BVR-Digitaltochter

Schwere Geburt für Amberra

Nach der Euphorie die Ernüchterung: Seitdem der BVR im Juni nach der Mitgliederversammlung der Genossenschaftsbanken die Pläne für die neue Digitaltochter Amberra verkündet hat, war lange nichts mehr zu hören von dem Projekt. Nach Informationen der Börsen-Zeitung hakt es bei der Kapitalausstattung.

Schwere Geburt für Amberra

Von Silke Stoltenberg, Frankfurt

Und still ruht der See bei Amberra: Ein zentrales Zukunftsprojekt der Genossenschaftsbanken steckt in internen Debatten fest und hängt hinterm Zeitplan: Die Gründung der Digitaltochter Amberra war bereits im Juni bei der Mitgliederversammlung in Berlin beschlossen worden. Erklärtes Ziel: Die Tochter soll Projekte für das Banking der Zukunft der Gruppe quasi als Inkubator/Accelerator entwickeln. Doch seitdem war nicht mehr viel zu hören, ob es Fortschritte in der Sache gibt. Ein nahestehender Beobachter der genossenschaftlichen Finanzgruppe wundert sich: „Es gibt keine Personalentscheidungen für die Gremien, keine Projektpipeline – sehr ungewöhnlich für das digitale Schnellboot, das die Genossenschaftsbanken mit der neuen Tochter Amberra an den Start bringen wollen.“ Nach Informationen der Börsen-Zeitung gab es vor allem einen unerwartet langen Diskussionsbedarf um die Kapitalausstattung zum Start der Gesellschaft. Zudem gibt es Bedenken, ob der zentrale IT-Dienstleister, die Rechenzentrale Atruvia, hierfür und auch ganz grundsätzlich für die Zukunft finanziell und personell richtig ausgestattet ist.

Jenseits des Bankgeschäfts

Amberra soll als Forschungs- und Entwicklungsgesellschaft Angebote jenseits des klassischen Bankgeschäfts für digitale Ökosysteme ersinnen und für kleinere Banken herunterskalieren. In diesen Systemen mit einem speziellen Oberthema steht die Bank in der Mitte und an der Kundenschnittstelle und bindet externe Partner außerhalb der Finanzdienstleistungsbranche ein – zum Beispiel Energieberater oder Architekten beim Thema Bauen.

Wie zu hören ist, gibt es auf Primärbanken-Seite Vorbehalte gegen den ursprünglichen Plan, in drei Jahren für Amberra das eigene Portemonnaie öffnen zu sollen (vgl. BZ vom 24. Juni). Für Aufbau und Betrieb in den ersten drei Jahren war ein niedriger zweistelliger Millionenbetrag veranschlagt worden. Der Bundesverband der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken (BVR) sollte, so hieß es damals, für die Primärbanken zunächst als Interimsgesellschafter maximal 49 % der Anteile halten und später den Primärbanken zum Nennwert anbieten. Inklusive von Beteiligungsholdings sollte die Primärstufe somit indirekt beim Start auf 51 % kommen. Beispielsweise gibt es die Holding der Anteilseigner der DZ Bank, die DZ Holding, in der die Primärbanken ihre Aktien an dem Zentralinstitut gebündelt haben. Für die andere Hälfte des Startkapitals von Amberra sollen Gruppenunternehmen einspringen, konkret DZ Bank, Atruvia, DG Nexolution und VR-Networld.

Solidarität für Schwächere

Vom Grundsatz her sollen also finanzstärkere größere Banken die Kapitalausstattung schultern, um kleineren Banken den Start in die Plattform-Ökonomie und digitale Zukunft zu erleichtern. Ganz nach dem genossenschaftlichen Ansatz, dass der Stärkere dem Schwächeren hilft. Der Altruismus der größeren Institute scheint sich indes bei Amberra in Grenzen zu halten, so dass jetzt die Holdings stärker ins Spiel kommen sollen als geplant. Bei den Holdings sind Institute jeglicher Größe beteiligt. Da der Holding-Weg rechtlich nicht so einfach ist, etwa bei Bewertungsfragen, der Frage der Gesellschaftsform oder aus Steuersicht, kam es zu einem längeren Durchhänger auf dem Weg zu Amberra, berichten Insider. Befürworter sehen indes eine Holding-Lösung als den besseren Weg als direkte Primärbankenbeteiligungen.

BVR-Präsidentin Marija Kolak, für die Amberra eine Herzensangelegenheit ist, sagt dazu auf Anfrage: „Von Anfang an werden auch drei Bankenholdings mit einer Minderheitsbeteiligung im Gesellschafterkreis vertreten sein, was uns sehr freut.“ Perspektivisch sei die Übergabe der BVR-Anteile an die Primärbanken vorgesehen, „entweder direkt an einzelne Genossenschaftsbanken oder über Holdings“. Zudem betonte sie: „Wir sind absolut im Zeitplan. Es ist geplant, dass noch in diesem Jahr die Gründung erfolgt. Damit kann Amberra dann nächstes Jahr die Geschäftstätigkeit aufnehmen.“

Bei Gesprächen über den Stand von Amberra bemühen sich Vertreter von Genossenschaftsbanken, dem möglichen Eindruck entgegenzutreten, dass die Tochter Amberra in der Gruppe grundsätzlich kontrovers ge­sehen wird. Das wäre auch erstaunlich, hatten im Juni doch 96 % dem Plan zugestimmt. Aber offensichtlich ist die konkrete Ausgestaltung um­stritten.

Auch die Tatsache, dass konkrete Projekte für Amberra fehlen, spricht nicht von überschäumender Begeisterung. Immerhin gibt es in der Finanzgruppe schon Vorreiter in Sachen digitaler Plattform-Ökonomie: das Projekt PIA der PSD-Banken und der Bausparkasse Schwäbisch-Hall zu Immobilien beispielsweise oder die Nachhaltigkeits-Plattform Mehrwert der Frankfurter Volksbank. Dass die Innovatoren der Gruppe aber bereitwillig ihre Ideen zur Weiterverwendung und Adaptierung in der Gruppe hergeben, ist bislang nicht zu hören. Kolak betont, Amberra solle die bislang von einigen Banken gestarteten „Innovationen und Projektideen“ und noch weitere Ideen nach Skalierbarkeit bewerten und bei Erfolgsaussicht unterstützen.

Personalfragen bald geklärt

Zu den bislang fehlenden Personalentscheidungen berichtet sie, dass die finalen Vertragsgespräche mit den Geschäftsführern liefen. „Die stimmberechtigten Mitglieder des Investmentausschusses, der auch Funktionen eines Aufsichtsrats übernimmt, stehen ebenfalls fest.“ Dieses Doppelgremium aus Aufsichtsrat und Investmentausschuss soll die Projekte bestimmen, die finanziert werden. An den einzelnen Projekten sollen sich Genossenschaftsbanken direkt beteiligten können.

Im Zusammenhang mit Amberra, aber auch ganz grundsätzlich für die digitale Zukunft der Gruppe wird derzeit aber auch der IT-Dienstleister Atruvia als unzureichend zukunftsfest kritisiert. In den nächsten Jahren wird mindestens ein höherer dreistelliger Millionenbetrag an Investitionen notwendig sein, heißt es in informierten Kreisen. In einem ersten Konzept sprach die Beratungsgesellschaft Bain sogar von mindestens 1 Mrd. Euro. Und dies, obwohl das vorherige Digitalisierungsprojekt „Kundenfokus“ mit neuer Banking-App schon einen dreistelligen Millionenbetrag gekostet hatte.

Investitionen nötig

Auch, ob die Führungsspitze richtig besetzt ist, wird derzeit hinter vorgehaltener Hand kritisch hinterfragt. Atruvia, die aus der Fusion der zuvor zwei parallelen Rechenzentralen Fiducia und GAD entstanden ist, wird derzeit geführt von Martin Beyer und Ulrich Coenen als Co-Vorstandssprecher. An der Spitze des Aufsichtsrats steht Jürgen Brinkmann, Chef der Volksbank Braunschweig.

Befragt zur richtigen Ausstattung von Atruvia antwortet Kolak: „Für die Zukunftsfähigkeit der genossenschaftlichen Finanzgruppe ist es elementar, dass der eingeschlagene Weg im Bereich der Digitalisierung fortgeführt wird. Zum einen, um die Kundenerwartungen zu erfüllen, zum anderen aber auch, um die interne Effizienz zu erhöhen. Hierfür sind finanzielle Mittel einzuplanen. Der Planungsprozess läuft bereits, ist aber noch nicht abgeschlossen.“