) des Forderungsbestands erreichen. Bisher waren 20 BP avisiert. Neben den potenziellen mittelbaren Gefahren infolge des Kriegs scheinen die unmittelbaren Russland-Risiken zu verblassen. Im Startquartal hat der Konzern sein Nettokredit-Exposure in Russland um rund 100 Mill. auf 500 Mill. Euro reduziert, die Eventualrisiken aus ungezogenen Verpflichtungen und Garantien um ein Drittel auf 1 Mrd. Euro. Im Private Banking habe der Krieg keine bedeutenden Umschichtungen von Geldern nach sich gezogen, sagte von Moltke, gefragt nach dem Anteil russischer und belarussischer Vermögen dort und etwaigen Auswirkungen. Das Exposure sei sehr begrenzt.

Von einer Neubewertung der Risiken zeugt auch der Anstieg der Risikoaktiva: Sie haben sich, auch im Zuge von Wachstum und von der Aufsicht mandatierter Änderungen interner Modelle, binnen Jahresfrist um ein Zehntel auf 364 Mrd. Euro erhöht; die Bilanzsumme zog derweil nur um 2% an. Die harte Kernkapitalquote ließ dies um nicht weniger als 90 Basispunkte auf 12,8% in die Tiefe rauschen. Damit liegt die Bank nur mehr 30 Basispunkte über ihrer fürs laufende Jahr ausgegebenen Zielmarke von rund 12,5%. Die materielle Eigenkapitalrendite beträgt unterdessen mit 8,1% nach 7,4% vor Jahresfrist zehn Basispunkte mehr als angestrebt, die Leverage Ratio in der relevanten Definition mit 4,6% ebenfalls. Bei der Aufwandsquote muss das Haus noch zulegen. Im ersten Quartal fiel sie binnen Jahresfrist von 77,1% auf 73,4%. Geplant sind 70%.

Unternehmensbank sorgt vor

Drei Viertel der jüngsten Rückstellungen von 223 Mill. Euro haben die Unternehmensbank belastet. Dank sinkender Verwaltungskosten zog der Vorsteuergewinn der Sparte dennoch um ein Viertel auf 291 Mill. Euro an, während sich die Erträge um 11% auf 1,461 Mrd. erhöhten, den höchsten Stand seit Neuausrichtung des Geschäfts vor drei Jahren. Trotz vermehrter Risikovorsorge im Startquartal lässt das momentane Ertragsniveau der Sparte, aufs Jahr hochgerechnet, Einnahmen von knapp 5,9 Mrd. erwarten. Dies wären 400 Mill. Euro mehr als 2020 prognostiziert. Von Moltke wollte sich nicht festlegen, ob die Prognose für die Sparte, deren Erträge als berechenbar gelten und von einer Zinswende profitieren dürften, angehoben werde. Das Geschäft treibt derzeit, dass Unternehmenskunden ihre Beschaffungsketten angesichts vermehrter Störungen neu ausrichten und auch die Weiterverarbeitung unter geopolitischen Aspekten überprüfen.

Die Entwicklung der Investment Bank stützt den Eindruck einer robusten Entwicklung. Die Einnahmen, schon im Vorjahreszeitraum binnen Jahresfrist um 32% gesprungen, zogen um weitere 7% an. Laut Bank machte ein starkes Wachstum im Finanzierungsgeschäft, im Handel mit Zinsprodukten, im Geschäft mit Schwellenländern sowie im Währungshandel einen 28-prozentigen Ertragsrückgang im Beratungs- und Emissionsgeschäft mehr als wett. Vor Steuern war dies aber nur für ein 1-prozentiges Ergebnisplus gut, da zugleich der Verwaltungsaufwand um 11% zulegte. Die Privatbank nahm 2% mehr ein als vor Jahresfrist. Dabei kamen die Aktivitäten in Deutschland nur um 1% voran, das internationale Private Banking und Wealth Management erreichte ein Plus von 5%. Höhere Provisionserträge sowie ein Rückgang der Personal- und Sachkosten ließen das Bruttoergebnis um 54% auf 419 Mill. Euro springen. In der Vermögensverwaltung zogen die Einnahmen um 7% an, das Vorsteuerergebnis um 12% (siehe Text auf dieser Seite).

Deutsche Bank
Kennzahlen nach IFRS
1. Quartal
in Mill. Euro20222021
Nettoerträge7 3287 233
Zinsüberschuss2 8772 801
Risikovorsorge im Kreditgeschäft29269
Zinsüberschuss nach Risikovorsorge2 5852 732
Provisionsüberschuss2 7562 739
Ergebnis aus Fair-Value-Bewertung finanzieller Vermögenswerte/Verpflichtungen1 4641 324
Sonstige Erträge198237
Personalaufwand2 6572 631
Verwaltungsaufwand2 7642 926
Restrukturierungsaufwand (minus: -ertrag)−4317
Ergebnis vor Steuern1 6581 589
Steuern431552
Nettogewinn1 2271 037
Durchschnittl. materielle Eigenkapitalrendite nach Steuern (%)7,26,6
Aufwand-Ertrag-Relation (%)73,477,1
Risikovorsorge in Basispunkten des Forderungsbestands246
Bilanzsumme 1 343 0661 317 126
Harte Kernkapitalquote (CET1), in Prozent zum Periodenende12,813,7
Mitarbeiter (in Vollzeitstellen umgerechnet)83 00084 389
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